© by the author(s); licensee oekom 2023. This Open Access article is published under a Creative Commons Attribution 4.0 International Licence (CC BY).
https://doi.org/10.14512/rur.1701
Raumforschung und Raumordnung | Spatial Research and Planning (2024) 82/2: 143–159
rur.oekom.de

Forschungsbeitrag / Research article

Neuverteilung von Verantwortung? Brandschutzerziehung als Strategie zur Zukunftssicherung Freiwilliger Feuerwehren

Alexandru Brad Contact Info ORCID, Alistair Adam Hernández Contact Info ORCID , Annett Steinführer Contact Info ORCID

(1) Institut für Lebensverhältnisse in ländlichen Räumen, Johann Heinrich von Thünen-Institut, Bundesallee 64, 38116 Braunschweig, Deutschland
(2) Vechta Institute of Sustainability Transformation in Rural Areas (VISTRA), Universität Vechta, Driverstraße 22, 49377 Vechta, Deutschland

Contact InfoDr. Alexandru Brad  (Corresponding author)
E-Mail: alexandru.brad@thuenen.de

Contact InfoDr. Alistair Adam Hernández 
E-Mail: alistair.adam-hernandez@uni-vechta.de

Contact InfoDr. Annett Steinführer 
E-Mail: annett.steinfuehrer@thuenen.de

Eingegangen: 20. Dezember 2022  Angenommen: 4. September 2023  Online veröffentlicht: 18. Oktober 2023

Zusammenfassung  
Freiwillige Feuerwehren sind in vielen ländlichen Räumen Europas eine etablierte Einrichtung der Daseinsvorsorge. Trotz dieser Allgegenwärtigkeit sehen sich viele Ortsfeuerwehren bei der Erfüllung ihrer Aufgaben mit existenziellen Herausforderungen konfrontiert. Fragen wie die Durchführung notwendiger Investitionen und die Sicherstellung der Tageseinsatzbereitschaft sind vor dem Hintergrund steigender Einsatzzahlen besonders kritisch geworden. Viele Maßnahmen zur Zukunftssicherung der Freiwilligen Feuerwehr gehen mit der Übertragung von Verantwortung an unterschiedliche Akteure einher. Das gilt auch für die Brandschutzerziehung, deren Weiterentwicklung und Ausweitung neue Akteure mit in die Verantwortung nimmt und die auf die Stärkung der Präventions- und Selbstschutzkompetenz der Bevölkerung zielt. Ziel des Beitrags ist, den Prozess des institutionellen Wandels zu untersuchen, der durch innovative Initiativen zur Weiterentwicklung der Brandschutzerziehung ausgelöst wird. Für die Studie stützen wir uns auf empirische Untersuchungen zur Entwicklung und Verstetigung von zwei Modellprojekten in Österreich und Deutschland. Sie zielen darauf ab, bestehende Ansätze der Brandschutzerziehung zu systematisieren und sie werden auf mehreren Ebenen durch neue Formen der Zusammenarbeit unterstützt. Anhand einer induktiven Analyse werden fünf wesentliche Schritte identifiziert, die für eine erfolgreiche langfristige Etablierung von Projekten in diesem koproduzierten Daseinsvorsorgebereich von Bedeutung sind. Abschließend werden Überlegungen zur Neuverteilung der Verantwortung für die nichtpolizeiliche Gefahrenabwehr angestellt.

Schlüsselwörter  Daseinsvorsorge – nichtpolizeiliche Gefahrenabwehr – Innovation – institutioneller Wandel – Verstetigung


Redistribution of responsibility? Fire safety education as a strategy for futureproofing volunteer firefighters
Abstract  
Volunteer firefighters are an established institution in many rural areas across Europe. In spite of this ubiquity, many volunteer brigades have been increasingly facing challenges in discharging their functions. Issues such as undertaking necessary investments, and ensuring daytime availability have become particularly critical against the backdrop of an increase in the number of interventions. Many of the measures intended to futureproof volunteer firefighting are based on transferring responsibility to different actors. To this end developing and expanding the reach of fire safety education functions to enhance the public’s prevention and self-protection skills. The aim of this paper is to explore the process of institutional change induced by innovative initiatives, which aim to advance fire safety education. For the study, we draw on empirical research, which follows the development and mainstreaming of two projects in Austria and Germany. These initiatives aim to standardise disparate approaches and are underpinned by new forms of multi-level cooperation. Our inductive analysis identifies five key steps which define the successful long-term implementation of projects in coproduced services of general interest. We conclude with observations on the redistribution of responsibility for fire services and hazard prevention in contemporary societies.

Keywords  Public services – Emergency response – Innovation – Institutional change – Mainstreaming


1  Einleitung

Die nichtpolizeiliche Gefahrenabwehr ist ein selten untersuchter Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge (vgl. aber Stielike 2018). In ländlichen Räumen wird die damit verbundene kommunale Pflichtaufgabe, den Brandschutz und die technische Hilfeleistung zu gewährleisten, seit Mitte des 19. und insbesondere seit der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts fast ausschließlich ehrenamtsbasiert durch Freiwillige Feuerwehren erfüllt – und dies nicht nur in Deutschland, sondern auch in weiteren europäischen Ländern wie Österreich, Slowenien oder Portugal. Aus dem Leben vieler Dörfer und Kleinstädte sind Freiwillige Feuerwehren nicht wegzudenken.

Doch die zahlreichen Facetten sozialen Wandels lassen auch die Institution der Freiwilligen Feuerwehr nicht unbeeinflusst. Selektive Ab- und Zuwanderung, die Alterung der Bevölkerung, veränderte Arbeitswelten, (zumindest bis Anfang 2020) wachsende Pendelentfernungen, neue Muster bürgerschaftlichen Engagements, technologischer Wandel sowie die Zunahme wetterbedingter Extremereignisse führen dazu, dass sich auch die Zahl und Struktur der verfügbaren Mitglieder sowie die Quantität und Komplexität der Einsätze verändern. Die Tageseinsatzbereitschaft kann nicht mehr flächendeckend gewährleistet werden und die Finanzierung vor allem der kostenintensiven Technik fällt vielen Gemeinden schwer. Mit zahlreichen Maßnahmen, Strategien und Projekten sind Akteure auf unterschiedlichen Ebenen – von der einzelnen Ortsfeuerwehr bis hin zum Deutschen Feuerwehrverband (DFV) als nationaler Interessenvertretung – auf der beständigen Suche nach Lösungen für die künftige Gewährleistung von Brandschutz und technischer Hilfeleistung.

Ausgangspunkt für diesen Beitrag ist die Beobachtung, dass viele der erprobten Maßnahmen und Strategien als eine veränderte Verantwortungsübernahme und -übertragung interpretiert werden können. Dazu gehören beispielsweise die partielle Einstellung hauptamtlicher Kräfte, die Erweiterung der Altersgrenzen für eine Mitgliedschaft, die Etablierung interkommunaler bzw. intraregionaler Kooperationen oder eine verstärkte Aufmerksamkeit für Prävention und Selbstschutz. Im Kontext des letztgenannten Themenkomplexes spielt die Brandschutzerziehung von Kindern und Jugendlichen bis etwa zum 16. Lebensalter eine wesentliche Rolle (Hochbruck/Hülsken 2019). Diese wird innerhalb des Daseinsvorsorgebereichs als unabdingbare Voraussetzung von Notfallkompetenz bzw. -vorsorge, von Selbstschutzfähigkeit oder (zunehmend) von Resilienz diskutiert (z. B. Krings 2016), ohne dass die damit verbundenen Forderungen und Modellprojekte bislang einen Widerhall in der Daseinsvorsorgedebatte finden würden. Dabei lassen sich an diesem Beispiel ganz grundlegende Fragen der Verantwortungszuschreibung und einer zumindest diskursiven – also von relevanten Akteuren geforderten – Neuverteilung von Verantwortung für Notfallhilfe in modernen Gesellschaften diskutieren.

Mit dem Ziel, die Debatten und Ansätze in der Praxis zu verstehen, konzentrieren wir den Beitrag auf Innovationen im Aufbau von Notfallkompetenzen durch Brandschutzerziehung. Im Mittelpunkt steht zum einen die Frage, inwiefern solche Innovationen die eingangs benannten Herausforderungen adressieren und zur Zukunftssicherung des auf Ehrenamt basierenden Modells Freiwillige Feuerwehr beitragen können. Zum anderen interessiert uns, ob und wie es zu institutionellem Wandel und zur Verstetigung innovativer Ansätze und Lösungen kommt. Diese Fragen werden anhand einer empirischen Untersuchung von zwei innovativen und modellhaften Projekten, die das Ziel verfolgen, die oft wenig strukturiert durchgeführte Brandschutzerziehung stärker zu systematisieren und deren Zielgruppen zu erweitern, beantwortet.

Das folgende Kapitel führt in den Bevölkerungsschutz und die Rolle der Brandschutzerziehung ein. Zudem werden die Merkmale des institutionellen Wandels in der koproduzierten Daseinsvorsorge aus theoretischer Sicht erläutert. Das dritte Kapitel beschreibt das methodische Vorgehen, die Analyse der zwei Fallbeispiele erfolgt im vierten Kapitel. Im fünften Kapitel werden die fünf wesentlichen Schritte, die für die Entwicklung und Verstetigung der Projekte relevant sind, diskutiert. Abschließend fasst das sechste Kapitel die Ergebnisse zusammen.


