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https://doi.org/10.14512/rur.198
Raumforschung und Raumordnung | Spatial Research and Planning (2022) 80/3: 376–378
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Rezension / Book review

Krebühl, Daniel (2021): Bundesraumordnungspläne für Flughäfen. Voraussetzungen, Inhalte und Bindungswirkungen flughafenbezogener Bundesraumordnungspläne nach § 17 Abs. 2 ROG

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(1) Zentralinstitut für Raumplanung, Universität Münster, Wilmergasse 12-13, 48143 Münster, Deutschland

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Eingegangen: 14. Januar 2022  Angenommen: 27. Januar 2022  Online veröffentlicht: 11. Februar 2022


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Die Aufstellung verbindlicher Raumordnungspläne erfolgt in der Bundesrepublik traditionell auf der Ebene der Länder, während die Bundesraumordnung bislang kaum gestaltenden Einfluss auf die räumliche Entwicklung nehmen konnte, zumal das Raumordnungsgesetz (ROG) ihr lange Zeit das zentrale Steuerungsinstrument der Raumordnungsplanung, die Ziele der Raumordnung als „verbindliche Vorgaben“ (vgl. § 3 I Nr. 2 ROG) mit strikter Bindungswirkung (vgl. § 4 I 1 ROG), jedenfalls nicht ausdrücklich zugestand. Der Bund nahm es aufgrund der Widerstände der Länder und bestehender Unsicherheiten auch nicht für sich in Anspruch, sodass etwa bereits das inhaltlich ambitionierte, im Jahre 1975 aufgestellte Bundesraumordnungsprogramm praktisch bedeutungslos blieb, weil es gegenüber den Ländern keine Verbindlichkeit hatte und von diesen ignoriert werden konnte. Lediglich für die Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) wurden im Jahre 2004 erste Ansätze einer verbindlichen Bundesraumordnung in das Raumordnungsgesetz aufgenommen und durch das ROG 2008 erweitert (vgl. den heutigen § 17 I ROG), während jedoch die durch das ROG 2008 geschaffene Regelung über einen Raumordnungsplan zur Konkretisierung der Grundsätze nach § 2 II ROG (vgl. den heutigen § 17 III ROG) in der Tradition der Unverbindlichkeit verharrte und auch die zugleich in § 17 II ROG aufgenommenen Bundesraumordnungspläne zu länderübergreifenden Standortkonzepten für Häfen und Flughäfen als Grundlage für deren verkehrliche Anbindung keine Bindungswirkungen gegenüber den Ländern entfalten, sondern allein die Bundesverkehrswegeplanung adressieren sollten. Letztere Vorschrift wurde durch das ROG 2017 neu gefasst, insbesondere der in § 17 II 2 ROG 2008 enthaltene Ausschluss einer Bindungswirkung gegenüber den Ländern gestrichen. Damit wird nunmehr erstmals die verbindliche länderübergreifende gesamträumliche Steuerung von Flughafenstandorten einschließlich deren verkehrlicher Anbindung ermöglicht, was vor dem Hintergrund der seit Langem beobachteten Defizite des deutschen Flughafensystems, insbesondere der Fehlallokationen im Bereich der Regionalflughäfen, auch sachgerecht erscheint.

