Den Nachhaltigen Entwicklungszielen (Sustainable Development Goals (SDG)) der Vereinten Nationen und den daraus abgeleiteten Empfehlungen (z. B. „Flächen sparen: Eine ökologische, ökonomische und soziale Notwendigkeit“ seitens des Beirats für Raumentwicklung 2019: 2) zufolge ist es erklärtes Ziel der Siedlungsentwicklung in Deutschland, die jährliche Flächen(neu)inanspruchnahme auf ein Minimum zu beschränken. Der bedarfsgerechten Bereitstellung kommunaler Wohnbauflächen fällt in diesem Zusammenhang aus zwei Gründen eine zentrale Rolle zu (Hoymann/Goetzke 2018: 677): Erstens macht die Wohnbaufläche mit 41,7 % den größten Teil der Flächennutzung „Siedlung“ aus.1 Zweitens weist die Entwicklung der Flächen für Siedlung und Verkehr mit einem Anstieg des vierjährigen Mittels (2017-2020) auf rund 54 Hektar pro Tag2 eine besonders hohe Dynamik auf.
Bei der Betrachtung der Wohnbauflächenbereitstellung ist grundsätzlich zu unterscheiden zwischen der kommunalen Eigenentwicklung, die den Flächenbedarfen der bereits ortsansässigen Bevölkerung Rechnung trägt, und der Deckung aus Wanderungen resultierender zusätzlicher Wohnbauflächenbedarfe, im Folgenden kurz: Zusatzbedarfe. Während die Eigenbedarfsentwicklung als ein Kernelement der kommunalen Planungshoheit anzusehen ist, ist die Berücksichtigung von Zusatzbedarfen nur den im jeweiligen Regionalplan speziell ausgewiesenen Kommunen (in der Regel Zentrale Orte) vorbehalten. In praxi hat sich diese Trennung aus verschiedenen Gründen allerdings nicht bewährt: So bilden heute zahlreiche Kommunen in ihren Planungen wanderungsbedingte Bevölkerungszuwächse flächenwirksam ab, beispielsweise mit dem Ziel, einer Schrumpfung vorzubeugen, auch wenn sie durch die Regionalplanung dazu nicht explizit legitimiert wurden. In der Folge kommt es vielerorts zu einer Bereitstellung von Wohnbauflächen, die sich weitgehend losgekoppelt von den tatsächlichen regionalen Bedarfen vollzieht und oftmals als nicht nachhaltig zu charakterisieren ist – eine Entwicklung, die im Übrigen durch fehlende interkommunale Abstimmungsgrundlagen zur Abschätzung wanderungsbedingter Wohnbauflächenbedarfe weiter verstärkt wird.
Mit dem Ziel, Zusatzbedarfe in interkommunalen Abstimmungsprozessen besser berücksichtigen zu können, stellt der vorliegende Beitrag einen Ansatz vor, der die mit Wanderungen einhergehenden Veränderungen der Wohnbauflächenbedarfe verschiedener Gemeinden eines Raums miteinander in Beziehung setzt. Konkret stellt er darauf ab, solche Gemeinden zu identifizieren, die über ihre zentralörtliche Funktion hinaus in besonderer Weise geeignet scheinen, Wanderungsgewinne aufzunehmen. Darüber hinaus bietet er über die Berücksichtigung geeigneter Indikatoren eine Grundlage zur szenariengestützten Berechnung von Wohnbauflächenbedarfen.
Der Beitrag ist wie folgt gegliedert: Im nächsten Kapitel wird die gegenwärtige Praxis der Steuerung der Wohnbauflächenentwicklung dargelegt. Anschließend erfolgt eine Auseinandersetzung mit der wanderungsbedingten Siedlungsflächeninanspruchnahme in der aktuellen Praxis der Landes- und Regionalplanung und den damit verbundenen Steuerungsdefiziten (Kapitel 3). Aufbauend aus den daraus gewonnenen Erkenntnissen wird ein Ansatz zur räumlichen Verteilung von erwarteten Wanderungsgewinnen erarbeitet (Kapitel 4), welcher im Anschluss auf die Region Halle-Leipzig angewendet wird (Kapitel 5). Der Beitrag schließt mit einer Einordnung der Ergebnisse sowie einem Ausblick auf weiteren Forschungsbedarf.