2  Verantwortung und Verantwortungszuschreibungen in der Daseinsvorsorge: konzeptionelle Überlegungen

In der Daseinsvorsorgedebatte ließ sich insbesondere seit den 2010er-Jahren, im Zuge des neoliberalen Umbaus zur „Verantwortungsgesellschaft“ (Heidbrink 2006: 23–24, 30–32) bzw. zum „Gewährleistungsstaat“ (Einig 2008), eine diskursive Verantwortungsverlagerung beobachten: Nicht mehr nur die öffentliche Hand, private Unternehmen und Wohlfahrtsverbände, sondern in zunehmendem Maße die Bürgerinnen und Bürger selbst sollten für bestimmte Daseinsvorsorgeleistungen Verantwortung übernehmen, indem sie zum Beispiel Bürgerbusse fahren oder Dorfläden wiederbeleben (Neu 2011). Diese Diskurse und faktischen Tendenzen betteten sich in das veränderte gesellschaftliche Selbstverständnis einer Mehrebenen-Governance und die über Jahrzehnte erfolgte Privatisierung vormals öffentlicher Daseinsvorsorgeleistungen ein – und sie bildeten insbesondere in dünn besiedelten Räumen eine Reaktion auf erfahrene Daseinsvorsorgeverluste (Steinführer 2015). Anknüpfend an Garland (1996: 452) lässt sich in diesem Zusammenhang von einer Responsibilisierung sprechen, das heißt von einer weitreichenden Verlagerung der Verantwortung staatlicher Akteure auf untere hierarchische Ebenen (vor allem die Gemeinden) sowie nichtstaatliche Organisationen und die Bevölkerung. Ausgehend vom Befund ähnlicher Entwicklungen in Staaten mit ganz unterschiedlichen Wohlfahrtsmodellen und Sozialstaatstraditionen hat sich mittlerweile eine umfangreiche und überwiegend kritische internationale Debatte um Fragen der community co-production entwickelt, die sowohl die Rolle des/der Einzelnen als auch der lokalen Ebene hinterfragt (z. B. Tõnurist/Surva 2017). Der Umbau der Daseinsvorsorge führte in zahlreichen gesellschaftlichen Bereichen zu einer veränderten, stärker moderierenden Rolle des Staates und einer Vervielfachung der beteiligten Akteure, Handlungsebenen und Entscheidungsgremien (Brad/Adam Hernández/Steinführer 2022) – wenngleich dem deutschen Begriff der Daseinsvorsorge (ebenso wie den auf EU-Ebene etablierten „services of general interest“) weiterhin ein enger Staatsbezug anhaftet. Zugleich ist dies nicht unberechtigt, denn in vielen Fällen bleibt der Staat arbeitsteilig an der Leistungserfüllung beteiligt – und selbst dann, wenn diese in den Händen von privaten oder freigemeinnützigen Organisationen liegen, setzt die öffentliche Hand die rechtlichen Rahmenbedingungen oder initiiert und finanziert Förderprogramme (Einig 2008).

Nochmals anders gelagert – und im Kontext des in diesem Beitrag näher betrachteten Daseinsvorsorgebereichs besonders relevant – ist die Frage persönlicher Eigenverantwortung. Gerade im Bevölkerungsschutz hat es Tradition, ein gewisses Maß an individueller Selbsthilfe von den potenziell Betroffenen zu fordern, weiß man doch aus der Risikoforschung, dass dauerhaft erfolgreiche Gefahrenabwehr (ob sie nun auf effektiven Notfallorganisationen oder schützenden Deichen beruht) zu sinkendem Risikobewusstsein und abnehmender Selbsthilfefähigkeit der Bevölkerung sowie zu höheren Schäden führt. In der Risikoforschung ist vom „Safe Development Paradox“ die Rede (vgl. für einen Überblick Breen/Kebede/König 2022). Parallel zur Auflösung der Selbstverständlichkeit einer überall und stets funktionierenden Institution Freiwillige Feuerwehr (Steinführer/Brad 2022) zeichnet sich seit einigen Jahren ein verstärkter Trend hin zu Forderungen nach einer Verbesserung der Selbstschutzfähigkeiten der Bevölkerung ab. Dies erfolgt manchmal unter Verweis auf eine vermeintlich bessere, zeitlich vage bleibende Vergangenheit – etwa wenn Meier und Barth (2007: 153) eine „Re-Aktivierung der Selbstschutzfähigkeit und Nachbarschaftshilfe“ anmahnen. Krings (2016: 5) bezeichnet Selbsthilfe und Selbstschutz unter Verweis auf das Zivilschutz- und Katastrophenhilfegesetz (ZSKG) als „Eigenbeitrag der Bevölkerung am Bevölkerungsschutz“ und diesen wiederum als Beitrag zu gesellschaftlicher Resilienz. Analog spricht Goersch (2010: 169) in Bezug auf die Gefahrenabwehr von „Partizipation der Bevölkerung und der Verantwortungsteilung bei der Daseinsvorsorge“ durch persönliche Notfallvorsorge.

Diese unterschiedlichen Perspektiven auf Verantwortung und Verantwortlichkeiten verweisen auf die Vielschichtigkeit der Institutionen, die der Daseinsvorsorge zugrunde liegen. Theoretisch betrachtet sind es nicht nur Gesetze und Verordnungen (formale Institutionen), die bestimmen, wie Daseinsvorsorgeangebote organisiert und geleistet werden, sondern auch Aspekte wie historisch gewachsene Überzeugungen und gesellschaftliche Normen (informelle Institutionen). Diese Unterscheidung ist für Prozesse des institutionellen Wandels relevant, da sich beispielsweise Strategien, auf fest verwurzelte Überzeugungen einzugehen, von angestrebten Gesetzesnovellen unterscheiden. Diese Überlagerung von formalen und informellen Elementen spiegelt sich auch in den Prozessen wider, die institutionelle Veränderungen vorantreiben. Auf einer Metaebene wird in der Literatur zwischen Veränderungen durch externe und interne Impulse sowie zwischen allmählichen und abrupten Veränderungen unterschieden (Kingston/Caballero 2009; Mahoney/Thelen 2010). In der koproduzierten Daseinsvorsorge, wo sich Verantwortlichkeiten auf eine Vielzahl von Akteuren verteilen, sind institutionelle Veränderungsprozesse oft langwierig, selbst wenn sie als bahnbrechend eingestuft werden (Bode 2013; Schmidt 2020).

Um solche kontextabhängigen Veränderungsprozesse gewachsener Institutionen zu untersuchen, konzentrieren wir uns in diesem Beitrag darauf, wie sich diese durch Akteure gestalten lassen. Ausgangspunkt unseres konzeptionellen Rahmens ist die Annahme, dass Akteure, die Veränderungsprozesse vorantreiben, neue Problemdefinitionen formulieren, vorherrschende Überzeugungen und Handlungsweisen infrage stellen, kleinschrittige (bzw. lokale) Ansätze entwerfen, umsetzen, über Zwischenergebnisse reflektieren und versuchen, Unterstützungsnetze für eine Verstetigung aufzubauen (vgl. Schön/Rein 1994). Der institutionelle Wandel wird somit durch kleinteilige informelle Anpassungen angestoßen und setzt sich durch, wenn die Neuerungen genügend Unterstützung finden. Die sich herausbildenden Veränderungen sind oft eher inkrementell als revolutionär, da sie meist in den bestehenden Möglichkeitsrahmen eingebettet sind. Die Verstetigung von Veränderungen in informellen Institutionen wird typischerweise mit der Aufwertung informeller Normen zu „anerkannten Bestimmungen“ (North 1990: 91) in Verbindung gebracht. Dies kann von breiter Akzeptanz bis hin zu einer Übernahme in die formalen Regeln reichen, ist in der Literatur allerdings nicht eindeutig geklärt (für eine theoretische Einbettung vgl. Kingston/Caballero 2009).


3  Freiwillige Feuerwehren als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge
3.1  Brandschutz und technische Hilfeleistung: Akteure und Herausforderungen

Das System der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr der Bundesrepublik Deutschland ist arbeitsteilig organisiert (Geier 2017). Die Gemeinden sind Aufgabenträger für den örtlichen Brandschutz und die Allgemeine Hilfe. Ihnen obliegt die Pflicht zur Aufstellung einer leistungsfähigen Feuerwehr, zur Vorhaltung und Erneuerung der Technik, die Aus- und Fortbildung der Feuerwehrangehörigen, die Löschwasserversorgung und die Erarbeitung der Bedarfs- und Entwicklungsplanung sowie von Alarm- und Einsatzplänen. Großschadenslagen (z. B. ein überörtliches Hochwasser oder ein Flächenbrand) liegen in der Verantwortung der Landkreise bzw. kreisfreien Städte. Diese beinhaltet die Bildung eines Katastrophenschutzstabs und dessen Ausbildung, die Ausarbeitung von Katastrophenschutzplänen, die Unterhaltung von Leitstellen für die Notfallkoordination sowie im Katastrophenfall selbst die umfassende Gefahrenabwehr (Geier 2017: 105, 108). Den Ländern fallen die Gesetzgebung (z. B. im unten diskutierten Beispiel Hessens das Hessische Brand- und Katastrophenschutzgesetz; HBKG) und die Fachaufsicht zu und sie betreiben mit den Landesfeuerwehrschulen auch Fortbildungseinrichtungen. Der Bund unterstützt die Länder im Katastrophenfall auf Anforderung durch eigene Ressourcen. Oberste Zivilschutzbehörde ist das Bundesministerium des Innern, ihm nachgeordnet sind das Technische Hilfswerk (THW) sowie das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), in dem auch das Gemeinsame Melde- und Lagezentrum von Bund und Ländern (GMLZ) angesiedelt ist.

