Die negativen Folgen von sozialer und räumlicher Ungleichheit haben in den vergangenen Jahren, sowohl national als auch international, eine wachsende Aufmerksamkeit erfahren (Wilkinson/Pickett 2010: 15–30; OECD 2011: 22–26; Miosga 2015: 9–10). In den Zielen für Nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen, die auch für Länder mit einem hohen Entwicklungsstand wie Deutschland relevant sind, spielt die Reduzierung von Ungleichheit eine wichtige Rolle (Ziel 10).1
Für Bayern liegt vom Bayerischen Landesamt für Statistik eine konsistente Zeitreihe aus der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) für die Einkommensunterschiede der Haushalte zwischen den Kreisen vor. Orlowski (2018) hat auf dieser Basis für die Jahre 1991 bis 2017 die Entwicklung der räumlichen Einkommensunterschiede anhand des primären und verfügbaren Einkommens pro Kopf in privaten Haushalten untersucht. Hier zeigte sich, dass die räumliche Einkommensungleichheit in Bayern insgesamt rückläufig ist, wobei dieser Prozess seit 2000 an Dynamik gewonnen hat (Orlowski 2018: 833; vgl. Braml/Felbermayr 2018: 36). Dieser Befund umfasst einerseits die erheblichen Unterschiede im Großraum München und andererseits die Unterschiede zwischen dem Verdichtungsraum München und den Kreisen in den peripheren Regionen im Norden und Osten Bayerns. Hierzu kommen kleinräumigere Unterschiede zwischen den Stadtkreisen und den jeweiligen suburbanen bzw. ländlichen Umlandkreisen.
Die Studie in vorliegendem Beitrag nutzt die gleiche Datenquelle. Es wird untersucht, wie sich die räumlichen Disparitäten zwischen den Kreisen in Bayern im Zeitraum 1991 bis 2018 verändern, wenn neben dem primären und verfügbaren Einkommen pro Kopf in privaten Haushalten auch die Kaufkraftunterschiede berücksichtigt werden. Da hierzu bisher keine regionalisierten Zeitreihen vorliegen – der von Weinand und von Auer (2020) mit Mikrodaten modellierte Kaufkraftindex liegt nur für das Jahr 2016 vor –, bilden hier Unterschiede in den Wohnkosten die Grundlage. Wohnkosten erklären einen großen Anteil der räumlichen Kaufkraftunterschiede (Weinand/von Auer 2020: 430). Sie gehen zu knapp einem Drittel (28,8 %) in die Berechnung des Verbraucherpreisindex des Statistischen Bundesamts ein (Statistisches Bundesamt 2021). Auf der Basis eines regionalisierten Datensatzes des Bundesinstituts für Bau‑, Stadt- und Raumforschung (BBSR) zu den Angebotsmieten (BBSR 2020: 9–13), wird mit einem experimentellen Ansatz ein mietpreisbereinigtes verfügbares Einkommen berechnet.
Im folgenden Kapitel erfolgt eine knappe theoretische Einordnung der gleichwertigen Lebensverhältnisse als Ziel von Politik und Raumordnung. In Kapitel 3 werden Methodik und Datengrundlage beschrieben, in Kapitel 4 wird die Entwicklung der Einkommensungleichheit in Bayern im zeitlichen Verlauf der Jahre 1991 bis 2018 vorgestellt. Dabei werden die inter- und intraregionalen räumlichen Unterschiede der Kreise nach Regierungsbezirken bzw. siedlungsstrukturellen Kreistypen des BBSR analysiert. Der Beitrag schließt in Kapitel 5 mit der Diskussion der Frage, wie diese Befunde im Hinblick auf das raumordnerische Leitziel gleichwertiger Lebensverhältnisse zu bewerten sind.
Für Deutschland wird die Frage, ob soziale Ungleichheit gegenwärtig zu- oder abnimmt, seit einiger Zeit kontrovers diskutiert (vgl. Heinrich-Böll-Stiftung 2017; Sixtus/Slupina/Sütterlin et al. 2019; Kallert/Belina/Mießner et al. 2020; Zucco/Özerdogan 2021). Soziale Ungleichheit in der Verteilung von Wohlstand und Lebenschancen der Bevölkerung (vgl. BMAS 2021) äußert sich auch in einer räumlichen Dimension („räumliche Gerechtigkeit“) und wirkt sich entsprechend negativ auf den sozialen Zusammenhalt aus (Miosga 2015: 22–25; Koppers/Miosga/Sträter et al. 2018: 13–14; Dirksmeier/Göb/Herrmann et al. 2020: 279–280). Die Reduzierung solcher Disparitäten, die sich beispielsweise aus der räumlichen Konzentration geringer wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit oder individueller materieller Deprivation ergeben, gehören daher traditionell zu den Aufgaben der Raumordnung und Regionalentwicklung. Gleichwertige Lebensverhältnisse zu sichern oder zu schaffen ist eines ihrer zentralen Leitbilder.