Dem Gegenstromprinzip folgend werden in der Planungspraxis auf den verschiedenen Planungsebenen Vorgaben gemacht, aus denen hervorgeht, welche Gemeinden auf die Eigenentwicklung beschränkt sind und welche darüber hinaus für die Aufnahme von Zusatzbedarfen bestimmt sind. In der Regel handelt es sich hierbei – dem in § 2 Abs. 2 Nr. 2 ROG3 festgehaltenen Grundsatz der Raumordnung folgend – um sogenannte Gemeinden mit verstärkter Siedlungsentwicklung, das heißt typischerweise um Orte mittlerer oder höherer Zentralität. Diese Vorgaben werden von den im Regionalplan ausgewiesenen Gemeinden im Rahmen der kommunalen Planungshoheit in der Bauleitplanung umgesetzt, wobei gemäß § 4 BauGB4 Träger öffentlicher Belange (z. B. der Regionale Planungsverband und andere Gemeinden der Region) an der Planung zu beteiligen sind. Die entsprechenden Bauleitpläne beinhalten eine Begründung der Bedarfe.
Planungsregion | Aussagen zu Siedlungsentwicklung/Wanderungen | ||||||||
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Südhessen | Keine Trennung von Eigenentwicklung und Wanderungsgewinnen bei der Bedarfsdarstellung; gemeindekonkrete Obergrenzen der Siedlungsentwicklung; genaue Herleitung bleibt unklar; Obergrenzen für Zeitraum von 18 Jahren (in Summe 4.738 ha) | ||||||||
Mittelhessen | Keine Trennung von Eigenentwicklung und Wanderungsgewinnen bei der Bedarfsdarstellung; Wohnungsbedarf (Wohneinheiten) ÷ Dichtewert (Wohneinheiten/ha) = maximaler Wohnsiedlungsflächenbedarf. (Der Wohnsiedlungsflächenbedarf wird als absolute Zahl in Hektar formuliert. Der Wohnungsbedarf, der in die Rechnung einfließt, ergibt sich aus einer Wohnungsbedarfsprognose.) | ||||||||
Nordhessen | Keine Trennung von Eigenentwicklung und Wanderungsgewinnen bei der Bedarfsdarstellung; gemeindekonkrete Obergrenzen auf der Grundlage einer Wohnungsbedarfsprognose; Werte können um 30 % überschritten werden; Obergrenzen für Zeitraum von 18 Jahren (in Summe 1.950 ha) | ||||||||
Rhein-Neckar | Keine Trennung von Eigenentwicklung und Wanderungsgewinnen bei der Bedarfsdarstellung; gemeindekonkrete Obergrenzen auf der Grundlage einer Bevölkerungsprognose und Annahmen zum Ersatzbedarf; genaue Ermittlung der Bedarfe bleibt unklar; Obergrenzen für Zeitraum von 13 Jahren (in Summe 1.864 ha) | ||||||||
Südlicher Oberrhein | Keine Trennung von Eigenentwicklung und Wanderungsgewinnen bei der Bedarfsdarstellung; als Orientierungswert ein Zuwachsfaktor (einschließlich der Eigenentwicklung) in Höhe von bis zu 0,45 % pro Jahr bezogen auf die Bevölkerungszahl | ||||||||
Stuttgart | Prognostizierter Bedarf ergibt sich zu rund 70 % aus der Eigenentwicklung und 30 % aus dem Zusatzbedarf; aufgrund von Prognosen wird ein gesamter Bedarf für die Planungsregion formuliert; Lokalisationsvorschläge oder Flächenangaben erfolgen nicht; Zeitraum 16 Jahre (erwarteter Zuwachs von 145.000 Wohneinheiten insgesamt) | ||||||||
Nordschwarzwald | Keine Trennung von Eigenentwicklung und Wanderungsgewinnen bei der Bedarfsdarstellung; Bevölkerungsprognose dient auf regionaler Ebene als Orientierungswert; auf kommunaler Ebene werden keine Bedarfe ausgewiesen | ||||||||
Westpfalz | Unterscheidung zwischen Eigenentwicklung und Zusatzbedarf durch unterschiedliche Wachstumsraten; bei Gemeinden mit der Funktion „Wohnen“ wird ein Wert von 3,2 Wohneinheiten pro Jahr und 1.000 Einwohnerinnen und Einwohnern (EW) als ausreichend festgelegt; bei Gemeinden mit Eigenentwicklung bestimmt sich der Wert definitionsgemäß niedriger und wird – normativ setzend – mit 2,0 Wohneinheiten/1.000 EW/Jahr festgelegt | ||||||||
Westerwald | Unterscheidung zwischen Eigenentwicklung und Zusatzbedarf durch unterschiedliche Wachstumsraten; als Kenngrößen für den Bedarfsausgangswert werden folgende Werte in Wohneinheiten pro 1.000 EW und Jahr festgelegt:
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Arnsberg | Keine Trennung von Eigenentwicklung und Wanderungsgewinnen bei der Bedarfsdarstellung; auf der Grundlage natürlicher Bevölkerungsentwicklung und Wanderungen wird ein Bedarf geschätzt und gemeindekonkret verteilt; Obergrenzen für Zeitraum von 18 Jahren (in Summe 847 ha) |
So plausibel die Unterscheidung in Eigen- und Zusatzbedarfe auf den ersten Blick auch erscheinen mag, so problematisch erweist sie sich in der Praxis der Regionalentwicklung – sowohl aus methodischen als auch in der konkreten Umsetzung liegenden Gründen.