Grundlegendes Merkmal bei der Erfüllung der den Feuerwehren obliegenden Aufgaben („Retten, Löschen, Bergen, Schützen“)1 – und weiterer Pflichten, wie die Brandschutzerziehung – ist in Deutschland das hohe Maß an Ehrenamtlichkeit. 95 % aller Feuerwehrleute sind Freiwillige (eigene Berechnungen nach DFV 2021: 319). Großstädte ab 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern2 sind zur Unterhaltung einer Berufsfeuerwehr verpflichtet. Diese wird durch Freiwillige Feuerwehren unterstützt. In Mittelstädten gibt es mancherorts hauptberufliche Wachbereitschaften. Im überwiegenden Teil ländlicher Räume erfolgt der operative Vollzug durch Freiwillige Feuerwehren auf Gemeinde- bzw. Ortsteilbasis. Für das Beispiel Hessen heißt das, dass mit Ausnahme von sechs Berufsfeuerwehren die knapp 2.500 Stadtteil- bzw. Ortsfeuerwehren fast ausschließlich auf ehrenamtlicher Mitwirkung basieren (HMdIS 2022).

Insbesondere in Regionen mit langfristigem Bevölkerungsrückgang ist das Problem einer unzureichenden Tageseinsatzbereitschaft seit vielen Jahren virulent (Albrecht/Gutsche 2010). Dies hat mit gesunkenen Mitgliederzahlen in den Wehren, aber auch mit veränderten Arbeitsrealitäten und der von vielen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern praktizierten Normalität des Pendelns zu tun. Anhand einer Befragung ermittelte Wolter (2011: 158–165) für Deutschland Verfügbarkeitsdefizite bei 86 % der von ihm befragten Freiwilligen Feuerwehren, bei einer Spannweite in den Flächenländern von 74 % in Baden-Württemberg und 96 % in Brandenburg. Gegenmaßnahmen hatten zum damaligen Zeitpunkt 33 % der Wehren ergriffen. Aktuellere bundesweite Zahlen liegen nicht vor.

Doch nicht nur die Tageseinsatzbereitschaft, auch die Zahl und Art der Einsätze veränderten sich. Seit Jahrzehnten nehmen die Einsätze bei gleichzeitig gesunkenen Mitgliederzahlen zu, und außer in Jahren mit extremer Trockenheit verschieben sich die Aufgaben von der Brandbekämpfung hin zu technischen Hilfeleistungen (Steinführer/Brad 2022). In unserem Beispiel Hessen verringerte sich die Zahl der freiwilligen Feuerwehrkräfte von 2012 bis 2020 vom 72.200 auf knapp 68.700, während die Einsatzzahl im gleichen Zeitraum von rund 70.000 auf gut 85.000 pro Jahr anstieg. 2020 war aufgrund der Corona-Pandemie ein Rückgang der Einsatzzahlen von 13 % im Vergleich zu 2019 zu verzeichnen (HMdIS 2022: 11).3

Da in diesem Beitrag ein österreichisches Fallbeispiel von Bedeutung ist, sei kurz auf die Institution der Freiwilligen Feuerwehr dort eingegangen. Grundsätzlich gibt es in Österreich ein ähnliches Gewährleistungssystem wie in Deutschland – mit gerade einmal sechs Berufsfeuerwehren in den größten Städten und einem ausschließlichen Freiwilligensystem im Rest der Republik (Wolter 2011: 56). Im Unterschied zu Deutschland verfügt Österreich über keine dem Technischen Hilfswerk ähnliche Bundeseinrichtung und die Feuerwehr beteiligt sich nicht am Rettungsdienst. Auch in Österreich gilt die Frage der Tageseinsatzbereitschaft seit Längerem als Problem: Die oben bereits erwähnte Befragung von Wolter (2011: 151–157) ergab für 66 % der befragten Wehren werktägliche Verfügbarkeitsdefizite. Gegenmaßnahmen hatten zum damaligen Zeitpunkt 39 % der Wehren getroffen.

3.2  Brandschutzerziehung: Bildung zur Stärkung der Selbsthilfefähigkeit

Brandschutzerziehung wird definiert als Form „brandschutzpädagogischer Vermittlungsarbeit“ (Hochbruck/Hülsken 2019: o. S.) für Kinder und Jugendliche bis zur Sekundarstufe 1, die am Ende der 9. bzw. 10. Klasse mit dem Hauptschulabschluss bzw. der Mittleren Reife endet. Abgegrenzt wird sie von der Brandschutzaufklärung für Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe 2 (Oberstufe) und für Erwachsene. Beide definiert der Gemeinsame Ausschuss Brandschutzerziehung und Brandschutzaufklärung des Deutschen Feuerwehrverbands (DFV) und der Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes (vfdb) als „integrale Bestandteile einer als System angelegten Notfallkompetenz“ (Hochbruck/Hülsken 2019: o. S.).

Zentrale Akteure in diesem System sind formal die Gemeinden, die – so beispielsweise die hessische Formulierung – „für den Selbstschutz der Bevölkerung sowie für die Brandschutzerziehung und Brandschutzaufklärung zu sorgen [haben]“ (§ 3 Abs. 1 HBKG4). Die Landkreise, die Länder und der Bund wiederum sollen die brandschutzpädagogische Arbeit fördern und unterstützen (Geier 2017: 109). Wird Brandschutzerziehung in den Großstädten mit einer Berufsfeuerwehr analog zur Verkehrserziehung oft von Hauptamtlichen durchgeführt, so liegt diese Aufgabe in ländlichen Räumen auf den Schultern von Ehrenamtlichen – und hängt somit von deren Ressourcen und Engagement ab. Den Gemeinden als formal Verantwortlichen attestieren Albrecht und Gutsche (2010: 51) unzureichende Sensibilität, Motivation, Kenntnisse und Personalressourcen für das Thema. Hochbruck (2018: 113) spricht vom „meist vernachlässigte[n] Teil der Feuerwehrarbeit“, der „in der Regel nicht in die bestehenden Strukturen integriert und meistens nicht einmal in sich als System aufgebaut“ sei. Der Brandschutzerziehung vor Ort liegt häufig kein elaboriertes pädagogisches Konzept zugrunde. Dabei gibt es mittlerweile eine Fülle teils bundesweiter, teils länderspezifischer Materialien. Diese reichen von Mal‑, Bastel- und Vorleseheften über Videos und Apps bis hin zu Ordnern mit Arbeitsblättern und Kopiervorlagen (Gemeinsamer Ausschuss Brandschutzaufklärung der vfdb und des DFV 2022). Diese weisen eine eindeutige Orientierung auf jüngere Altersgruppen (Kindergarten und Grundschule) unter Vernachlässigung höherer Schulstufen auf. So finden sich unter den 260 Materialien für die Brandschutzerziehung 84 (32 %) für Kindergärten und 135 (52 %) für Grundschulen, 31 (12 %) richten sich an die Sekundarstufe 1 und zwei (1 %) an die Sekundarstufe 2 (eigene Auswertung nach Gemeinsamer Ausschuss Brandschutzaufklärung der vfdb und des DFV 2022).

Brandschutzerziehung dürfte die am wenigsten bekannte Kernaufgabe der Feuerwehr sein. Ihr übergreifendes Ziel richtet sich auf eine verbesserte Gefahrenabwehr. Konkret geht es um die Vermittlung und den Erwerb von Fähigkeiten zur Prävention und zur adäquaten Reaktion in Gefahrensituationen sowie um Wissen über und Verständnis für die Arbeit der Feuerwehr. Indirekt sollen so die Zahl der Einsätze, der Brandtoten und der Brandverursachungen durch Kinder gesenkt werden. Auch als Multiplikatoren für ihre Eltern werden die Kinder adressiert (Hochbruck 2018: 122). Manchmal wird auch die Motivation für eine eigene Mitwirkung in Kinder- und Jugendwehren explizit als Ziel bzw. als „nicht zu unterschätzender Nebenaspekt“ (HMdIS 2020: 5) genannt. Über den eigentlichen Brandschutz hinaus gibt es im Kontext der oben erwähnten – auch durch die Erfahrungen jüngerer Extremereignisse (insbesondere die Hochwasserkatastrophe 2021) – verstärkten Debatte um eine verbesserte Selbsthilfefähigkeit der Bevölkerung Bestrebungen, die Brandschutzerziehung um Komponenten einer umfassenden Gefahrenabwehr zu erweitern (DFV 2022).


4  Methodik
4.1  Systematische Projektauswahl

Auf der Grundlage einer umfassenden Online-Recherche in einschlägigen Förderdatenbanken und Fachnetzwerken sowie von grauer und Fachliteratur wurden 35 Projekte in Österreich und acht in Deutschland identifiziert, die modellhaft zentrale Herausforderungen der Zukunftssicherung Freiwilliger Feuerwehren adressieren. Als Projekt galten „im Ursprung zeitlich und sachlich begrenzte, regionale oder lokale Vorhaben zur Erprobung neuartiger Ideen, Entwicklungen und Verfahren für die Sicherung von Leistungen und Infrastrukturen der Daseinsvorsorge“ (Voß/Adam Hernández/Bannert et al. 2023: 5). Mittels Nutzwertanalyse und Validierungsgesprächen mit Expertinnen und Experten wurden für eine vertiefte Untersuchung die nachfolgend dargestellten zwei Modellprojekte ausgewählt. Kriterien der Nutzwertanalyse waren die Relevanz des jeweiligen Projekts zur Überwindung zentraler Herausforderungen der Daseinsvorsorge, sein Innovationscharakter, sein Verstetigungsgrad und seine räumliche Verbreitung. In diesem Prozess kristallisierte sich auf induktive Weise die Brandschutzerziehung als wichtiger Themenkomplex für die Transformation und Zukunftssicherung Freiwilliger Feuerwehren heraus. Das untersuchte oberösterreichische Projekt befand sich bereits in einer fortgeschrittenen Umsetzung. Für das Projekt in Hessen wurde bei der Auswahl insbesondere auf eine inhaltliche Anschlussfähigkeit zu seinem österreichischen Pendant geachtet. Dabei besteht eine Besonderheit darin, dass bestimmte Bausteine des Modellprojektes in Oberösterreich durch die Bemühungen einzelner Projektbeteiligter nach Hessen übertragen wurden.