Gleichwertige Lebensverhältnisse sind als Aufgabe der Raumordnung im Bundesraumordnungsgesetz (ROG) verankert.2 Die Bundesregierung hat zudem in der 19. Legislaturperiode 2018 eine Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ eingesetzt und 12 prioritäre Maßnahmen zur Reduzierung räumlicher Disparitäten verabschiedet. Seit 2019 gilt zudem ein „Gleichwertigkeits-Check“ für Gesetzgebungsvorhaben des Bundes (vgl. BMI 2019; Bundesregierung 2021). In Bayern wurde 2013 das Ziel in der Verfassung verankert. In Artikel 3 Absatz 2 der Verfassung des Freistaates Bayern heißt es: „Der Staat schützt die natürlichen Lebensgrundlagen und die kulturelle Überlieferung. Er fördert und sichert gleichwertige Lebensverhältnisse und Arbeitsbedingungen in ganz Bayern, in Stadt und Land“.3 Das Bayerische Landesplanungsgesetz definiert in § 5 Abs. 1: „Leitziel der Landesplanung ist es, gleichwertige Lebens- und Arbeitsbedingungen in allen Teilräumen zu schaffen und zu erhalten.“ § 6 Abs. 2 S. 1 konkretisiert dies: „Im gesamten Staatsgebiet und in seinen Teilräumen sollen ausgeglichene infrastrukturelle, wirtschaftliche, ökologische, soziale und kulturelle Verhältnisse angestrebt werden“4 (vgl. auch Miosga 2015: 10–11; Neu/Riedel/Stichnoth 2020: 195–196). Im von der Enquete-Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Bayern“ vorgestellten Konzept der „räumlichen Gerechtigkeit“ spielt die Verteilungsgerechtigkeit innerhalb von Regionen, neben der Chancengleichheit, Generationengerechtigkeit und Verfahrensgerechtigkeit, eine wichtige Rolle (Bayerischer Landtag 2017: 20–29; Koppers/Miosga/Sträter et al. 2018: 30–32). Das verfügbare Haushaltseinkommen ist zudem einer der Indikatoren für die raumordnerische Ausweisung von „Teilräumen mit besonderem Handlungsbedarf“ im Bayerischen Landesentwicklungsprogramm (Koppers/Miosga/Sträter et al. 2018: 178). Miosga (2015: 21–32) stellt in diesem Zusammenhang fest, dass aussagekräftige Untersuchungen zu räumlichen Disparitäten in Bayern fehlen.
Wie ‚Gleichwertigkeit‘ als Aufgabe der Raumordnung definiert werden soll, ist umstritten (vgl. z. B. Barlösius 2006: 16–18). Auch herrscht bisher kein Konsens, mit welchen Indikatoren bzw. Methoden und auf welcher Maßstabsebene räumliche Disparitäten der Einkommensverteilung zu operationalisieren sind. Dies hängt auch mit der eingeschränkten Verfügbarkeit geeigneter kleinräumiger Indikatoren zusammen. Einkommens- und Kaufkraftunterschiede bilden jedoch unbestritten einen wichtigen Aspekt gleichwertiger Lebensverhältnisse ab (Einig/Jonas 2009: 130–131; Krause 2015: 5–10; Neu/Riedel/Stichnoth 2020: 33–34; Nettle/Dickins 2022: 1–4) und sind Gegenstand der vorliegenden Analyse. Generell führt steigender materieller Wohlstand ab einem bestimmten Einkommensniveau nicht mehr automatisch zu relevanten Verbesserungen der wahrgenommenen Lebensqualität. Die Rolle ungleicher Einkommensverteilung ist dabei umstritten. Einkommensungleichheit bildet die Gesamtheit der Lebensbedingungen zwar nur zum Teil ab, Ergebnisse neuerer Forschung deuten aber auf einen eigenständigen Einfluss von sozioökonomischer Ungleichheit auf die Lebensqualität hin (Kahneman/Deaton 2010: 16492; Wilkinson/Pickett 2010: 15–20).
Bei der Operationalisierung der räumlichen Disparitäten des Einkommens ist zu berücksichtigen, dass die Unterschiede zwischen den Kreisen beim primären bzw. verfügbaren Einkommen, die sich aus der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ergeben, die erheblichen räumlichen Kaufkraftunterschiede unberücksichtigt lassen. Steuern und Transfers reduzieren die räumliche Ungleichheit beim Primäreinkommen zwar deutlich und wirken im Hinblick auf die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse ähnlich wie das Angebot staatlicher Infrastruktur (Neu/Riedel/Stichnoth 2020: 30–32; BMAS 2021: 65–66). Die Möglichkeiten der Lebensgestaltung resultieren aber aus der Kaufkraft des verfügbaren Einkommens und hängen damit vom regionalen Preisniveau ab. Dabei ist davon auszugehen, dass überwiegend das Preisniveau am Wohnort die Ausgaben eines Haushalts bestimmt. Die in einigen Regionen sehr hohen Immobilien- und Mietpreise relativieren die dort erzielbaren höheren primären und verfügbaren Einkommen teilweise sehr deutlich (Kosfeld/Eckey/Schüßler 2009: 4; Westermeier/Grabka 2017).
Die für die Berechnung eines kaufkraftbereinigten Einkommens erforderlichen regionalen Preisindizes wurden vom BBSR in jüngerer Zeit nur einmal im Jahr 2009 für eine Pilotstudie erhoben; ein Überblick über frühere Studien findet sich bei Ströhl (1994). Der Bayerische Sozialbericht von 2012 berechnete auf Basis dieser Pilotstudie für den Regierungsbezirk Oberbayern, in dem sich auch der Großraum München befindet, im Jahr 2009 ein nicht kaufkraftbereinigtes Einkommen von 109,6 % des bayerischen Mittels; dies war mit Abstand der höchste Wert in Bayern. Kaufkraftbereinigt um den regionalen Preisindex des BBSR sank der Wert auf 100,5 %, womit Oberbayern hinter die Regierungsbezirke Oberfranken, Mittelfranken und Schwaben zurückfiel (StMAS 2012: 178–179, 194–195). Die Daten wiesen damals aber methodische Schwächen auf und wurden seither, auch aufgrund des erheblichen Aufwands bei der Datengewinnung, nicht weiter erhoben (Der Paritätische Gesamtverband 2019: 7–8).