Hinsichtlich methodischer Unzulänglichkeiten ist hervorzuheben, dass sich die Ermittlung von Zusatzbedarfen zumeist auf Prognosen stützt, die per se mit Unsicherheiten verbunden sind. Zudem sind diese vielfach nicht oder nur bedingt imstande, die zunehmend komplexeren, kleinräumig vielfach polarisierenden Bevölkerungsentwicklungen (Wolff/Haase/Leibert 2020: 4) adäquat abzubilden. Dies liegt vor allem daran, dass sie aufgrund ihrer Langfristperspektive die sich mitunter sehr kurzfristig verändernden Wanderungstrends nicht abbilden können. Ferner beruhen Bevölkerungsprognosen vielfach auf einer bloßen Fortschreibung bestehender Bevölkerungsentwicklungen, die – da sie unter Umständen nicht im Einklang mit regionalen Planungszielen stehen – entsprechende Gegenreaktionen vonseiten der Planung hervorrufen und sich infolgedessen nie realisieren würden. In der Summe wirft die Dynamik des Wanderungsgeschehens unweigerlich die grundsätzliche Frage auf, inwieweit sich Wanderungen unter Einsatz von Prognosen im Rahmen von Regionalplänen überhaupt adäquat steuern lassen bzw. ob nicht ein flankierendes Verfahren zum Einsatz kommen sollte, das geeignet ist, die dynamischen Prozesse besser abzubilden und eine stärker interkommunale Abstimmung in der jeweiligen Region anzuregen.
– | Kompensation demographischer Schrumpfung: Gerade peripher gelegene, von einer negativen natürlichen Bevölkerungsentwicklung gekennzeichnete Gemeinden weisen oftmals neue Flächen aus, um mithilfe erhoffter Wanderungsgewinne den eigenen Schrumpfungsprozess abmildern zu können oder bestenfalls einen positiven Gesamtsaldo zu generieren (Adrian/Bock/Bunzel et al. 2018: 40). |
– | Priorisierung kommunaler Sonderziele: Siedlungsstrukturelle oder ortsbezogene Zielsetzungen erhalten, bedingt durch die komplexen Akteurstrukturen bei stadtpolitischen Entscheidungen (Ritzinger 2018: 451), Vorrang vor dem Thema „Flächensparen“. |
– | Erhoffte kommunale Zusatzeinnahmen: Schrumpfende Einnahmen und teilweise hohe Schuldenstände der Gemeinde führen vielfach dazu, dass diese mehr Steuern durch neue Einwohnerinnen und Einwohner oder Flächenverkäufe zu generieren suchen (Malburg-Graf 2018: 98). |
Auch weil weder Verteilungs- oder Abstimmungsgrundlagen der regionalen Bedarfe noch geeignete Sanktionsmechanismen existieren, verfügen die Regionalen Planungsverbände in praxi kaum über Möglichkeiten, derartige vom Regionalplan abweichende Vorhaben zu verhindern. Da die mit kommunalen Eigeninteressen in Verbindung stehenden dezentralen Flächenausweisungen vielfach räumlich ungeordnete Überhänge von Wohnbauflächen zur Folge haben, kann nicht weiter verwundern, dass aktuell rund 70 % der Flächenneuinanspruchnahmen außerhalb von verdichteten Regionen, davon wiederum 70 % in Gemeinden ohne zentralörtliche Funktion, erfolgen (Adrian/Bock/Bunzel et al. 2018: 37). Weiterhin ist auch die Fokussierung von Zusatzbedarfen auf Zentrale Orte in der Praxis problematisch, da schon der Begriff des Zentralen Ortes ein breites Spektrum an Gemeinden samt Gemeindeteilen einschließt und das Zentrale-Orte-System raumstrukturelle Aspekte (z. B. transkommunale Zusammenschlüsse) vielfach außer Acht lässt (Terfrüchte/Flex 2018: 2977). So ermöglicht die Zuweisung der zentralörtlichen Funktion den betreffenden Gemeinden, auch solche Gemeindeteile zu entwickeln, die aufgrund ihrer Ausstattung nicht dazu geeignet sind, Wanderungen aufzunehmen (Abweichung vom Kernortprinzip). Die bloße Empfehlung, Wanderungen auf die Zentralen Orte der jeweiligen Planungsregion zu fokussieren, scheint somit nicht geeignet, eine nachhaltige Steuerung von Wohnbauflächenbedarfen sicherzustellen.