Gleichwohl wirft die neue Bundesraumordnungsplanung für Flughäfen vielschichtige rechtliche Zweifelsfragen auf. Diese auszuleuchten macht sich Daniel Krebühl in seiner an der Universität Konstanz entstandenen und von Martin Ibler betreuten juristischen Dissertation zur Aufgabe und legt mit ihr die erste monographische Untersuchung zu diesem im rechtswissenschaftlichen Schrifttum erst wenig erörterten Thema vor. Der erste, einführende Teil der Arbeit („Bundesraumordnungspläne im Bundesstaat“, S. 37–130) zeichnet neben begrifflichen Grundlagen die geschichtliche Entwicklung der Bundesraumordnung nach und steckt deren verfassungsrechtlichen Rahmen, die Verteilung der Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenzen zwischen Bund und Ländern, ab, legt damit ein solides Fundament für Verständnis und Einordnung der flughafenbezogenen Raumordnungspläne nach § 17 II ROG. Deren Aufstellungsvoraussetzungen, mögliche Inhalte und Bindungswirkungen beleuchtet der zentrale zweite Teil (S. 131–381). So verlangt § 17 II 2 ROG, dass ein entsprechender Bundesraumordnungsplan für die räumliche Entwicklung und Ordnung des Bundesgebietes unter nationalen oder europäischen Gesichtspunkten erforderlich ist, errichtet hiermit jedoch, wie Daniel Krebühl überzeugend darlegt, keine hohen Hürden für den Gebrauch der Planungsbefugnis. Zugleich spricht die Gesetzesformulierung („kann“) für ein Ermessen des zuständigen Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (BMI) und gegen eine Planungsverpflichtung. Die in § 17 II 1 ROG angesprochenen „Standortkonzepte für Flughäfen“ begreift Daniel Krebühl als gebietliche Festlegungen, die jedoch der Raumordnungsplanung der Länder einen Konkretisierungsspielraum zur weiteren räumlichen Eingrenzung der Flughafenstandorte belassen müssten. Dass diese Standortkonzepte gemäß § 17 II 1 ROG „als Grundlage“ für die verkehrliche Anbindung der Flughäfen im Rahmen der Bundesverkehrswegeplanung dienen sollen, bedeute, dass sie der Bundesverkehrswegeplanung zeitlich vorangehen, diese raumordnerisch vorbereiten und eine intermodale Verknüpfung der verschiedenen Verkehrsträger herstellen sollen. Neben Festlegungen zur räumlichen Lage von Flughäfen, Straßen und Schienenwegen einschließlich Bahnhöfen sowie der räumlichen Vernetzung dieser Infrastrukturen kämen auch Festlegungen zu Größe, Kapazität und Verkehrsfunktion eines Flughafens in Betracht. Während allerdings die Bundesraumordnung hinsichtlich der Flughafenstandorte sowohl auf Ziele als auch auf Grundsätze der Raumordnung (vgl. § 3 I Nr. 2 und Nr. 3 ROG) zurückgreifen könne, unter anderem etwa auf Vorranggebiete gemäß § 7 III 2 Nr. 1 ROG, ist sie Daniel Krebühl zufolge hinsichtlich der verkehrlichen Anbindung von Flughäfen auf die Festlegung bloßer Grundsätze beschränkt, darf mithin lediglich – überwindbare – Abwägungsvorgaben für die Bundesverkehrswegeplanung formulieren. Denn weil der auf Raumgestaltung ausgerichteten Bundesraumordnung fiskalische Überlegungen fremd seien, könne sie die Bundesverkehrswegeplanung, die über die Finanzierung von Straßen und Schienenwegen aus Bundesmitteln entscheidet, nicht zur vorrangigen Finanzierung bestimmter verkehrlicher Anbindungen von Flughäfen verpflichten. Die praktisch bedeutsame wie juristisch vielschichtige Frage nach den Bindungswirkungen der bundesraumordnerischen Festlegungen behandelt der Autor mit Recht besonders ausführlich (S. 244–378): Die Bundesverkehrswegeplanung habe bundesraumordnungsplanerische Grundsätze zur verkehrlichen Anbindung als Abwägungsbelange zu berücksichtigen, indirekt könnten aber auch zielförmige Festlegungen zu Flughafenstandorten für die bundesverkehrswegeplanerische Abwägung von Bedeutung sein, weil sie gegebenenfalls zu einer Erhöhung des zu prognostizierenden Bedarfs an Straßen und Schienenwegen führen könnten. Von besonderem Interesse sind die Bindungswirkungen bundesraumordnerischer Festlegungen nach § 17 II ROG für die Raumordnungsplanung der Länder und für die luftverkehrsrechtliche Fachplanung. Hier arbeitet Daniel Krebühl zunächst überzeugend heraus, dass flughafenbezogene Bundesraumordnungspläne überhaupt jene öffentlichen Stellen adressieren und nicht etwa, wie bislang überwiegend angenommen, allein die Bundesverkehrswegeplanung (S. 285–300). Eingehend beleuchtet er zudem die in § 5 ROG vorgesehenen Beteiligungserfordernisse und Widerspruchsmöglichkeiten zugunsten der Länder (S. 307–335). Ferner betont er die mit dem Mehrebenensystem der Raumordnung intendierte stufenweise Konkretisierung und Problemabschichtung. Diese Stufung raumordnerischer Entscheidungen führe unter anderem dazu, dass die Festlegungen der Bundesraumordnungspläne Bindungswirkungen grundsätzlich allein gegenüber der landesweiten Raumordnungsplanung entfalteten, während für die regionale Raumordnungsplanung die durch die vorgelagerte landesweite Raumordnungsplanung vorgenommenen Konkretisierungen der bundesraumordnerischen Vorgaben maßgeblich seien, die Festlegungen des Bundes selbst dagegen durch die landesweite Raumordnungsplanung „verdrängt“ würden (S. 335–342). Entsprechendes gelte im Verhältnis zur luftverkehrsrechtlichen Fachplanung, die sich allein nach den regionalplanerischen Konkretisierungen der höherstufigen Entscheidungen zu richten habe (S. 356–366). Abweichungen von diesem „System der Konkretisierung“ könnten sich jedoch im Falle eines begründeten Widerspruchs nach § 5 ROG ergeben, der die Bindung der Landesplanung an Bundesziele aufhebe und landesplanerische Festlegungen nicht mehr als deren Konkretisierung erscheinen lasse.