Für die Analyse der räumlichen Einkommensunterschiede kommt der Theil-Index zum Einsatz (vgl. Rey 2001; Fredriksen 2012: 16; Doran/Jordan 2013: 28–29). Die Nutzung des zerlegbaren Theil-Index für die Analyse der räumlichen Einkommensunterschiede erlaubt es in dieser Studie, die Heterogenität auf der Ebene der 96 bayerischen Kreise in den Beitrag der interregionalen Heterogenität zwischen den Regierungsbezirken und den Beitrag intraregionaler Heterogenität zwischen Kreisen in den jeweiligen Regierungsbezirken zu zerlegen. Analog zur Analyse gruppiert nach Regierungsbezirken führen wir zusätzlich auch eine Analyse nach den siedlungsstrukturellen Kreistypen des BBSR durch. Der Theil-Index, der zwischen 0 (völlige Gleichverteilung) und ln (96) = 4,56 (maximale Ungleichverteilung) variiert, wird hierzu in zwei Teilindizes zerlegt. Die interregionale Heterogenität, also die Heterogenität zwischen den nach Regierungsbezirken bzw. siedlungsstrukturellen Kreistypen gruppierten Kreisen wird mit dem Theil-Index Between (T Between) gemessen. Die intraregionale Heterogenität zwischen den Kreisen innerhalb der Regierungsbezirke bzw. den nach siedlungsstrukturellem Kreistyp gruppierten Kreisen wird mit dem Theil-Index Within (T Within) erfasst. Für die Studie werden die bayerischen Kreise (1) nach den sieben bayerischen Regierungsbezirken bzw. (2) den vier siedlungsstrukturellen Kreistypen (kreisfreie Großstädte, städtische Kreise, ländliche Kreise mit Verdichtungsansätzen, dünn besiedelte ländliche Kreise) des BBSR5 gruppiert. So lässt sich beispielsweise die Frage beantworten, zu welchem Teil die Heterogenität innerhalb Bayerns auf der Heterogenität zwischen den oberbayerischen Kreisen und der Heterogenität zwischen Oberbayern und den anderen Regierungsbezirken beruht bzw. welche Rolle der siedlungsstrukturellen Gliederung zwischen Stadt und Land zukommt.6
Theil Between | Theil Within | |
---|---|---|
Regionale Gruppierung nach… | Interregionale Heterogenität | Intraregionale Heterogenität |
Regierungsbezirken | Großräumige Unterschiede | Stadt-Umland-Unterschiede |
Siedlungsstrukturellen Kreistypen | Unterschiede nach Grad der Urbanität (Stadt/Land) | Unterschiede bei gleichem Grad der Urbanität (Stadt/Land) |
Als Datengrundlage dient die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung des Arbeitskreises „Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung der Länder“ nach Kreisen. Das Primäreinkommen der privaten Haushalte (einschließlich privater Organisationen ohne Erwerbszweck) enthält die Einkommen aus Erwerbstätigkeit und Vermögen, die den inländischen privaten Haushalten zugeflossen sind. Zu diesen Einkommen gehören im Einzelnen das Arbeitnehmerentgelt, die Selbstständigeneinkommen, der Betriebsüberschuss aus der Produktion von Dienstleistungen aus eigengenutztem Wohneigentum sowie die netto empfangenen Vermögenseinkommen. In den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen werden für selbstgenutzte Wohnungen unterstellte Mieten erfasst. Hierfür werden Mieten angesetzt, die bei vergleichbaren vermieteten Wohnungen anfallen (Klose/Schwarz 2019: 18). Das verfügbare Einkommen der privaten Haushalte (Ausgabenkonzept) ergibt sich dadurch, dass dem Primäreinkommen einerseits die monetären Sozialleistungen und sonstigen laufenden Transfers hinzugefügt werden, welche die privaten Haushalte überwiegend seitens des Staates empfangen. Abgezogen werden dagegen Einkommen- und Vermögensteuern, Sozialbeiträge und sonstige laufende Transfers, die von den privaten Haushalten zu leisten sind. Das verfügbare Einkommen der privaten Haushalte entspricht damit den Einkommen, die den privaten Haushalten letztendlich zufließen und die sie für Konsum- und Sparzwecke verwenden können (Orlowski 2018: 834; von Roncador 2018: 21; Seils/Pusch 2022: 2).
In Ermangelung kleinräumiger Preisindizes der amtlichen Statistik und angesichts der Bedeutung der steigenden Wohnkosten für die regionale Kaufkraft wird hier als Annäherung an einen regionalen Preisindex ein mietpreisgewichtetes verfügbares Einkommen geschätzt. Hierzu werden 20 % des verfügbaren Einkommens der bayerischen Kreise mit dem relativen Mietpreisniveau des jeweiligen Kreises gewichtet. Damit wird der unterstellte Einfluss der Wohnkosten auf die räumliche Ungleichheit der verfügbaren Einkommen konservativ modelliert und der Einfluss der Wohnkosten eher unterschätzt. Das regionale Mietpreisniveau wird unter Verwendung der inserierten Angebotsmieten bei Wiedervermietung geschätzt, die vom BBSR zur Verfügung gestellt wurden. Dabei handelt es sich um Mietpreise ohne Nebenkosten. Die räumlichen Unterschiede zwischen der Brutto-Kalt- und -Warmmiete sind aber gering7 und können hier vernachlässigt werden. Diese Daten liegen vor und nach 2010 auf der Basis unterschiedlicher Erhebungsmethoden vor. Der Bruch in der Zeitreihe ist allein durch die unterschiedlichen Erhebungsmethoden begründet.
Die Berechnung eines mietpreisgewichteten verfügbaren Einkommens unterliegt einigen Einschränkungen. Der berechnete Index repräsentiert einerseits nur den Mietwohnungsmarkt. Selbstgenutzte Häuser und Eigentumswohnungen werden im Datensatz des BBSR nicht berücksichtigt. Das Wohneigentum trägt aber erheblich zum Vermögen privater Haushalte bei und resultiert in ersparten Mieten, die wie Einkommen zur Kaufkraft beitragen (Seils/Pusch 2022: 4). Die Angebotsmieten im Datensatz des BBSR spiegeln zudem nur das Mietpreisniveau bei Neuvermietung wider. Nach dem Index der Bundesbank stiegen die Mietpreise von 2008 bis 2018 bei Neuvermietungen um 43 %, während der Anstieg im Durchschnitt aller Mietverträge dagegen nur 14 % betrug (BBSR 2020: 19). Spätestens seit 2012 erhöhten sich die Mieten dabei stärker als der Verbraucherpreisindex insgesamt, wobei die Angaben unterschiedlicher Datenanbieter variieren (BBSR 2020: 19). In Großstädten sind die Nettokaltmieten zwischen 2006 und 2018 im Bestand im Durchschnitt um 10,9 % gestiegen, darunter in den vier deutschen Millionenstädten, zu denen in Bayern München zählt, um 18,6 % und in den übrigen Großstädten um 6,9 % (Holm/Regnault/Sprengholz et al. 2021: 43). Die Angebotsmieten betreffen dabei vor allem Mieterinnen und Mieter, die umziehen wollen oder müssen, und damit Kreise mit einem hohen Umzugs- bzw. Binnenwanderungsvolumen stärker als Kreise, in denen Menschen weniger mobil sind. Insgesamt ist damit zu rechnen, dass das in den Index eingehende Mietpreisniveau bei Neuvermietung das tatsächliche Niveau etwas überschätzt und dass dieser Unterschied in den Großstädten und prosperierenden Kreisen geringer ist als in den peripheren Kreisen. Räumliche Unterschiede der Mietbelastungsquoten der Haushalte können hier nicht berücksichtigt werden (vgl. Deschermeier/Henger 2020: 178–179). Durch die konservative Annahme der Mietbelastungsquote von nur 20 % des verfügbaren Einkommens und der dadurch verbundenen, tendenziellen Unterschätzung des Einflusses auf das verfügbare Einkommen wird teilweise kompensiert, dass durch die Verwendung von Angebotsmieten der Einfluss der Mieten auf die Kaufkraft für die Mehrheit der Haushalte im Bestand überschätzt wird.