4.2  Datenerhebung, -auswertung und -interpretation

Die vertiefte empirische Untersuchung wurde mittels Kontext- und Dokumentenanalyse sowie leitfadengestützter Experteninterviews (Helfferich 2011: 43) durchgeführt. Der Interviewleitfaden mit seiner standardisierten Struktur und Abfolge kam in beiden Ländern und in allen projektbezogenen Interviews zur Gewährleistung möglichst vergleichbarer Ergebnisse zum Einsatz. Aufgrund der Corona-Pandemie wurden nur fünf Interviews vor Ort durchgeführt, sechs von elf Interviews fanden digital statt. Die Interviews werden im folgenden Abschnitt mit einschlägigen regionalen Kürzeln und nummeriert zitiert (z. B. AT-OÖ-05 bzw. DE-HE-01).

Das empirische Material wurde anhand einer strukturierten qualitativen Inhaltsanalyse (Mayring 2015) aufbereitet und mit den auf der Basis der Theorieentwicklung entworfenen Oberkategorien kodiert. Projektbezogene Oberkategorien waren die Genese und zeitliche Entwicklung der Projekte, ihre inhaltlichen Strategien und Ziele, finanzielle Aspekte, organisationsstrukturelle Merkmale, Akteure und Zielgruppen sowie die Wechselwirkungen mit Politik und Verwaltung. Aus der mehrstufigen Kodierung, Analyse und Strukturierung der kodierten Stellen wurde das Codesystem als erster Schritt zur Erstellung einer Heuristik der Verstetigung innovativer Daseinsvorsorgeprojekte weiterentwickelt.

Ein zweiter Schritt in der Analyse folgte den Prinzipien der axialen Kodierung (Strauss/Corbin 1990) und zielte darauf, eine konsistente Struktur für die Erstellung von Erklärungskategorien festzulegen. In diesem Schritt wurden Verbindungen zwischen den Kategorien identifiziert, indem fünf Aspekte in den Mittelpunkt gestellt wurden: das zu erklärende Phänomen, seine Ursachen, die Strategien zum Umgang mit dem Phänomen, die Folgen der Strategien und die Eingriffsbedingungen. Aus diesem Prozess resultieren fünf wichtige Bausteine im Verstetigungsprozess der analysierten Modellprojekte, die auch das Gerüst der nachfolgenden Analyse bilden: Der Baustein „Initialzündung“ fokussiert auf den Ausgangspunkt und das Veränderungsmotiv und klärt über Schlüsselakteure, deren Motivation und Zielsetzung auf. Beim Baustein „Erprobung“ wird die schrittweise Entwicklung und das Experimentelle der Projektansätze und Lösungen erläutert sowie auf Problemlösestrategien fokussiert. Anschließend wird die Art und der erreichte Grad der „Verankerung“ von Brandschutzerziehung im Bildungssystem anhand der Modellprojekte beschrieben. Mit dem Baustein „Verstetigung“ wird die langfristige Etablierung der innovativen Ansätze und der Übergang in einen möglichen Regelbetrieb zur Diskussion gestellt. Schließlich betrifft der Baustein „Finanzierung“ als Querschnittsbereich die wirtschaftliche Tragfähigkeit und die Finanzierungsquellen der erprobten Modellprojekte.


5  Empirische Ergebnisse
5.1  Das oberösterreichische Projekt „Gemeinsam.Sicher.Feuerwehr“

Die Bildungsinitiative „Gemeinsam.Sicher.Feuerwehr“ wurde 2013 vom Oberösterreichischen Landes-Feuerwehrverband (OÖLFV) initiiert, seitdem auf fünf weitere Bundesländer Österreichs ausgeweitet und teilweise vom deutschen Bundesland Hessen übernommen. Ziel war es, die bestehenden Brandschutzerziehungsmaterialien zu aktualisieren und neu zu strukturieren, Kinder und Jugendliche für das Thema Feuerwehr zu sensibilisieren und die Feuerwehren durch die Integration der Brandschutzerziehung in das Bildungssystem zu entlasten. Die neuen Brandschutzerziehungsmaterialien wurden nach den Vorgaben des bundesweiten Bildungsrahmenplanes und der Lehrpläne mit dem Ziel konzipiert, auf allen Ebenen des Bildungssystems eingesetzt zu werden.

„Gemeinsam.Sicher.Feuerwehr“ ist in fünf Module gegliedert. Modul 1 ist für die Kindergärten konzipiert, Modul 2 für die Volksschulen und Modul 3 für die Sekundarstufe 1. Gegenstand dieser Module sind Mappen mit Unterrichtsmaterialien, in denen Themen der Feuerwehr und des Brand- und Katastrophenschutzes didaktisch und für die jeweilige Bildungsstufe angemessen aufbereitet werden. Ergänzt werden diese durch Handreichungen für Pädagoginnen und Pädagogen sowie die Feuerwehrleute zum Umgang mit den Unterlagen. In Modul 4, mit Fokus auf die Sekundarstufe 2, ändert sich das Konzept dahingehend, dass keine fertigen Unterrichtsmaterialien bereitgestellt werden, sondern Themenvorschläge für Referate, Projekte und Abschlussarbeiten sowie ein Supportpool, bestehend aus einer Expertenliste, auf die die Schülerinnen und Schüler zurückgreifen können. Zielgruppe von Modul 5, das geplant, jedoch noch nicht umgesetzt ist, bildet die erwachsene Bevölkerung.

Die Steuerungsgruppe des Projekts (vgl. Abbildung 1) hat sich aus Funktionären des Verbandes gebildet. Die didaktische Aufbereitung und Aktualisierung der Inhalte, die seitens der Feuerwehr festgelegt wurden, übernimmt ein privates Forschungs- und Beratungsinstitut aus Linz. Die praktische Umsetzung erfolgt durch die Bezirks- und Ortsfeuerwehren einerseits und die Bildungseinrichtungen und ihre Pädagoginnen und Pädagogen andererseits.
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Abbildung 1  Steuerungsgruppe des Projektes „Gemeinsam.Sicher.Feuerwehr“
Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Oberösterreichischer Landes-Feuerwehrverband (2023)

5.1.1  Initialzündung

Im Vorfeld der Projektentstehung existierten unterschiedliche lokale Initiativen zur Brandschutzerziehung, die von verschiedenen Feuerwehrkommandanten in informellen Kooperationen organisiert wurden und das Ziel verfolgten, Jugendliche für die Feuerwehr zu begeistern. In einem jahrzehntelangen Prozess wurde darüber hinaus die Funktion eines Jugendbeauftragten in jeder Bezirksfeuerwehr und eine enge Vernetzung zwischen den beteiligten Feuerwehrleuten etabliert. Allerdings waren Aktionen im Bereich Brandschutzerziehung „eher unstrukturiert und wirklich auch nicht planbar“ (AT-OÖ-02). In den späten 2000er-Jahren wurde im Netzwerk intensiv über Strategien diskutiert, anhand derer die Feuerwehren die Schulen proaktiv ansprechen könnten. Somit intensivierten sich die Kontakte zwischen Feuerwehr und Bildungssystem auf lokaler Ebene, was zu einer kritischen Masse an Feuerwehrleuten mit pädagogischen Kompetenzen beitrug.

Die Führung des Oberösterreichischen Landes-Feuerwehrverbands konnte sich an dieses Netzwerk wenden, als sie 2010 beabsichtigte, einen neuen, vom Bundesinnenministerium zur Verfügung gestellten Brandschutzratgeber an Oberösterreich anzupassen. Eine Besonderheit bildete die spontane Einbeziehung eines Beratungsunternehmens, dessen Leiter über vertiefte pädagogische Fachkenntnisse verfügt. In einem der ersten Treffen wurde festgestellt, dass das Thema Brandschutzerziehung von großer gesellschaftlicher Relevanz sei: „Dieses System Feuerwehr hat doch eine ganz andere Bedeutung noch einmal, das könnte ja doch unendlicher Träger für […] politische Bildung, gesellschaftliche Bildung, soziale Bildung sein“ (AT-OÖ-04). Mit diesem Leitbild setzte sich die aus Pädagoginnen und Pädagogen und fünf Feuerwehrkommandanten bestehende Arbeitsgruppe zum Ziel, Brandschutzerziehungsmaterialien gemeinsam zu entwickeln.

Die Wahl eines neuen Kommandos für den Oberösterreichischen Landes-Feuerwehrverband 2011 war zentral für die Etablierung der Initiative auf der Führungsebene. Die Mitglieder der neuen Führung waren aufgrund ihrer Vorerfahrungen im o.g. informellen Netzwerk mit dem Thema Brandschutzerziehung vertraut. Darüber hinaus befand sich der Verband zu dieser Zeit inmitten eines strategischen Neuausrichtungsprozesses, der vom Landesrechnungshof empfohlen worden war (Oberösterreichischer Landesrechnungshof 2012). Dies ermutigte die Leitung des Verbandes, eine stärkere Rolle in der Koordinierung eigener Projekte und Strategien zu übernehmen.

5.1.2  Erprobung

Bei der Entwicklung des Lehrmaterials hatten die Pädagoginnen und Pädagogen die Aufgabe, die in Oberösterreich und international vorhandenen Materialien zu strukturieren und zu evaluieren (AT-OÖ-03). Die neuen Unterlagen wurden lernplankonform entwickelt und sind damit in allen österreichischen Bundesländern einsetzbar. Ein Ergebnis war auch, dass Aspekte Beachtung fanden, die über traditionelle Themen der Brandschutzerziehung hinausgehen, wie beispielsweise Katastrophenschutz oder die gesellschaftliche Bedeutung der Feuerwehr.

