© by the authors; licensee oekom 2022. This Open Access article is published under a Creative Commons Attribution 4.0 International Licence (CC BY).
https://doi.org/10.14512/rur.204
Raumforschung und Raumordnung | Spatial Research and Planning (2022) 80/1: 1–6
rur.oekom.de

Editorial / Editorial

Ökosystemleistungen in der räumlichen Planung

Christian Albert Contact Info ORCID, Rieke Hansen Contact Info ORCID , Barbara Warner Contact Info ORCID

(1) Geographisches Institut, Ruhr Universität Bochum, Universitätsstraße 150, 44805 Bochum, Deutschland
(2) Institut für Freiraumentwicklung, Hochschule Geisenheim University, Von-Lade-Straße 1, 65366 Geisenheim, Deutschland
(3) ARL – Akademie für Raumentwicklung in der Leibniz-Gemeinschaft, Vahrenwalder Straße 247, 30179 Hannover, Deutschland

Contact InfoProf. Dr. Christian Albert  (Corresponding author)
E-Mail: christian.albert@rub.de

Contact InfoProf. Dr. Rieke Hansen 
E-Mail: rieke.hansen@hs-gm.de

Contact InfoDr. Barbara Warner 
E-Mail: warner@arl-net.de

Eingegangen: 17. Januar 2022  Angenommen: 3. Februar 2022  Online veröffentlicht: 24. Februar 2022


Das System der räumlichen Planung in Deutschland weist ein Spektrum an formellen und informellen Instrumenten auf, um den Schutz und die nachhaltige Nutzung von Natur und Landschaft in Entscheidungsprozessen zu berücksichtigen. Der räumlichen Planung und ihren Akteuren ist es allerdings bisher erst ansatzweise gelungen, negative Entwicklungstrends zu vermindern und naturschutzfachliche Ziele umfassend zu erreichen (Albert/Hansen/Warner 2019).

Das Konzept der Ökosystemleistungen, hier verstanden als direkte und indirekte Beiträge von Ökosystemen zum menschlichen Wohlbefinden (TEEB 2010; Díaz/Pascual/Stenseke et al. 2018), soll die Bedeutung der Natur für die Menschen auf eine neue Art bewertbar und kommunizierbar machen. Häufig werden drei Gruppen von Ökosystemleistungen differenziert (Naturkapital Deutschland – TEEB DE 2016): Versorgungsleistungen wie die Bereitstellung von Trinkwasser, Regulierungsleistungen wie der Schutz vor Überschwemmungen und kulturelle Leistungen wie der Beitrag zur Erholung (vgl. Abbildung 1).
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Abbildung 1  Beispiele für Ökosystemleistungen in Stadt-Umland-Regionen
Die Abbildung wurde im Rahmen des Arbeitskreises „Ökosystemleistungen in der räumlichen Planung“ der ARL entwickelt.

In der deutschsprachigen und internationalen wissenschaftlichen Debatte wurde in den letzten Jahren die Hoffnung thematisiert, dass das Ökosystemleistungskonzept dazu beitragen könne, naturschutzfachliche Aspekte besser in räumlichen Planungs- und Entscheidungsprozessen zu berücksichtigen (Albert/Galler/Hermes et al. 2016; Albert/Fürst/Ring et al. 2020). Drei wesentliche Innovationen, die mit der Nutzung des Ökosystemleistungskonzeptes assoziiert werden, umfassen
– 
die Betonung der Beiträge von Natur und Landschaft zum menschlichen Wohlergehen,
– 
neue Möglichkeiten, um mit einem stärker quantitativen Analyseansatz Trends, Wechselwirkungen und Synergien einzubeziehen, sowie
– 
die multidimensionale Bewertung von Natur und Landschaft, unter anderem auch ökonomisch und monetär.

Zudem könnten partizipative Planungsverfahren durch die Verwendung des Ökosystemleistungskonzepts unterstützt werden.

Ziel des vorliegenden Schwerpunkthefts ist es, empirische Erkenntnisse und forschungsbasierte Perspektiven zur Anwendung des Ökosystemleistungskonzepts insbesondere in der räumlichen Planung zusammenzubringen. Es enthält insgesamt sieben Beiträge und wurde initiiert im Rahmen des Arbeitskreises „Ökosystemleistungen in der räumlichen Planung“ der Akademie für Raumentwicklung in der Leibniz-Gemeinschaft (ARL).