Beim mietpreisgewichteten Einkommen reduzieren sich die Abstände zwischen den Regierungsbezirken weiter und nehmen im Zeitverlauf bis 2018 ebenfalls ab. Insbesondere der Vorsprung des Regierungsbezirks Oberbayern zu den übrigen Regierungsbezirken verringert sich. Unter den drei Kreisen mit dem höchsten mietpreisgewichteten Einkommen zeigen die Stadt München und der Landkreis Coburg seit 2010 einen deutlich steigenden Trend (vgl. Abbildung 1, rechte Spalte).
Der Einfluss der Wiedervermietungsmieten auf das Einkommen weist für Bayern ein ausgeprägtes räumliches Muster auf. Die höchsten Mieten werden in München und den angrenzenden Kreisen des Regierungsbezirks Oberbayern, im Großraum Nürnberg/Fürth und einer Reihe weiterer Großstädte registriert. Ausgehend von dieser räumlichen Verteilung werden die Mieten nach Norden und Osten zur bayerischen Landesgrenze hin geringer. Spiegelbildlich zur Verteilung der Miethöhe verhält sich die Differenz zwischen dem mietpreisgewichteten Einkommen und dem Primäreinkommen. Steuern und Transfers in Verbindung mit hohen Mieten reduzieren die Kaufkraft gegenüber dem Primäreinkommen um bis zu maximal 18.000 Euro. In einem Fünftel der Kreise liegt der Wert über 8.000 Euro. Ein Vergleich zwischen dem räumlichen Muster des Primäreinkommens und dem verfügbaren Einkommen nach Steuern und Transfers für das Jahr 2018 zeigt, dass sich die Anzahl der Kreise mit 80 % und weniger des bayerischen Durchschnitts von 15 Kreisen auf einen Kreis reduziert und die Anzahl derjenigen zwischen 81 % und 90 % von 29 auf 25 Kreise. Letztere konzentrieren sich im Osten Bayerns. Die Anzahl und räumliche Verteilung der Kreise mit mehr als 100 % des bayerischen Durchschnitts bleiben von der Umverteilung in Form von Steuern und Transfers weitgehend unberührt. Erst bei der Berücksichtigung der unterschiedlichen Mietpreise beim mietpreisgewichteten Einkommen verschwinden die ausgeprägten interregionalen Disparitäten zwischen dem Großraum München und den peripheren Regionen im Norden und Osten. Die intraregionalen Disparitäten zwischen einer Reihe von Groß- und Universitätsstädten und ihren ländlich geprägten Umlandkreisen bleiben allerdings bestehen. Der Großraum München weist auch nach Berücksichtigung der hohen Mietpreise noch die höchste Kaufkraft auf. Einige ländliche Kreise erreichen aufgrund des niedrigen Mietpreisniveaus beim mietpreisgewichteten Einkommen ebenfalls mehr als 100 % des bayerischen Durchschnitts.
Wenn der globale Theil-Index nun auf Basis der Regierungsbezirke in die zwei Teilindizes T Within und T Between zerlegt wird, dann ist die intraregionale Heterogenität (T Within) zwischen Kreisen einzelner Regierungsbezirke stärker ausgeprägt als die interregionale Heterogenität (T Between) zwischen den Regierungsbezirken.8 Im Jahr 1991 machte die intraregionale Heterogenität rund 62 % der gesamten Heterogenität des Primäreinkommens aus, rund 38 % entfielen auf die interregionale Heterogenität. Im Betrachtungszeitraum ging T Within etwas stärker zurück als T Between. Besonders auffällig ist der Beitrag von Oberbayern zu den T‑Within- und T‑Between-Indizes, was eine stärkere Heterogenität sowohl zwischen den Kreisen Oberbayerns als auch zwischen Oberbayern und den anderen Regierungsbezirken belegt.
Der Theil-Index für das verfügbare Einkommen war bereits zu Beginn des Betrachtungszeitraums deutlich geringer als jener für das Primäreinkommen (vgl. Abbildung 3, mittlere Spalte). Er betrug 1991 0,008 und lag damit um knapp ein Drittel niedriger als der Theil-Index des Primäreinkommens. Im Zeitverlauf zeigt sich für den Index ein ähnlicher Trend wie beim Primäreinkommen, wobei der Index beim verfügbaren Einkommen auch nach 2011 noch leicht rückläufig war und im Betrachtungszeitraum in der Summe eine stärkere Abnahme verzeichnete. Im Jahr 2018 war er mit 0,004 weniger als halb so groß wie der Theil-Index des Primäreinkommens. Im Hinblick auf die beiden Teilindizes zeigt sich auch beim verfügbaren Einkommen ein stärkerer Einfluss der intraregionalen Heterogenität, der anteilsmäßig sogar noch höher ausfällt als beim Primäreinkommen. So machte 1991 T Within rund 68 % des gesamten Theil-Index aus, 32 % entfielen auf T Between. Im Verlauf des Betrachtungszeitraums verzeichnete T Within zwischenzeitlich einen stärkeren Rückgang als T Between. Dies hat sich jedoch zum Ende des Betrachtungszeitraums wieder angeglichen, sodass die Anteile in 2018 in etwa den Ursprungswerten entsprachen.