Das Projekt hat den Abschnitts- und Bezirksfeuerwehrverbänden neue Rollen zugewiesen. Die Orts‑, Bezirks- und Abschnittsfeuerwehrkommandanten, die an der Koordinierung des Projekts beteiligt waren, übernahmen eine beratende Funktion, indem sie ihre praktischen Erfahrungen bei der Vermittlung der Themen an die Schülerinnen und Schüler einbrachten. Darüber hinaus konnten sie ihre Netzwerke für Konsultationen bei der Entwicklung der Materialien aktivieren. In allen 15 oberösterreichischen Bezirken wurden Workshops durchgeführt, bei denen die gesamte Projektkoordination vor Ort anwesend war (AT-OÖ-05). Auch die Unterstützung der Bezirksfeuerwehrkommandanten war bei der Umsetzung gefragt. In jedem Bezirksfeuerwehrverband wurde eine Person als Ansprechpartner für „Gemeinsam.Sicher.Feuerwehr“ benannt, die für die Verteilung der Materialien und die proaktive Ansprache der Schulen zuständig ist. Die praktische Umsetzung glich allerdings eher einem Flickenteppich, weil es „Führungskräfte in den eigenen Reihen gibt, die nicht immer mit solchen Entwicklungen gleich sehr positiv umgehen“ (AT-OÖ-01). Als Grund dafür wurde beispielsweise der hohe Komplexitäts- und Strukturierungsgrad der Materialien im Vergleich zu den zuvor verwendeten angegeben (AT-OÖ-03).

5.1.3  Verankerung

Ein wichtiger Schritt bei der Entwicklung der Materialien war, die zuständigen Bildungsbehörden mit einzubinden. In Oberösterreich verfügte das Projektteam über die nötige politische Unterstützung, sodass die Materialien eingehend von der oberösterreichischen Bildungsdirektion geprüft wurden. Vorgeschlagene Änderungen wurden vom Projektteam umgesetzt (AT-OÖ-01; AT-OÖ-05). Mit derselben Absicht ist das Projektteam auch proaktiv auf das Bundesbildungsministerium zugegangen, wo es auf positives Feedback bezüglich der Anschlussfähigkeit der Materialien stieß.

Allerdings hat bislang eine Umsetzung und Verbreitung durch das Bildungssystem nicht stattgefunden, vor allem weil Schulen von den Zentral- und Mittelorganisationen des Bildungssystems nicht vorgeschrieben werden kann, das Angebot anzunehmen (AT-OÖ-01). Ein Hindernis stellt einem beteiligten Akteur zufolge auch der Widerstand gegen Veränderungen etablierter Arbeitsweisen im Bildungssystem dar, „weil man dadurch das Derzeitige wunderbar noch rechtfertigen kann oder weil man einfachere Strukturen rechtfertigen kann“ (AT-OÖ-05).

Angesichts der Situation trugen Feuerwehrleute die Verantwortung für die Verbreitung des Projektes an der Basis: „[Über die Feuerwehr] haben manche Lehrer erst erfahren, dass das gut ist, weil sie es von ihren Schulen nicht erfahren haben“ (AT-OÖ-05). Neben den persönlichen Kontakten der Feuerwehrleute zu den Lehrerinnen und Lehrern wurde versucht, die Schuldirektorinnen und -direktoren anzusprechen. Die Feuerwehrleute erlebten eine sehr unterschiedliche Akzeptanz, von umfassender Begeisterung bis hin zu „du bekommst eine halbe Stunde, stelle das allen meinen Lehrerinnen vor, denn sie müssen entscheiden, ob sie es wollen“ und „das interessiert uns alles nicht und verschwindet mit dem“ (AT-OÖ-05).

5.1.4  Verstetigung

„Gemeinsam.Sicher.Feuerwehr“ ist ein Querschnittsprojekt, das über die traditionelle Verteilung von Verantwortlichkeiten in der Feuerwehr hinausgeht, denn es ist nicht üblich, dass das Thema auf der Ebene des Landesfeuerwehrverbandes angegangen wird, die Brandschutzerziehung gleichzeitig Pädagoginnen und Pädagogen einbezieht und auch gesellschaftliche Aspekte der Feuerwehr im Unterricht thematisiert werden.

Auch für die Feuerwehr ist die Integration eines solchen Projektes in das eigene System nicht selbstverständlich. In die Struktur des Oberösterreichischen Landes-Feuerwehrverbands lässt sich das Projekt immer noch schwer einordnen, es wird auch zehn Jahre nach Beginn vom oberösterreichischen Landesfeuerwehrkommando koordiniert und verfügt über keinerlei personelle Ressourcen (AT-OÖ-01). Ähnlich ist die Situation beim Österreichischen Bundesfeuerwehrverband (ÖBFV), wo das Thema Brandschutzerziehung in keinem eigenständigen Referat oder Sachgebiet angesiedelt wird. Tradierte Organisationsstrukturen in der Feuerwehr erschweren, dass das Thema Brandschutzerziehung systematisch angegangen wird. Somit verliert der Ansatz des Projektes „Gemeinsam.Sicher.Feuerwehr“ seine Überzeugungskraft nicht nur an der Basis (AT-OÖ-02), sondern auch für die Spitzen anderer Landesfeuerwehrverbände, für die der mögliche Mehrwert des Projektes nicht greifbar wird.

Mit dem Ziel, „Gemeinsam.Sicher.Feuerwehr“ in ganz Österreich strukturiert umzusetzen (und gegebenenfalls die Finanzierungsquellen durch die Beteiligung weiterer Bundesländer zu diversifizieren), haben der Österreichische Bundesfeuerwehrverband und Pädagoginnen und Pädagogen des Projektteams beim Bundesbildungsministerium beantragt, die im Projekt entwickelten Materialien in die Liste anerkannter Unterrichtsmaterialien aufzunehmen. Dennoch ist es trotz langjähriger Diskussionen und einigen Interviewpartnern zufolge aufgrund der mehrfachen Wechsel der politischen Führung des Bundesbildungsministeriums noch nicht gelungen, das Verfahren abzuschließen (AT-OÖ-05). Die Situation wird durch die Tatsache erschwert, dass die Feuerwehr im Zuständigkeitsbereich keines Bundesministeriums angesiedelt, sondern Ländersache ist.

5.1.5  Finanzierung

Die Kosten für die Entwicklung der Materialien wurden vom Oberösterreichischen Landes-Feuerwehrverband getragen „aus eigener Überzeugung, dass das wichtig und bedeutsam und notwendig ist“ (AT-OÖ-04). Das Budget bildeten hauptsächlich Spenden von Versicherungsunternehmen und Beiträge seitens des Österreichischen Bundesfeuerwehrverbands. Dass die Landesfeuerwehrleitung (ein Gremium, in dem auch Politikerinnen und Politiker der Landesregierung vertreten sind) dem Projekt einstimmig zugestimmt hat, war hilfreich, um Widerständen seitens der Politik entgegenzuwirken.

Auch wenn die Gewinnung von finanzieller Unterstützung für die Entwicklung des Projektes reibungslos verlief, ist die laufende Finanzierung der Umsetzung, Aktualisierung und Erweiterung der Materialien herausfordernd (AT-OÖ-01). Problematisch ist der Mangel an öffentlichen Mitteln, aber auch die Zurückhaltung anderer Bundesländer, die die Materialien verwenden, sich an den Entwicklungskosten zu beteiligen. Die Überlagerung des öffentlichen Mehrwerts des Projekts mit Interessen der Versicherungswirtschaft, für die vor allem die Schadensminimierung im Vordergrund steht, wird von Feuerwehrleuten als problematisch und nicht als langfristige Lösung angesehen (AT-OÖ-02).

5.2  Das hessische Modellprojekt „Mehr Feuerwehr in die Schule“

Der bisherige Hauptfokus der Brandschutzerziehung in Hessen liegt auf Kindergärten und Schulen. Diese werden in der Regel durch eine/n von etwa 1.000 von der Landesfeuerwehrschule ausgebildeten ehrenamtlichen Brandschutzerzieherinnen und -erziehern aufgesucht (HMdIS 2020: 7). Adressiert werden Kinder im letzten Kindergartenjahr, in der dritten Klasse sowie in der Mittelstufe. Im Brandschutzerziehungskonzept des Landes wird allerdings vermutet, dass eine operative Durchführung mit dieser Aufgaben- und Zielgruppenbreite zur Überforderung der Brandschutzerzieherinnen und -erzieher führen kann. Aus diesem Grund sowie aufgrund der nötigen geistigen Reife empfiehlt das Konzept eine Fokussierung auf die dritten Klassen (HMdIS 2020: 9).

Vor diesem Hintergrund förderte das Land Hessen von 2016 bis 2018 das Modellprojekt „Mehr Feuerwehr in die Schule“, das die Brandschutzerziehung bei Kindern und Jugendlichen sowie die Nachwuchsgewinnung für die Freiwilligen Feuerwehren stärken sollte. Inspiriert durch „Gemeinsam.Sicher.Feuerwehr“ aus Oberösterreich war es Ziel, mittelfristige Kooperationen von Feuerwehren und Schulen über eine einzelne Brandschutzerziehungseinheit hinaus mit Materialien, Leitfäden und Beratung zu erleichtern und zu verstetigen. So sollten einerseits Kinder und Jugendliche für den sorgsamen Umgang mit Feuer und das Verhalten im Brandfall sensibilisiert werden. Andererseits sollte die erhöhte Präsenz der Feuerwehren in den Schulen die Chance bieten, Nachwuchskräfte für die Kinder- und Jugendfeuerwehren zu gewinnen.