Im ersten Beitrag des Schwerpunkthefts stellen Christian Albert und die weiteren Mitglieder des Arbeitskreises zehn Thesen zur Nutzung des Ökosystemleistungskonzepts in der räumlichen Planung und für eine nachhaltige Raumentwicklung vor (Albert/Hansen/Dehnhardt et al. 2022). Mit den Thesen synthetisieren die Autorinnen und Autoren den Stand des Wissens und leiten Empfehlungen für die Forschung und praktische Anwendung ab. Die Thesen widmen sich drei Themenbereichen: (i) den aus einer Nutzung des Ökosystemleistungskonzepts erwachsenden Vorteilen, (ii) bestehenden Hemmnissen und Potenzialen zum Einsatz des Konzepts bei Instrumenten der räumlichen Planung sowie (iii) Handlungsbedarfen für die zukünftige Weiterentwicklung der Anwendung des Konzepts, insbesondere auch zur Unterstützung räumlicher Transformationsprozesse (vgl. Abbildung 2). Zusammengenommen wird deutlich, dass das Ökosystemleistungskonzept neue Narrative ermöglicht und einfordert, um Strategien für eine nachhaltige Raumentwicklung zu vermitteln und zu fördern – auch wenn weiterhin Forschungsbedarf zur Entwicklung robuster Methoden für die Erfassung und Bewertung sowie zu den Effekten des Einsatzes in der Praxis besteht.
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Abbildung 2  Visualisierung der zehn Thesen zu Ökosystemleistungen und räumlicher Planung
Die Abbildung wurde im Rahmen des Arbeitskreises „Ökosystemleistungen in der räumlichen Planung“ der ARL entwickelt.

Wie eine wissenschaftlich fundierte Erfassung und Bewertung von Ökosystemleistungen mit Relevanz für die räumliche Planung in metropolitanen Räumen in der Praxis erfolgen kann, zeigen Christian Albert, Reinhard Henke, Janette Iwanowski, Antje Kosan, Dietmar Mehl und Claudia Romelli am Beispiel des Ballungsraums Frankfurt/Rhein-Main. In ihrer Studie erarbeiteten sie eine Liste von mehr als 25 relevanten Ökosystemleistungen, schlagen geeignete Indikatoren und Methoden vor und bewerten mögliche Ökosystemleistungsindikatoren im Hinblick auf die üblicherweise bestehende Datenverfügbarkeit und den Erhebungsaufwand (Albert/Henke/Iwanowski et al. 2022). Es zeigt sich, dass für fast alle Ökosystemleistungen geeignete Daten vorliegen und Bewertungen des Dargebots mit moderatem Aufwand vorgenommen werden können. Eine sinnvolle Anwendung der Indikatoren könnte beispielsweise auf der Ebene des Flächennutzungsplanes als vorbereitender Bauleitplan erfolgen und im Rahmen der Eingriffsregelung zur Abschätzung von Bedarfen zur Vermeidung und zum Ausgleich genutzt werden. Weiterführende Hinweise dazu, wie die Analyse von Ökosystemleistungen mithilfe von GIS-Systemen umgesetzt werden kann, wurden jüngst zum Umgang mit Staustufen an der Lahn (Mehl/Iwanoski/Dehnhardt et al. 2022a; Mehl/Iwanoski/Dehnhardt et al. 2022b) vorgelegt. Einen aktuellen Überblick über planungsrelevante, nationale Indikatoren zur Bewertung von Ökosystemen und ihren Leistungen bieten Grunewald/Syrbe/Walz et al. (2022).