Analysen zur Heterogenität der mietpreisgewichteten verfügbaren Einkommen können aufgrund der eingeschränkten Datenverfügbarkeit lediglich für den Zeitraum 2004 bis 2018 erfolgen (vgl. Abbildung 3, rechte Spalte). Außerdem ist der Bruch in den Mietpreisdaten zwischen 2009 und 2010 zu beachten. Beim mietpreisgewichteten verfügbaren Einkommen zeigt sich, dass der Theil-Index, verglichen mit dem nicht gewichteten verfügbaren Einkommen, über den gesamten Betrachtungszeitraum deutlich niedriger liegt. 2004 war der Theil-Index des mietpreisgewichteten verfügbaren Einkommens mit 0,003 nur halb so groß wie derjenige des verfügbaren Einkommens. Noch stärker als bei den Primäreinkommen und den nicht gewichteten verfügbaren Einkommen wird der Theil-Index hierbei durch die intraregionale Heterogenität dominiert, die sich zudem im Gegensatz zu der interregionalen Heterogenität im Zeitverlauf kaum verringert hat. 2004 machte T Within beim mietpreisgewichteten Einkommen rund 78 % der gesamten Heterogenität aus, und dieser Anteil stieg bis 2018 auf 94 %. Der Einfluss von T Between war bereits 2004 sehr gering und seit 2010 auf niedrigem Niveau nochmals rückläufig. 2018 machte T Between nur noch rund 6 % des Theil-Index aus. Dieses Verhältnis resultiert aus dem starken Stadt-Umland-Gradienten der Mietpreise innerhalb der Regierungsbezirke. Besonders auffällig ist dabei der starke Einfluss der sehr hohen Mietpreise in Oberbayern auf die Theil-Indizes, der sich im Verlauf aufgrund der überdurchschnittlichen Mietpreissteigerung nochmals verstärkte und zu einer Verringerung der Unterschiede zu den restlichen, preiswerteren Regierungsbezirken führte. Eine auf den modellierten Preisindizes von Weinand und von Auer (2020) basierende Sensitivitätsanalyse ergibt ein vergleichbares Bild.
Bei den mietpreisgewichteten verfügbaren Einkommen (vgl. Abbildung 4, rechte Spalte) blieb die Heterogenität innerhalb der einzelnen Kreistypen (T Within) seit 2010 relativ konstant, wohingegen die Unterschiede zwischen den Kreistypen (T Between) auf niedrigem Niveau nochmals rückläufig waren. Im Jahr 2018 ist nur noch eine minimale Ungleichheit zwischen den einzelnen Kreistypen sichtbar, mit einem Theil Between von 0,0002. Hier ist zudem eine deutliche Konvergenz zwischen den einzelnen Kreistypen erkennbar, insbesondere zwischen den städtischen Kreisen und dünn besiedelten ländlichen Kreisen. Im Vergleich zu den primären und verfügbaren Einkommen ist bei den mietpreisgewichteten Einkommen der Anteil des T Between relativ gering und im Verlauf der Zeit stark zurückgegangen. Mehr als 90 % der Heterogenität entfällt 2018 auf den T Within, ähnlich wie bei der Gruppierung nach Regierungsbezirken. Hierin spiegelt sich die unterschiedliche Entwicklung der Mietpreise zwischen Stadt und Land wider, durch die Land-Stadt-Unterschiede nivelliert werden.
Die Primäreinkommen in den Kreisen sind durch starke räumliche Disparitäten geprägt. Diese zeigen sich vor allem in hohen bis sehr hohen Primäreinkommen in den prosperierenden Zentren und ihrem Umland (München, Ingolstadt, Nürnberger Umland) im Vergleich zu den peripheren Kreisen, insbesondere im Nordosten Bayerns, mit einem wesentlich niedrigeren Primäreinkommen. Die über den ganzen Beobachtungszeitraum verzeichneten deutlich geringeren Disparitäten bei den verfügbaren Einkommen im Vergleich zu den Primäreinkommen unterstreichen die große Verteilungswirkung von Steuern, Abgaben und Transfers und die durch diese erzielte Verringerung räumlicher Disparitäten. Dabei weisen die Zeitreihen nach 2012/2013 keine Trends auf, die sich ursächlich auf die Verankerung des Ziels gleichwertiger Lebensverhältnisse in die bayerische Landesverfassung bzw. das neue Landesplanungsgesetz zurückführen lassen könnten.
War Anfang und Mitte der 1990er-Jahre noch ein Anstieg der räumlichen Disparitäten verzeichnet worden, so haben sich diese ab Ende der 1990er-Jahre sowohl beim primären als auch beim verfügbaren Einkommen im Zeitverlauf verringert. Dabei wird die Differenz der Disparitäten zwischen dem primären und verfügbaren Einkommen im Verlauf größer. Die Umverteilungswirkung von Steuern, Abgaben und Transfers hat mit der Zeit zugenommen. Auch sozialstaatliche Leistungen haben seither zugenommen. Während sich diese Entwicklung bei der Analyse nach Regierungsbezirken in gleichem Maße inter- wie auch intraregional zeigt, sind bei der Analyse nach siedlungsstrukturellen Kreistypen die Stadt-Land-Unterschiede im Vergleich zu 1991 stärker zurückgegangen. Bei Gruppierung nach Regierungsbezirken verbleibt am Ende des Betrachtungszeitraums bei den verfügbaren Einkommen ein leichtes Nord-Ost- zu Süd-West-Gefälle der interregionalen Disparitäten sowie ein reduzierter, aber noch stets größerer Vorsprung Oberbayerns gegenüber den restlichen Regierungsbezirken. Bei den intraregionalen Disparitäten hebt sich der Regierungsbezirk Oberbayern, trotz Rückgang der Unterschiede zwischen München und den Umlandkreisen, ebenfalls noch von den restlichen Regierungsbezirken ab.