Das Projekt startete 2016 im Hochtaunuskreis und wurde später um die Pilotregionen Main-Taunus sowie die Städte Frankfurt am Main und Hanau erweitert. Träger des Modellprojekts waren das Hessische Kultusministerium (HKM), der Landesfeuerwehrverband Hessen (LFV) und das Hessische Ministerium des Innern und für Sport (HMdIS). Gemeinsam mit Vertretungen der Pilotregionen bildeten diese Akteure die Projektsteuerungsgruppe (vgl. Abbildung 2). Schließlich war eine an das Ministerium abgeordnete pädagogische Fachkraft mit langjährigem Feuerwehrhintergrund in der Rolle des Projektkoordinators während der Entwicklungsphase von großer Bedeutung.
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Abbildung 2  Steuerungsgruppe des Projektes „Mehr Feuerwehr in die Schule“
Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Grau (2017)

Das Vorhaben adressierte Schulen in den Pilotregionen, die Projekte in Kooperation mit sieben Ortsfeuerwehren auflegen konnten. Somit waren sowohl Schülerinnen und Schüler als auch Mitglieder der Feuerwehren Zielgruppen des Modellprojekts. Konkret wurden verschiedene Kooperationsformen (Projekttage und -wochen, Wahlpflichtfächer oder Arbeitsgemeinschaften) konzipiert und im Schuljahr 2017/18 ausprobiert. Dabei sollten naturwissenschaftliche Bildungsinhalte aus dem Fachunterricht in die alltägliche Arbeit der Feuerwehr transferiert und der Praxisbezug und die Attraktivität der Lehrinhalte erhöht werden. Im Ergebnis der Pilotphase entstand ein Leitfaden zur Durchführung von Schulprojekten (HMdIS 2018).

5.2.1  Initialzündung

Eine „bessere Vernetzung der Freiwilligen Feuerwehren und der Schulen“ ist explizites Ziel der 2015 vom Hessischen Kultusministerium und vom Landesfeuerwehrverband Hessen unterschriebenen Kooperationsvereinbarung.5 Diese politische Absichtserklärung bildet den Grundstein des Modellprojekts und ist Ergebnis anhaltender Überzeugungsarbeit aus informellen Kreisen des Landesfeuerwehrverbands mit dem Ziel, die Brandschutzerziehung und -aufklärung aufzuwerten. Zudem ist es im breiteren gesellschaftspolitischen Ziel der Landesregierung eingebettet, das Ehrenamt zu stärken. Schülerinnen und Schüler sollen „neben der Stärkung der Bereitschaft, soziale Verantwortung zu übernehmen, auch in ihren sozialen und personalen Kompetenzen gefördert werden“.

Ebenfalls 2015 wurde die oberösterreichische Bildungsinitiative „Gemeinsam.Sicher.Feuerwehr“ auf dem bundesweiten „Forum Brandschutzerziehung und -aufklärung“ vorgestellt. Dies diente als entscheidender Impuls und Referenz für die Akteure rund um das, was 2016 zum hessischen Modellprojekt „Mehr Feuerwehr in die Schule“ werden sollte. Dessen Ausgangspunkte waren die landesweite Uneinheitlichkeit sowie fehlende Stringenz und Systematisierung von Brandschutzerziehungsangeboten: „Hierfür haben wir so viele [involvierte] Chefs. Vom Minister, über die Landräte und Bürgermeister bis zu den Freiwilligen Feuerwehren selbst. Dies führt dazu, dass es natürlich oft schwierig wird. Weil ja jeder eine Vorstellung hat, wie [Brandschutzerziehung] am besten abgebildet sein kann“ (DE-HE-01). Weitere bedeutsame Treiber für die Entwicklung von „Mehr Feuerwehr in die Schule“ waren einerseits das Potenzial für eine verbesserte Mitgliederakquise im Kinder- und Jugendbereich der Freiwilligen Feuerwehren sowie andererseits die Vorteile einer verbesserten Selbstschutzfähigkeit der Bürgerinnen und Bürger, die sich, so die Annahme, durch Brandschutzerziehung und -aufklärung erreichen lassen.

5.2.2  Erprobung

Unter der Leitung des Hessischen Innenministeriums und in enger Zusammenarbeit mit den Unterzeichnern der o.g. Kooperationsvereinbarung (Hessisches Kultusministerium und Landesfeuerwehrverband Hessen) begann „Mehr Feuerwehr in die Schule“ 2016 im Hochtaunuskreis. Eine Schlüsselperson, Pädagoge und zugleich langjähriger Feuerwehrmann, übernahm die operative Projektleitung und -koordination am Ministerium. Die bis heute existente Projektsteuerungsgruppe aus Vertreterinnen und Vertretern der beiden Ministerien und des Landesfeuerwehrverbands sowie der Modellregionen erwies sich als entscheidende Arbeitsstruktur zur Begleitung, Weiterentwicklung und Verstetigung der modellhaft erprobten Ansätze.

Eine interviewte Person verdeutlicht die gemeinsame Absicht und Herangehensweise folgendermaßen: „Wir haben geschaut: Was gibt es schon, […] welche sind schon Vorreiter, wo lassen sich neue Projekte umsetzen […] und was könnte man für die Feuerwehren übernehmen?“ (DE-HE-01). Dass Freiwillige Feuerwehren eine stärkere Begleitung sowie unterstützende Materialien zur Verbesserung der Brandschutzerziehung benötigen, war fachlicher Konsens. Hierzu wurde dank eines regen Austauschs mit der oberösterreichischen Initiative „Gemeinsam.Sicher.Feuerwehr“ von den dortigen Vorerfahrungen und erstellten Materialien profitiert. Erst wurden eigene hessische Materialsammlungen systematisiert und für den Klassenraumeinsatz kritisch geprüft, dann den bereits lernplankonformen Inhalten aus Oberösterreich gegenübergestellt und teilweise durch den Erwerb von kommerziellen Nutzungsrechten ergänzt. Außerdem probierten die Akteure verschiedene Kooperationsformen zwischen Schulen und Partnerfeuerwehren aus und werteten diese aus. Dafür fanden zwei Fachtagungen statt und eine Internetplattform6 wurde mit Informationen, Tipps und kostenfrei zugänglichen Arbeitsmaterialien ins Leben gerufen.

5.2.3  Verankerung

Eine zentrale Referenz der beteiligten Akteure war die Angleichung der Brandschutzerziehung an die seit den 1990er-Jahren bundesweit verhältnismäßig einheitlich geregelte Verkehrserziehung (Limbourg 2003: 2). Hauptunterschiede sind deren Verankerung in den Lehrplänen und die hauptamtliche Durchführung durch die Bundespolizei. Im Vergleich dazu haben Feuerwehren einen eingeschränkten und stark von örtlichen Ressourcen und Beziehungen abhängigen Zugang zu Schülerinnen und Schülern; insbesondere in ländlichen Räumen wird Brandschutzerziehung durch die Verfügbarkeit von Ehrenamtlichen zusätzlich erschwert.

Zwar obliegt nach Hessischem Brand- und Katastrophenschutzgesetz die operative Verantwortung für die Brandschutzerziehung und -aufklärung den Gemeinden, doch ist dies nicht mit der Vorgabe einer konkreten Leistungsbeschreibung verbunden. Dies vermerkte auch eine Interviewperson: „Es ist eine Aufgabe, aufzuklären, Brandschutzerziehung zu machen. Aber da reicht auch ein Flyer! […] Es ist ja nirgendwo niedergeschrieben, dass man physisch irgendwohin geht und da ein Feuerwerk anzünden muss“ (DE-HE-03).

Sich dieser Herausforderung bewusst, empfiehlt der o.g. Leitfaden „Mehr Feuerwehr in die Schule“ eine schrittweise Annäherung von Feuerwehr- und Schulangehörigen. Verlässlichkeit und Planbarkeit von Angeboten sind auf beiden Seiten ein hohes Gut, da Lehrpläne eng getaktet und ehrenamtliche Kapazitäten begrenzt sind. Neben allgemeinen Tipps zur Gestaltung von Lernangeboten und zum Umgang mit Schülerinnen und Schülern schlägt der Leitfaden drei aufeinander aufbauende Kooperationsformen vor: vom Schnupperangebot als Projekttag oder -woche über die Einrichtung einer Arbeitsgemeinschaft bis hin zur anspruchsvolleren Zusammenarbeit im Rahmen des Fachunterrichts nach Stundentafel (HMdIS 2018: 15).

Dreh- und Angelpunkt der empfohlenen Herangehensweise ist ihr freiwilliger Charakter. Es findet keine bindende bzw. pflichtige Verankerung im Bildungssystem statt. Ein weiteres Zitat veranschaulicht damit zusammenhängende Kontingenzfaktoren für eine stärkere Verankerung: „Wenn ich an das Ehrenamt herantrete und mit dem Satz anfange, wir müssen jetzt aber ein Projekt machen, weil es hier einen Vertrag mit dem Landesfeuerwehrverband und mit dem Kultusministerium gibt, dann findet gar nichts statt“ (DE-HE-01). Aufgrund fehlender gesetzlicher Vorgaben – welche sich einige Interviewpersonen explizit wünschen – und der zwangsläufigen Ausführung durch eine beschränkte Zahl von Feuerwehrangehörigen sowie oft überlasteter Lehrkräfte in den Schulen ist die Aufstellung eines weitreichenden Unterstützungsangebotes inklusive Materialien, Beratung und Öffentlichkeitsarbeit der gangbare und durchaus erfolgreiche Weg des Projektes gewesen.

5.2.4  Verstetigung

Nach dem Ablauf von „Mehr Feuerwehr in die Schule“ 2018 überlegte die Steuerungsgruppe, wie die erarbeiteten Unterstützungsangebote an die Ortsfeuerwehren herangetragen und wirksam in die Schulen kommen sollten. Dies sollte von aktiven Brandschutzerzieherinnen und -erziehern als Entlastung und nicht als Infragestellung bisheriger Aktivität wahrgenommen werden: „Wir wollen nie zu hundert Prozent sagen, das ist alles in Stein gemeißelt. Aber die Inhalte sollen zumindest als Orientierungshilfe dienen, so dass, wenn Brandschutzerziehung in einer Feuerwehr stattfindet, egal wo das in Hessen ist, […] zumindest immer inhaltlich einheitlich ist. Wie das dann didaktisch-methodisch vor Ort dann thematisiert wird, da gibt es natürlich Freiheiten“ (DE-HE-01).