Daniel Krebühls Untersuchung zeichnet sich durch eine präzise Arbeit mit den gesetzlichen Vorgaben, eine sorgfältige Anwendung der juristischen Auslegungsmethoden und eine klare Gedankenführung aus. Zahlreiche Zwischenergebnisse und Zusammenfassungen erleichtern, wenngleich sie zu gelegentlichen Längen und Wiederholungen führen, die Orientierung. Dass auf manche Fragen auch andere Antworten denkbar erscheinen, liegt in der Natur des Untersuchungsgegenstandes. So erscheinen mir etwa zielförmige bundesraumordnerische Festlegungen zur verkehrlichen Anbindung von Flughäfen nicht per se ausgeschlossen, obschon sie selbstredend die Bundesverkehrswegeplanung nicht zur Umsetzung verpflichten könnten, weil Raumordnung und Fachplanung nicht in einer „Planungshierarchie“ stehen (vgl. hierzu BVerwGE 125, 116 Rn. 67 ff., 76 ff. – Flughafen Berlin-Schönefeld) und daher gegebenenfalls auch nicht sachgerecht wären. Hinsichtlich der Bindungswirkungen bundesraumordnerischer Festlegungen nach § 17 II ROG könnten sich zudem weitere Fragen stellen, insbesondere für den Zeitraum, in dem eine landes- und/oder regionalplanerische Konkretisierung noch nicht stattgefunden hat: Inwieweit sind die Festlegungen nach § 17 II ROG dann beispielsweise für mit der Flughafennutzung konfligierende Raumansprüche von Bedeutung? Daniel Krebühls Arbeit gibt wertvolle Anstöße zum weiteren Nachdenken über diese und weitere Rechtsfragen und leistet damit einen wichtigen Beitrag zum raumordnungsrechtlichen Schrifttum.

Vollständige bibliographische Angaben des rezensierten Werkes:  
Krebühl, Daniel (2021): Bundesraumordnungspläne für Flughäfen. Voraussetzungen, Inhalte und Bindungswirkungen flughafenbezogener Bundesraumordnungspläne nach § 17 Abs. 2 ROG. Berlin: Duncker & Humblot. = Schriften zum Deutschen und Europäischen Infrastrukturrecht 16. 427 Seiten.