Das mietpreisgewichtete verfügbare Einkommen zeigt den Einfluss der räumlich differierenden Wohnkosten. Die entsprechenden Disparitäten sind, verglichen mit dem verfügbaren Einkommen ohne diese Gewichtung, noch einmal deutlich geringer. Daran wird deutlich, dass den hohen Einkommen in den wirtschaftsstarken Kreisen und ihrem Umland meist sehr hohe Wohnkosten gegenüberstehen. Diese nivellieren also die dort verzeichneten höheren verfügbaren Einkommen stark. Am Ende des Betrachtungszeitraumes werden die interregionalen Einkommensunterschiede bei Berücksichtigung der Wohnkosten nahezu komplett aufgehoben, sowohl zwischen den Regierungsbezirken als auch zwischen den Kreistypen. Diese Entwicklung ist maßgeblich beeinflusst durch die Auswirkung der Mietpreisgewichtung auf die Einkommen in Oberbayern auf der Ebene der Regierungsbezirke und auf die städtischen Kreise auf der Ebene der Kreistypen. Es ist anzunehmen, dass in diesen Regionen die seit 2015 überdurchschnittliche Zunahme der Mietpreise ihre Wirkung zeigt.
Beim Vergleich der Heterogenität der einzelnen Einkommensmaße sind die jeweils unterschiedlichen Einflüsse von inter- und intraregionalen Unterschieden auf die gemessene Ungleichheit als Ganzes hervorzuheben. Während bei allen drei Einkommensindikatoren sowohl bei den nach Regierungsbezirken als auch bei den nach siedlungsstrukturellen Kreistypen gruppierten Kreisen eine höhere intraregionale Ungleichheit im Vergleich zur interregionalen Ungleichheit verzeichnet wird, unterscheiden sich die jeweiligen Anteile relativ deutlich. Mit rund 60 % gegenüber etwa 40 % sind die Anteile intraregionaler gegenüber interregionaler Unterschiede nach Regierungsbezirken bei den Primäreinkommen im Vergleich noch relativ nah beieinander. Mit rund 70 % gegenüber 30 % unterscheidet sich diese Verteilung bei den verfügbaren Einkommen deutlich stärker. Nach siedlungsstrukturellen Kreistypen sind die Verhältnisse entsprechend 70 % zu 30 % bzw. 80 % zu 20 %. Diese Anteile haben sich bei den Primär- und verfügbaren Einkommen über den Betrachtungszeitraum trotz einiger Schwankungen nur wenig verändert. Bei den mietpreisgewichteten Einkommen war der Anteil der interregionalen Disparitäten bereits 2004 mit 20 % auf der Ebene der Regierungsbezirke bzw. 25 % auf der der Kreistypen nochmals niedriger und hat sich durch einen starken Rückgang bis 2018 auf 6 % nach Regierungsbezirken und 8 % nach Kreistypen weiter verringert. Die Disparitäten bei den mietpreisgewichteten Einkommen basierten 2018 also fast ausschließlich auf intraregionalen Stadt-Land-Disparitäten.
Die räumlichen Disparitäten der Einkommensverteilung in Bayern sind stark durch die sehr hohen und weiter steigenden Primäreinkommen im Regierungsbezirk Oberbayern und hier insbesondere im Großraum München geprägt. Diese Entwicklung trägt stark zur gemessenen räumlichen Ungleichheit der Primäreinkommen zwischen den Regierungsbezirken bei. Allerdings resultieren knapp zwei Drittel der Disparitäten nicht aus der Heterogenität zwischen den Regierungsbezirken, sondern aus Unterschieden innerhalb der Regierungsbezirke entlang des Gradienten der Verstädterung. Letzteres bestätigt sich bei der Betrachtung der Disparitäten nach den siedlungsstrukturellen Kreistypen, welche verschiedene Verstädterungsgrade erfassen.
Der Vergleich zwischen primären und verfügbaren Einkommen, welche beide seit Ende der 1990er-Jahre eine rückläufige Tendenz aufweisen, belegt darüber hinaus, dass Umverteilung über Steuern, Abgaben und Transferleistungen zur Verringerung der räumlichen Disparitäten beiträgt. Dies äußert sich vor allem darin, dass im Vergleich zum Primäreinkommen die Unterschiede zwischen den Regierungsbezirken weniger zu den Gesamtdisparitäten beitragen als die Unterschiede innerhalb der jeweiligen Regierungsbezirke. Die großräumigen Unterschiede zwischen den prosperierenden und peripheren Regionen werden durch die Umverteilung vermindert und gehen mit der Zeit immer mehr zurück. Bezieht man die Unterschiede im Mietpreisniveau mit ein, wie es hier anhand eines experimentellen Ansatzes versucht wurde, reduzieren sich diese räumlichen Unterschiede weiter auf ein sehr niedriges Niveau. Die interregionalen Unterschiede verschwinden fast völlig und die verbleibende intraregionale Ungleichheit innerhalb der Regierungsbezirke, die aus dem Unterschied zwischen den großen kreisfreien Städten und den Umlandkreisen resultiert, ist vermutlich zu einem großen Teil auf die unterschiedliche Dynamik der Wohnungsmärkte zurückzuführen. Hierzu ist weitere Forschung genauso erforderlich wie zur Frage, welche Rolle in diesem Zusammenhang der selektiven Wanderung von Personen mit hohem und niedrigen Einkommen zukommt.
In dieser Studie wurde weiter gezeigt, dass die Messung von intra- und interregionalen Disparitäten sehr unterschiedlich ausfällt, je nachdem ob das Primäreinkommen, das verfügbare Einkommen oder die mietpreisbereinigte Kaufkraft betrachtet wird. Ein großer Anteil an den räumlichen mietpreisbereinigten Kaufkraftunterschieden resultiert, so die Annahme für diese Studie, aus den räumlichen Unterschieden bei den Wohnkosten. Bei knappen Wohnungsmärkten haben sich die regionalen Wohnkosten, vor allem in den letzten Jahren, stark auseinanderentwickelt und sollten so zu einem Anstieg der Disparitäten beitragen. Tatsächlich geht die gemessene Ungleichheit beim in dieser Studie genutzten mietpreisgewichteten verfügbaren Einkommen sogar zurück. Dieses zunächst paradoxe Ergebnis ist Folge der gegenläufigen Wirkung bei Niveaus und Trends, von Einkommen und Wohnkosten. Hohe Einkommen werden von hohen Wohnkosten zum Teil kompensiert. Ob dies, im Hinblick auf das Ziel gleichwertiger Lebensverhältnisse nicht nur für die hier untersuchten Wohnkosten gilt, sondern auch für die Lebenshaltungskosten insgesamt, bleibt weiterer Forschung vorbehalten. Hierzu wären kleinräumige Preisindizes aus der amtlichen Statistik erforderlich, die auch für weitere politikrelevante Fragestellungen unverzichtbar sind, aber bisher nicht vorliegen. Auch die Enquete-Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Bayern“ sieht hier dringenden Handlungsbedarf (Bayerischer Landtag 2017: 28–29).