In Anbetracht dieser Überlegungen begann 2019 ein weiteres Pilotjahr mit dem Ziel, die erprobte Herangehensweise in weiteren Modellregionen anzuwenden und ein Brandschutzerziehungskonzept für ganz Hessen zu entwerfen. Dafür sollten Ortsfeuerwehren auf Schulverantwortliche zugehen und neue Kooperationsformen ausloten, was wiederum mit konkreten Herausforderungen einherging: Ansprache, Planung und Durchführung neuer Angebote sind zeit- und ressourcenintensiv. Zudem hatten Lehrkräfte im Rahmen neuer Kooperationen eine aufwendigere Unterrichtsvorbereitung und mussten die Brandschutzerziehungsangebote in ihr Lehrdeputat zulasten anderer Aufgaben integrieren.

Im „Leitfaden für die Einführung des Brandschutzerziehungskonzepts“ (HMdIS 2020) werden weitere für die Verstetigung relevante Unterstützungs- und Förderangebote für Kommunen und deren Feuerwehren, wie beispielsweise eine „Brandschutzerziehungskoordination“, vorgestellt. Diese Koordinationsstelle, angesiedelt bei Kreisen, kreisfreien Städten und Städten mit Sonderstatus, fungiert als hauptamtliche Multiplikatorin, die auf Fördermöglichkeiten und Lehrmaterialien aufmerksam macht und neue Kooperationen vor Ort anbahnt. Schließlich stellt das Land ein sogenanntes Brandschutzerziehungsmobil und kostenlose Lehrmaterialien zur Verfügung.

5.2.5  Finanzierung

Das Modellprojekt „Mehr Feuerwehr in die Schule“ wurde durch das hessische Innenministerium von Beginn an finanziert. Die in den Schulen erprobten Maßnahmen wurden anfänglich aus den sogenannten Ganztagsmitteln für Honorare und Sachmittel teilweise kofinanziert oder ganz bezahlt. Ab 2018 ermöglichte erstmalig die Landesförderrichtlinie „Finanzielle Förderung von freiwilligen Schulangeboten der Feuerwehren und im Katastrophenschutz mitwirkenden Hilfsorganisationen“7 eine niedrigschwellige Sachausgabenförderung von Brandschutzerziehungsmaßnahmen, welche als wichtiges Element einer finanziellen Verstetigung der erprobten Ansätze angesehen werden kann. Je nach Anzahl der Schulstunden gab es 400 bis maximal 800 Euro Förderung. Dauerangebote über das gesamte Schuljahr konnten mit bis zu 5.000 Euro gefördert werden.

Einige Interviewpersonen kritisierten die ausschließliche Förderung von Sachausgaben und wünschten sich, auch Personalausgaben finanzieren zu können: „Aber es ist halt einfach so: wegen der Förderung macht das keiner. […] Aber es ist einfach jetzt nicht so attraktiv, dass sich da jetzt hier die Feuerwehren drum reißen“ (DE-HE-03). Zugleich besitzt die Förderung die nötige Hebelwirkung in den Kommunen: „Es ist doch leichter für die Feuerwehren, dem Bürgermeister ein neues Projekt vorzuschlagen, wenn es dafür Geld vom Land gibt“ (DE-HE-02). Eine degressive Förderung der Personalkosten von Brandschutzerziehungskoordinatorinnen und -koordinatoren in Kommunen wird durch eine weitere Landesförderrichtlinie ermöglicht.8

Aufgrund des freiwilligen Charakters dieser Initiativen und trotz der vorhandenen Förder- und Unterstützungsangebote – so verdeutlichte es eine Interviewperson – „steht und fällt [alles] aber auch mit den Verantwortlichen vor Ort“ (DE-HE-04). Den Interviewpersonen ist bewusst, dass die Herangehensweise vorerst einen landesweiten Flickenteppich bei der Aufwertung der Brandschutzerziehung erzeugte. Sie ist in ihrer Intensität weiterhin von einzelnen engagierten Akteuren und von personellen Ressourcen vor Ort abhängig: „Zumindest kann jetzt keiner sagen, dass es keine Unterstützung dafür gibt. Wer willig ist, findet auch Materialien und eine überschaubare aber wichtige Unterstützung für ihr Vorhaben“ (DE-HE-02).


6  Diskussion
Die beiden untersuchten Projekte zeigen unterschiedliche Wege zur Umsetzung institutioneller Veränderungen. Im Folgenden stellen wir Muster fest, die innerhalb der und über die verschiedenen Projektphasen hinweg auftreten (vgl. Abbildung 3).
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Abbildung 3  Etappen der Verstetigung der unterschiedlichen Modellprojekte
Quelle: Eigene Darstellung

Die Initialzündung der Projekte benötigt zwei wesentliche Voraussetzungen: Die erste Voraussetzung ist die Entstehung eines Kreises (sei es formal oder informell), dessen Akteure Änderungen im bestehenden System vornehmen möchten. Veränderungsbedürftig aus Sicht der Initiatoren war die unstrukturierte Durchführung der Brandschutzerziehung. Eine zweite Voraussetzung ist die Konfiguration der Organisationen so, dass entstandene Bottom up-Initiativen mit den oberen Hierarchieebenen im System in Verbindung treten können, um diese von der politischen Relevanz des Themas zu überzeugen. Zentral für die Initialzündung sind Schlüsselpersonen, die Verantwortung für eine strukturierte Definition des zu bewältigenden Problems (Schön/Rein 1994) und für die Skizzierung von ersten Impulsen übernehmen – in den untersuchten Projekten aus eigener Überzeugung und aufgrund ihres Fachverständnisses. Im Falle des Projektes „Gemeinsam.Sicher.Feuerwehr“ ermöglichten die Akteure der neu eingerichteten Steuerungsgruppe einen Prozess der Bündelung bisheriger, lose verbundener Initiativen zu einem neuen Produkt (den Lehrmaterialien), das zum Aushängeschild des angestrebten Wandels wird. In Hessen musste der neue formalisierte Ansatz zunächst den Praxispartnerinnen und -partnern an der Basis vermittelt werden – ein Grundstein für die Ermöglichung einer freiwilligen zukünftigen Bündelung von Informationen in der neu geschaffenen Vernetzungsstelle. Diese unterschiedlichen Ansätze verbindet ein gemeinsames Element: Sie versuchen, eine Menge an Wissen aufzubauen und bieten den Akteuren Raum, Lösungen zu entwickeln, die etablierte Handlungsweisen verändern können.

Die zwei Projekte verfolgten unterschiedliche Strategien, um durch ihre Erprobung einen institutionellen Wandel anzustoßen. Bei „Gemeinsam.Sicher.Feuerwehr“ wurde darauf geachtet, die Materialien lehrplankonform mit der Beteiligung fachlich qualifizierter Akteure zu entwickeln. In die Schule gelangen die Materialien durch die feingliedrige Organisationsstruktur der Feuerwehren. Anders gesagt: Die Skalierbarkeit des Projektes war von Anbeginn an eingeplant. Bei „Mehr Feuerwehr in die Schule“ konnte die Lehrmaterialienerstellung bereits auf dem oberösterreichischen Modellprojekt aufbauen. Über die Vereinheitlichung von Lehrmaterialien hinaus fokussierte sich das hessische Modellprojekt auf die Bündelung, Analyse und Aufbereitung existierender guter Praktiken in der Zusammenarbeit zwischen Schulen und Feuerwehren. Der resultierende Leitfaden klärt Akteure über Möglichkeiten und Grenzen der Kooperationen auf und legt ihnen die Initiierung einer solchen Zusammenarbeit nahe. Die beiden unterschiedlichen Herangehensweisen stießen auf Skepsis und Widerstand sowohl im Bildungssystem als auch in der Feuerwehr, wenn es um eine Erweiterung über den lokalen Modellprojektcharakter hinausging. Das war in einem solch dezentralisierten Daseinsvorsorgebereich zu erwarten, doch haben die Widerstände die langfristige Etablierung der Strukturen nicht verhindert. Die Unterstützung durch die Landespolitik war in beiden Fällen wichtig.

Eine möglichst systematische Durchführung der Brandschutzerziehung ist gemeinsame Strategie zur Verankerung der zwei Modellprojekte im Bildungssystem. In beiden Ländern existieren hierfür ähnliche Herausforderungen, die mit der ehrenamtlichen Durchführung seitens der Feuerwehren und den begrenzten Kapazitäten von Lehrkräften zusammenhängen. Trotz erreichter Lehrplankonformität der Materialien ist in Oberösterreich der Versuch der Projektsteuerungsgruppe, die Unterlagen strukturiert in das Curriculum zu integrieren (und somit das Projekt zu formalisieren), aufgrund von fehlenden Unterstützungsnetzwerken und starken Widerständen gegen Veränderungen im Bildungssystem noch nicht gelungen. Das hessische Modellprojekt und die daraus resultierenden Fördermaßnahmen und Strukturen sind dagegen durch einen unterstützenden, aber vollkommen freiwilligen Charakter geprägt. Im Gegensatz zu Oberösterreich wurde hier kein Versuch unternommen, die feuerwehrbezogenen Materialien landesweit einheitlich in den Lehrplan zu integrieren. Stattdessen stellte die Einführung einer neuen Finanzierungslinie einen weiteren Schritt in der Formalisierung des Projekts dar und erleichterte somit den Einsatz neuer Materialien und Beratung auf Landkreisebene. Die Erfahrungen beider Projekte zeigen die Grenzen der Machbarkeit neuer Ansätze innerhalb eines Daseinsvorsorgebereichs auf. Diese betreffen vor allem die Entstehung innovativer ressortübergreifender Umsetzungsansätze zwischen dem Brand- und Katastrophenschutz- sowie dem Bildungssystem. Beide Bereiche sind zurzeit merklich überlastet und reagieren deshalb hoch sensibel auf Veränderungsimpulse von außen, was zu einer verstärkten institutionellen Trägheit führt (North 1990).