Christoph Mager, Madeleine Wagner und Anna Growe beleuchten in ihrem Beitrag die Frage, wie Ergebnisse aus der Erfassung und Bewertung von Ökosystemleistungen bilanzierend dargestellt und in der Kommunikation angewendet werden können (Mager/Wagner/Growe 2022). In ihrer Studie stellen sie das Angebot von und die Nachfrage nach ausgewählten Ökosystemleistungen von Grün- und Freiflächen in Stadtrandgebieten der Metropolregion Rhein-Neckar in Bezug auf verschiedene Interessengruppen gegenüber. Weiterhin diskutieren die Autorinnen und der Autor, inwieweit dieses Analyseformat im Rahmen von partizipativen Planungsprozessen und informellen Planungsinstrumenten zur Stärkung von Substanz und Vertrauen eingesetzt werden kann und welche Chancen und Grenzen sich für partizipative Planungsprozesse ergeben. Als Vorteile bilanzierender Ökosystemleistungsanalysen werden beispielsweise neue Einblicke in die Interessen und Erwartungen von Akteurgruppen, das Aufzeigen realistischer Entwicklungsmöglichkeiten und Restriktionen und die Schaffung von Anlässen für Kommunikationsprozesse genannt.

Ergänzend zu diesen Erkenntnissen zur planungsrelevanten Erfassung und Bewertung von Ökosystemleistungen untersuchen Sonja Deppisch, Anne Heitmann, Günden Savaşçı und Dagmar Lezuo, welche Bezüge zu Ökosystemleistungen in Planungsinstrumenten von Großstadtregionen bestehen, auch wenn der Begriff hierbei (noch) wenig Verwendung findet (Deppisch/Heitmann/Savaşçı et al. 2022). In zwei Fallstudien (die Stadtregionen Rostock und München) werden konkrete versorgende, regulierende und kulturelle Ökosystemleistungen untersucht. Finden diese Leistungen konkrete Zielvorgaben in der formellen und informellen Planung? Und was bedeutet es für künftige stadtregionale Planungsstrategien, wenn zentrale Leistungen hier nicht oder nach wie vor nur unzureichend adressiert werden? Die Autorinnen und Autoren identifizieren einerseits zahlreiche Bezüge zum Ökosystemleistungsansatz in der Planung und zeigen hierdurch Anknüpfungspunkte an das Konzept auf. Andererseits werden Lücken identifiziert, die es erschweren, konkrete Nachfrage nach Ökosystemleistungen einbeziehen zu können. Der Beitrag entstand im Zusammenhang mit dem Forschungsprojekt ÖSKKIP (Ökosystemleistungen von Stadtregionen – Kartieren, Kommunizieren und Integrieren in die Planung zum Schutz der biologischen Vielfalt im Klimawandel).

Weiterführende Überlegungen dazu, wie Ökosystemleistungen in der formellen räumlichen Planung berücksichtigt werden könnten, diskutieren Sonja Deppisch, Gesa Geißler, Christian Poßer und Linda Schrapp in ihrem Beitrag (Deppisch/Geißler/Poßer et al. 2022): Wie kann der Ökosystemleistungsansatz kurz- bis mittelfristig in die Raum‑, Bauleit- und Landschaftsplanung integriert werden und welcher soziale und ökologische Mehrwert kann sich daraus ergeben? Als wesentliche Kriterien für die Erörterung möglicher Optionen zur Berücksichtigung von Ökosystemleistungen dienen „Notwendigkeit rechtlicher Anpassungen“, „Zeithorizont der Umsetzbarkeit“, „potenzielle Barrieren“ und „Auswirkungen auf die Sicherung von Ökosystemleistungen“. Die Autorinnen und der Autor stellen fest, dass eine Umsetzung auf allen Planungsebenen vonnöten sei, um Ökosystemleistungen umfassend zu sichern und zu entwickeln. Während viele Vorschläge eher mittelfristig implementiert werden können, beispielsweise nach einer Novelle des Baugesetzbuchs, beinhalten kurzfristige Ansätze unter anderem die Verabschiedung einer Ökosystemleistungs-Satzung durch kommunalen Ratsbeschluss oder die Durchführung von Modelllandschaftsplänen.