Aus Sicht der Raumordnung sind die Ergebnisse dieser Studie vor allem im Hinblick auf die Bewertung von Instrumenten zur Realisierung gleichwertiger Lebensverhältnisse und hier vor allem der Verteilungsgerechtigkeit interessant. So zeigt die Analyse der räumlichen Disparitäten bei den Primäreinkommen, dass die wirtschaftsschwachen Regionen – trotz regionaler Wirtschaftsförderung – gegenüber den wirtschaftlichen Kernregionen nur wenig aufgeholt haben. Die Verringerung der räumlichen Disparitäten, wie sie hier gezeigt wurde, resultiert vor allem aus dem Beitrag der staatlichen Umverteilung und unterschiedlicher regionaler Kaufkraft, wie sie hier am Beispiel der Wohnkosten modelliert wurde. Deren Bedeutung für die Reduzierung von Disparitäten hat über die Zeit sogar zugenommen. Dies lässt erwarten, dass der staatliche Ressourcenbedarf zur Schaffung gleichwertiger Lebensbedingungen künftig weiter zunehmen wird.
Diese Aspekte sollten im Kontext des Leitbilds gleichwertiger Lebensverhältnisse noch stärker in den Blick genommen werden, um Potenziale und Grenzen für die Realisierung der vier Dimensionen einer „räumlichen Gerechtigkeit“ besser einschätzen zu können (Miosga 2015: 22–25; Koppers/Miosga/Sträter et al. 2018: 13–14, 29–34). Die regionale Kaufkraft ist zwar nur ein – wenn auch wichtiger – Indikator für die Lebensbedingungen der Bevölkerung, allerdings wirkt diese über die Nachfrage auch auf die Tragfähigkeit öffentlicher und privater Infrastruktureinrichtungen (Bayerischer Landtag 2017: 25–26, 28–29). Letzteres ist vor allem für die dünn besiedelten ländlichen Räume in Bayern ein wachsendes Problem. Hier sind weitere Analysen erforderlich, die künftig auf eine verbesserte Datenlage zurückgreifen können. Am Bayerischen Landesamt für Statistik läuft derzeit ein Projekt zur Berechnung regionaler Preisindizes. Hieraus können dann nicht nur die Effekte unterschiedlicher Wohnkosten, sondern auch Preisdifferenzen bei anderen Konsumgütern berücksichtigt werden; allerdings werden die räumlichen Kaufkraftunterschiede insgesamt stark von den Wohnkosten geprägt (Weinand/von Auer 2020: 430).
Literatur
Barlösius, E. (2006): Gleichwertig ist nicht gleich. In: Aus Politik und Zeitgeschichte 36, 16–23. |
Bayerischer Landtag (2017): Bericht der Enquete-Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Bayern“. München. = Drucksache 17/19770. |
BBSR – Bundesinstitut für Bau‑, Stadt- und Raumforschung (2020): Immobilienpreisentwicklungen – Übertreibungen oder Normalität? Bonn. = BBSR-Online-Publikation 16/2020. |
BMAS – Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2021): Lebenslagen in Deutschland. Berlin. |
BMI – Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (Hrsg.) (2019): Unser Plan für Deutschland. Gleichwertige Lebensverhältnisse überall. Berlin. |
Braml, M.; Felbermayr, G. (2018): Regionale Ungleichheit in Deutschland und der EU: Was sagen die Daten? In: ifo Schnelldienst 71, 7, 36–49. |
Bundesregierung (2021): Politik für gleichwertige Lebensverhältnisse. Zwischenbilanz der 19. Legislaturperiode. Berlin. |
Der Paritätische Gesamtverband (2019): Der Paritätische Armutsbericht 2019. Berlin. |
Deschermeier, P.; Henger, R. (2020): Wie viel Wohnfläche benötigen wir? In: Deschermeier, P.; Fuchs, J.; Iwanow, I.; Wilke, C. B. (Hrsg.): Zur Relevanz von Bevölkerungsvorausberechnungen für Arbeitsmarkt‑, Bildungs- und Regionalpolitik. Bielefeld, 178–201. = IAB-Bibliothek 372. |
Dirksmeier, P.; Göb, A.; Herrmann, S.; Ibendorf, J.; Knaps, F.; Othengrafen, F.; Ruffing, E. (2020): Räumliche Unterschiede und gesellschaftlicher Zusammenhalt. In: Deitelhoff, N.; Groh-Samberg, O.; Middell, M. (Hrsg.): Gesellschaftlicher Zusammenhalt. Frankfurt am Main, 273–294. |
Doran, J.; Jordan, D. (2013): Decomposing European NUTS2 regional inequality from 1980 to 2009. National and European policy implications. In: Journal of Economic Studies 40, 1, 22–38. https://doi.org/10.1108/01443581311283484 |
Einig, K.; Jonas, A. (2009): Ungleichwertige Lebensverhältnisse in Deutschland. In: Europa Regional 17, 3, 130–146. |
Fredriksen, K. B. (2012): Income inequality in the European Union. Paris. = OECD Economics Department Working Papers 952. |
Heinrich-Böll-Stiftung (Hrsg.) (2017): Geteilte Räume. Strategien für mehr sozialen und räumlichen Zusammenhalt. Berlin. = Schriften zu Wirtschaft und Soziales 21. |
Holm, A.; Regnault, V.; Sprengholz, M.; Stephan, M. (2021): Die Verfestigung sozialer Wohnversorgungsprobleme. Düsseldorf. = Working Paper Forschungsförderung 217. |
Kahneman, D.; Deaton, A. (2010): High income improves evaluation of life but not emotional well-being. In: Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America 107, 38, 16489–16493. https://doi.org/10.1073/pnas.1011492107 |