Bei beiden Projekten zeigt die Verstetigung des Ansatzes eine ähnliche Strategie von Multiplikation (die Umsetzung der im Projekt geschaffenen Neuerungen an mehreren Orten) und Wiederholung (die kontinuierliche und sich wiederholende Aktualisierung und Umsetzung der neuen Angebote) auf. Hierfür sind die neugeschaffenen Arbeitsweisen und Koordinationsstrukturen zentral: In Oberösterreich sind diese immer noch informell aufgestellt (beim Oberösterreichischen Landes-Feuerwehrverband angesiedelt) und in Hessen bereits formalisiert. Diese neuen Strukturen erfüllen auch den Zweck, dass beide Projekte Präsenz in Form einer kontinuierlichen Kontaktaufnahme mit den Zielakteuren zeigen. Die von den befragten Akteuren vorgenommene Reflexion über die Zwischenergebnisse zeigt, dass das wahrgenommene Ausmaß des institutionellen Wandels, der durch Multiplikation und Wiederholung erreicht werden kann, davon beeinflusst wird, inwieweit sie durch formalisierte Strukturen untermauert sind oder die Perspektive haben, von diesen untermauert zu werden. In Oberösterreich wird die Zurückhaltung des Bundesbildungsministeriums zur Aufnahme der erarbeiteten Unterlagen in die Liste anerkannter Unterrichtsmaterialien für ganz Österreich als zentrale Hürde für die Verstetigung des Modellprojektes wahrgenommen. Andererseits wird in Hessen das klare politische Bekenntnis zur allgemeinen Ehrenamtsförderung als ein bedeutsamer Grundpfeiler der erprobten Modellprojekte gesehen.

Schließlich unterscheidet sich die Finanzierung der Modellprojekte grundlegend. In beiden Projekten ist die öffentliche Finanzierung von zentraler Bedeutung, diese ist jedoch je nach Rolle und Aufstellung der Landesfeuerwehrverbände in Deutschland und Österreich unterschiedlich. Das Modellprojekt „Gemeinsam.Sicher.Feuerwehr“ speist sich seit Beginn aus freiwilligen Spenden der Versicherungswirtschaft an den Oberösterreichischen Landesfeuerwehr-Verband. Überraschend dabei ist die bisher fehlende Beteiligung öffentlicher Institutionen auf Landes- und Bundesebene, die ausschlaggebend für eine langfristige finanzielle Verstetigung wären. Dies hat nicht nur direkte materielle Folgen für das Modellprojekt (so kann der Nachdruck von Materialien gefährdet sein), sondern auch indirekte Effekte auf die Anerkennung und den wahrgenommenen Mehrwehrt der aufwendigen Anstrengungen in der Brandschutzerziehung. „Mehr Feuerwehr in die Schule“ als Modellprojekt und die daraus hervorgehenden Fördermaßnahmen und Projektbausteine haben von Beginn an eine gesonderte öffentliche finanzielle Unterstützung des Landes Hessen erhalten. Auch analoge und digitale Austauschplattformen sowie Lehrmaterialien werden für die Anwendung auf Orts- und Gemeindeebene kostenlos vom Land bereitgestellt. Hier anzuführen ist der föderale Rahmen bzw. subsidiäre Gedanke einer Kofinanzierung durch Kommunen als gesetzliche Brandschutzträger. Im Falle der geförderten Brandschutzerziehungskoordination wird landesseitig lediglich eine Anschubfinanzierung ermöglicht. Langfristig soll diese durch die Kommune getragen werden.


7  Schlussfolgerungen

Die analysierten Modellprojekte in Oberösterreich und Hessen lassen sich in Anbetracht der eingangs erwähnten Debatte um eine Responsibilisierung (Garland 1996; Steinführer 2015) als Bausteine einer Verlagerungsdynamik aus den Feuerwehren heraus an weitere Akteure der Zivilgesellschaft und des Bildungssystems interpretieren. Gleichzeitig erwachsen für die Institution Freiwillige Feuerwehr im Bereich Brandschutzerziehung durch die Erprobung neuartiger Ansätze neue Anforderungen. Dies stellt sich aufgrund der mehrfach aufgezeigten Kapazitätsgrenzen und Überforderungsgefahren als problematisch dar. Obwohl das Versprechen einer in Zukunft selbstschutzfähigeren Bürgergesellschaft einen Beitrag zur Funktionsfähigkeit des Bevölkerungsschutzes leisten kann, werden für den nötigen Kapazitätsaufbau gegenwärtig keine nennenswerten zusätzlichen hauptamtlichen Ressourcen, sondern nur koordinierende und unterstützende Angebote seitens der zuständigen staatlichen Behörden zur Verfügung gestellt. Jedoch sollte eine relevante Komponente nicht außer Acht gelassen werden: Der größte Anreiz für Freiwillige Feuerwehren, Brandschutzerziehungsmaßnahmen zu gestalten, ist die Nachwuchsgewinnung. Mehr Nachwuchs durch eine strukturierte Brandschutzerziehung könnte ein Ausgleich zu strukturellen Defiziten in diesem Bereich der Daseinsvorsorge in ländlichen Räumen bedeuten und einen Beitrag zu dessen Zukunftssicherung leisten.

Brandschutzerziehung in der beschriebenen Form zu systematisieren, bewirkt zudem zweifellos eine Veränderung der bestehenden institutionalisierten Koproduktion von Daseinsvorsorge im Bereich der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr. Hier tragen die Akteure der untersuchten Modellprojekte zu einem inkrementellen institutionellen Wandel bei und etablieren neue informelle Beziehungen und Regeln zwischen relevanten Akteuren und über bestehende Systemgrenzen (etwa von Innen- und Bildungsministerium) hinweg. Wie eingangs dargestellt, initiieren reflexive Schlüsselakteure (Schön/Rein 1994) aus dem System des Brand- und Katastrophenschutzes einen Wandel, jedoch scheint ein neues system- und sektorübergreifendes Arrangement für eine dauerhafte Transformation des Status quo nötig zu sein, das das Bildungssystem verlässlich mit einbezieht. Erfolgsrelevant erscheint zudem die absichtsvolle, konstruktive und – bezogen auf die Veränderungsprozesse – inkrementelle Gestaltung des Daseinsvorsorgebereichs durch die Akteure als nennenswerter Beitrag zur Zukunftssicherung des Brand- und Katastrophenschutzes. Eher disruptive Innovationen, also die Absicht, zu viel auf einmal verändern zu wollen, wären angesichts tradierter Werte und Organisationskulturen in dem hier untersuchten Bereich der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr mit großer Wahrscheinlichkeit unwirksam und würden großen Widerstand an der Basis hervorrufen.

In diesem Beitrag wurde die erreichte Qualitätssteigerung, Intensivierung und Vereinheitlichung von innovativen Ansätzen der Brandschutzerziehung in den Fallbeispielen deutlich. Jedoch bleibt als offene Forschungsfrage, inwiefern konkrete Maßnahmen in unterschiedlichen Altersklassen und Schuljahrgängen eine nachweisbare Steigerung der Selbstschutzfähigkeit bewirken können und wie die Bevölkerung die an sie gestellten Erwartungen eines verbesserten Selbstschutzes und damit Eigenbeitrags für den Bevölkerungsschutz wahrnimmt und umsetzt.

Competing Interests  
The authors declare no competing interests.
Acknowledgement  
The authors would like to thank the two anonymous reviewers for their helpful comments. We also thank the eleven people who agreed to be interviewed. Without their input this study would have not been possible.
Funding  
The research leading to these results was conducted as part of the project „Innovative approaches to services of general interest in rural areas – What Germany can learn from the experience of other European countries“ (InDaLE). The project was supported by funds of the Federal Ministry of Food and Agriculture (BMEL) based on a decision of the Parliament of the Federal Republic of Germany via the Federal Office for Agriculture and Food (BLE) under the Rural Development Programme (grant number 2819LE010 respectively 2819LE006).


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Fußnoten

1https://www.feuerwehrverband.de/service/feuerwehr-signet/ (11.08.2023).
2In manchen Bundesländern, z. B. Sachsen, gilt eine niedrigere Grenze.
3https://feuerwehr.hessen.de/feuerwehr/organisation-und-ausbildung (11.08.2023).
4Hessisches Gesetz über den Brandschutz, die Allgemeine Hilfe und den Katastrophenschutz (Hessisches Brand- und Katastrophenschutzgesetz – HBKG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Januar 2014 (GVBl. S. 26), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 30. September 2021 (GVBl. S. 602).
5https://medienzentrum-frankfurt.de/images/easyblog_articles/546/2015_10_27--Kooperation-KM---Landesfeuerwehrverband_-mit-Unterschriften.pdf (11.08.2023).
6https://www.feuerwehr-in-die-schule.de (11.08.2023).
7https://feuerwehr.hessen.de/sites/feuerwehr.hessen.de/files/2022-03/foerderrichtlinie_finanzielle_foerderung_von_schulangeboten_0.pdf (11.08.2023).
8https://www.staatsanzeiger-hessen.de/dokument/?user_nvurlapi_pi1[pdf]=StAnz-Hessen-Ausgabe-2020-13.pdf#page=2 (11.08.2023).