In einem Perspektiven-Beitrag arbeiten Christine Fürst, Antonina Kriuger, Barbara Warner, Emily Ehrlich und Lucas Fenger heraus, inwieweit das Ökosystemleistungskonzept im Bereich der Umweltbildung bereits Anwendung findet: Aufgegriffen werden die schulische Bildung, die Hochschulbildung in ausgewählten Fachbereichen und die Fortbildungslandschaft für die Planungspraxis in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Wie können diese Akteure Handlungswissen erhalten und in Transformationswissen übersetzen (lernen)? Die Autorinnen und der Autor zeigen, wo Defizite hinsichtlich einer Operationalisierung des Konzeptes der Ökosystemleistungen liegen und geben einen Überblick über die Angebote in den genannten Bereichen – mit Rückschlüssen auf deren Relevanz für die räumliche Planung und die Rollen der jeweiligen Akteure für ein mainstreaming des Ökosystemleistungsansatzes (Fürst/Kriuger/Warner et al. 2022). Es wird deutlich, dass – auch wenn der Begriff der Ökosystemleistungen nach wie vor eher selten Verwendung findet – in den untersuchten Bildungsangeboten zumindest initiale Voraussetzungen für ein mainstreaming dieses Ansatzes existieren. Es fehlt jedoch ebenso an der strategischen Umsetzung der Vermittlung von Wissen zu Ökosystemleistungen. Das Konzept kann seinen Vorteil, integrativ zu wirken, nicht entfalten. Die Autorinnen und der Autor plädieren für eine Operationalisierung des Begriffes für die Bildungsträger und eine Konzertierung der bereits vorhandenen Einzelaspekte – auch trägerübergreifend. Sowohl für den schulischen Bereich als auch für den der Hochschulbildung sollten Handreichungen und konkrete Materialien entwickelt werden, die eine Integration von Ökosystemleistungen in Bildungsangebote ermöglichen bzw. vereinfachen. Im Bildungsbereich für Planerinnen und Planer sind explizit nutzerfokussierte Strategien und beispielsweise Partnerschaften mit Fachverbänden notwendig. Eine Konzertierung von Ökosystemleistungsansätzen und ihre Überführung in konkrete Strategien der Weiterbildung stellt daher eine noch zu bewältigende Herausforderung dar, auch um die Kommunikation über konkrete, fallspezifische Fragestellungen verbessern zu können.

Im abschließenden Beitrag des Schwerpunkthefts befassen sich Rieke Hansen, Alexandra Dehnhardt und Stefan Marzelli mit Bezügen zwischen der aktuellen Forschung zu Ökosystemleistungen in Deutschland und dem Diskurs um sozialökologische Transformationen. Hierfür wurden Expertinnen und Experten befragt, die in ihren Forschungsprojekten das Konzept der Ökosystemleistung im Kontext der räumlichen Planung praxisnah und in Zusammenarbeit mit Planungsakteuren erproben. In den sechs untersuchten Forschungsprojekten gab es überwiegend keine direkten Bezüge zum Transformationsdiskurs und die durch Forschung angeregten Verbesserungen durch Ökosystemleistungen in der Planung bewegen sich in der Regel innerhalb des aktuellen planerischen und rechtlichen Rahmens. Die Diskussion mit den Forschenden zeigt aber auch auf, dass es möglich wäre, Ökosystemleistungen für einen radikaleren Wandel zu nutzen und umfangreiche Transformationsprozesse experimentell zu erproben. Wesentliche Potenziale des Ökosystemleistungskonzepts werden unter anderem darin gesehen, dass die Einbeziehung von Ökosystemleistungen in der räumlichen Planung ein Systemdenken befördert, mit dem komplexe Umweltfragen greifbar gemacht werden können, und Perspektiven eröffnet, die das etablierte Denken in Fachzuständigkeiten überbrücken können (Hansen/Dehnhardt/Marzelli 2022). Die Forschungsprojekte, in denen zum Beispiel versucht wurde, mit Akteuren der Stadtplanung radikale Szenarien zu entwickeln, die nicht von aktuellen Rahmenbedingungen und Handlungsspielräumen determiniert werden, weisen darauf hin, dass das Anstoßen transformativer Prozesse, die einen grundlegenden Wandel auf verschiedenen, ineinandergreifenden Ebenen wie Werte und (Fach‑)Perspektiven oder auch institutionellen Rahmenbedingungen erfordern, herausfordernd ist. Es ist auch ablesbar, dass bei den Beteiligten, darunter auch Forschende und fördernde Institutionen, bisher wenige Anreize bestehen, sich von dem bestehenden ausdifferenzierten Planungssystem gedanklich zu lösen und über ein ‚Weiter so‘ mit kleinen Verbesserungen hinauszugehen. Insofern gilt es, Fragen des breit gefächerten sozialökologischen Wandels in die Forschungslandschaft wie auch die Planungspraxis zu tragen und Rahmenbedingen zu schaffen, die transformative Prozesse anregen (vgl. auch UBA 2018: 41; Bauriedl/Held/Kropp 2021: 41; Leibenath/Eser/Katz et al. 2021: 148).