Kallert, A.; Belina, B.; Mießner, M.; Naumann, M. (2020): Gleichwertige Lebensverhältnisse? Zur Entwicklung ländlicher Räume in Hessen. Berlin. = Studien der Rosa-Luxemburg-Stiftung 14/2020. |
Klose, M.; Schwarz, N. (2019): Wohnungsvermietung in den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen – Konzepte, Methoden und Ergebnisse. In: Wirtschaft und Statistik 71, 6, 18–30. |
Koppers, L.; Miosga, M.; Sträter, D.; Höcht, V. (2018): Räumliche Gerechtigkeit – Konzept zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse und Arbeitsbedingungen in ganz Bayern. Bayreuth. |
Kosfeld, R.; Eckey, H.-F.; Schüßler, M. (2009): Ökonometrische Messung regionaler Preisniveaus auf der Basis örtlich beschränkter Erhebungen. Berlin. = RatSWD Research Note 33. |
Krause, P. (2015): Quality of Life and Inequality. Berlin. = SOEP Papers on Multidisciplinary Panel Data Research 765. |
Miosga, M. (2015): Gleichwertige Lebensverhältnisse in Bayern – nicht nur Aufgabe der Kommunen! München. |
Nettle, D.; Dickins, T. E. (2022): Why is greater income inequality associated with lower life satisfaction and poorer health? In: The Social Science Journal. https://doi.org/10.1080/03623319.2022.2117888 |
Neu, C.; Riedel, L.; Stichnoth, H. (2020): Gesellschaftliche und regionale Bedeutung von Daseinsvorsorge sowie der Versorgung mit Dienstleistungen und Infrastruktur. Berlin. |
OECD – Organisation for Economic Co-operation and Development (2011): Divided We Stand. Why Inequality Keeps Rising. Paris. |
Orlowski, M. (2018): Einkommensungleichheit zwischen den bayerischen Kreisen 1991 bis 2016 In: Bayern in Zahlen 149, 12, 833–842. |
Rey, S. J. (2001): Spatial Analysis of Regional Income Inequality. München. https://ideas.repec.org/p/wpa/wuwpur/0110002.html (21.02.2023). |
Seils, E.; Pusch, T. (2022): Ungleichheit, Umverteilung und Preise im regionalen Vergleich. Düsseldorf. = WSI Policy Brief 70. |
Sixtus, F.; Slupina, M.; Sütterlin, S.; Amberger, J.; Klingholz, R. (2019): Teilhabeatlas Deutschland. Berlin. |
Statistisches Bundesamt (2021): Wirtschaftsrechnungen 2020. Wiesbaden. = Fachserie 15 Reihe 1. |
StMAS – Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen (2012): Dritter Bericht der Staatsregierung zur sozialen Lage in Bayern. München. |
Ströhl, G. (1994): Zwischenörtlicher Vergleich des Verbraucherpreisniveaus in 50 Städten. In Wirtschaft und Statistik 6, 415–434. |
von Roncador, T. (2018): Das Verfügbare Einkommen der privaten Haushalte in Bayern und seinen Kreisen 1991 bis 2015. In: Bayern in Zahlen 149, 1, 21–26. |
Weinand, S.; von Auer, L. (2020): Anatomy of regional price differentials: evidence from micro-price data. In: Spatial Economic Analysis 15, 4, 413–440. https://doi.org/10.1080/17421772.2020.1729998 |
Westermeier, C.; Grabka, M. M. (2017): Zunehmende Polarisierung der Immobilienpreise in Deutschland bis 2030. In: DIW-Wochenbericht 84, 23, 451–459. |
Wilkinson, R. G.; Pickett, K. (2010): The spirit level. Why more equal societies almost always do better. London. |
Zucco, A.; Özerdogan, A. (2021): Verteilungsbericht 2021. Die Einkommenssituation und Abstiegsängste der Mittelschicht. Düsseldorf. = WSI-Report 69. |
Fußnoten
1 | Vgl. https://sdgs.un.org/goals (17.02.2023). |
2 | Raumordnungsgesetz vom 22. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2986), das zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 20. Juli 2022 (BGBl. I S. 1353) geändert worden ist. |
3 | Verfassung des Freistaates Bayern in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Dezember 1998 (GVBl. S. 991, 992, BayRS 100-1-I), die zuletzt durch Gesetze vom 11. November 2013 (GVBl. S. 638, 639, 640, 641, 642) geändert worden ist. |
4 | Bayerisches Landesplanungsgesetz (BayLplG) vom 25. Juni 2012 (GVBl. S. 254, BayRS 230-1-W), das zuletzt durch Gesetz vom 23. Dezember 2020 (GVBl. S. 675) geändert worden ist. |
5 | https://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/forschung/raumbeobachtung/Raumabgrenzungen/deutschland/kreise/siedlungsstrukturelle-kreistypen/kreistypen.html (21.02.2023). |
6 | Die Werte gruppiert nach (1) und (2) lassen sich nicht direkt miteinander vergleichen. Die Theil-Werte sind von der Maßstabsebene und der gewählten räumlichen Gliederung abhängig. Bei der Analyse nach Kreisen bleiben zudem die Disparitäten innerhalb der Kreise unberücksichtigt. Diese können beispielsweise bei Landkreisen zwischen der Kreisstadt und dem Umland einen größeren Umfang annehmen. Bei der Gliederung nach siedlungsstrukturellen Kreistypen bleibt der Einfluss unberücksichtigt, der sich aus einer im Zeitverlauf wandelnden Zuordnung von Kreisen zu einem siedlungsstrukturellen Kreistyp ergibt. Basis ist die Zuordnung der Kreise im Jahr 2018. |
7 | https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Wohnen/_inhalt.html (22.02.2023). |
8 | Bei den Abbildungen 3 und 4 unterscheidet sich die Skalierung der y‑Achsen zwischen Theil, T Between und T Within. |