Zusammengenommen zeigen die Beiträge des vorliegenden Schwerpunkthefts, dass die praxisorientierte Forschung zu Ökosystemleistungen in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte erzielt hat. Die Herausforderung, Ökosystemleistungen in die Planungspraxis zu integrieren, besteht jedoch nach wie vor. Während sich die Forschungen vor einigen Jahren noch im Wesentlichen auf konzeptionelle Ansätze bezogen, liegen nun zunehmend Erkenntnisse in Bezug auf die praktische Anwendung vor, die konkret zeigen, wie Ökosystemleistungen erfasst, bewertet, kommuniziert und in Planungsverfahren berücksichtigt werden können – wie in den Beiträgen von Albert/Henke/Iwanowski et al. (2022) und Mager/Wagner/Growe (2022) in diesem Heft. Zum jetzigen Zeitpunkt erscheinen Erfassungen und Bewertungen von Ökosystemleistungen insbesondere in solchen Fällen sinnvoll, in denen für die Durchsetzung von Zielen des Natur‑, Ressourcen- und Umweltschutzes zusätzliche Argumente oder neue Betrachtungsweisen notwendig sind. Im Kontext der Klimakrise könnte zum Beispiel der Schutz von Landschaften als Kohlenstoffspeicher unterstützt werden, indem deren Beeinträchtigung durch nichtnachhaltige Landnutzungen, z. B. in Feuchtgebieten, durch die Modellierung der klimarelevanten Ökosystemleistungen unter verschiedenen Landnutzungssystemen aufgezeigt wird, um auch die Folgen des Nichthandelns bzw. die Umweltschadenkosten zu erfassen (Klingenfuß/Klein/Thrum et al. 2019; Schrapp/Garschhammer/Meyer et al. 2020). Für eine Erprobung der Erkenntnisse aus Projektansätzen in der gelebten Planungspraxis ist hinreichend Wissen vorhanden und es sollte in transdisziplinären Ansätzen sukzessive umgesetzt und begleitend evaluiert werden. So hat beispielsweise eine Untersuchung von Auswirkungen der Emscher-Renaturierung auf das Dargebot von Ökosystemleistungen den ganz erheblichen gesellschaftlichen Nutzen verdeutlicht (Gerner/Nafo/Winking et al. 2018).

Darüber hinaus ist ein mainstreaming des Ökosystemleistungsansatzes notwendig, um ihn verbindlicher in Kommunikations‑, Bildungs- und letztendlich Planungsinstrumente überführen zu können. Diese Lücke zwischen Praxis und Operationalisierung wird in mehreren Beiträgen adressiert. Bei zunehmendem Fokus auf regionale und projektbezogene Anwendungen und steigendem förderpolitischem Interesse sollte ebenso frühzeitig über verbindliche Definitionen und Handreichungen für die strategische Planung diskutiert werden, um Begriffe zu schärfen, Ziele verbindlicher zu definieren und Synergien zwischen Akteuransprüchen zu fördern.

Nicht zuletzt haben einige Beiträge gezeigt, dass eine Einbindung des Konzepts der Ökosystemleistungen in die räumliche Planung zwar ein wichtiger Schritt für eine bessere Berücksichtigung von Natur und Landschaft in öffentlichen und privaten Entscheidungsprozessen sein kann. Um eine tatsächlich substanzielle Veränderung in Richtung eines nachhaltigeren Umgangs mit Natur und Landschaft zu erreichen, müssen Initiativen zur stärkeren Berücksichtigung von Ökosystemleistungen jedoch eingebettet werden in profunde Anstrengungen im Sinne eines transformativen Wandels (Díaz/Settele/Brondízio et al. 2019), die unter anderem Werthaltungen und Perspektiven unterschiedlicher Akteure, Rechtsgrundlagen und institutionelle Rahmenbedingungen berücksichtigen und Hebelpunkte zur Veränderung identifizieren und nutzen.


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