Die geforderte Mengensteuerung der Siedlungsentwicklung wird nur in wenigen Planwerken behandelt; diesbezügliche Regelungen basieren zudem auf sehr unterschiedlichen Ansätzen. In der Praxis zeigt sich, dass Kommunen aus unterschiedlichen Gründen von existierenden Ansätzen zur Steuerung der Zusatzbedarfe abweichen und die eigentlich vorgesehene Fokussierung auf Gemeinden mit verstärkter Siedlungsentwicklung kaum stattfindet. Dies lässt die Frage aufkommen, ob es einer stärkeren Regulierung bedarf, die nicht nur geeignete Gemeinden identifiziert und zu entwickeln sucht, sondern auch konkrete Bedarfe formuliert, um den einzelnen Gemeinden feste Entwicklungsperspektiven zu eröffnen. Auch der Fokus der Realisierung von Zusatzbedarfen in Zentralen Orten kann langfristig als nicht zielführend angesehen werden, wenn es darum geht, Wanderungen einer Region sinnvoll zu steuern. Vielmehr ist zu überlegen, wie Wanderungen stärker auf alle geeigneten Gemeinden gelenkt werden können, um den Grundsätzen der Raumplanung (z. B. Fokussierung der Wanderungen auf Kommunen mit ausreichender Infrastruktur) besser gerecht zu werden.
Die genannten Defizite der bisherigen Praxis der regionalen Wohnbauflächensteuerung verdeutlichen, dass die Notwendigkeit besteht, neue Wege zu beschreiten. Ein diesbezüglicher Ansatz sollte die zentralen Bedingungen für ein nachhaltiges Flächenmanagement erfüllen (Hoymann/Goetzke 2018: 679) und kommunikative sowie kooperative Elemente mit aktiver Steuerung kombinieren. Weiterhin sollte er den Grundsätzen der Raumordnung, allen voran den Grundsätzen 1‑4 und 6 nach § 2 Abs. 2 ROG (Sicherung der Daseinsvorsorge, Fokussierung der Siedlungstätigkeit, Sicherung der Erreichbarkeiten durch den öffentlichen Personennahverkehr, nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung und die Verringerung der Flächeninanspruchnahme) in geeigneter Weise Rechnung tragen.
Mit dem Ziel, den identifizierten Defiziten zu begegnen und einen Beitrag zum nachhaltigen Flächenmanagement zu leisten, schlagen wir einen dreistufigen Ansatz vor. Dieser stellt in einem ersten Schritt darauf ab, die aus zu erwartenden kleinräumigen Wanderungen ableitbaren Wohnbauflächenbedarfe in Form von unterschiedlichen Szenarien darzustellen (Kapitel 3.1). In einem zweiten Schritt gilt es, mittels eines Prüforteansatzes solche Kommunen zu identifizieren, die aufgrund ihrer Ausstattungs- und Erreichbarkeitsmerkmale in besonderer Weise geeignet scheinen, zusätzliche Wohnbauflächenbedarfe aufnehmen zu können (Kapitel 3.2). In einem dritten Schritt werden die ermittelten Wohnbauflächenbedarfe mithilfe verschiedener Indikatoren den identifizierten Prüforten zugeordnet (Kapitel 3.3).
Ziel des ersten Schrittes ist es, das Zuwanderungspotenzial in die betreffende Planungsregion zu ermitteln – vorzugsweise mithilfe einer szenarienbasierten Herangehensweise. Als Ergebnis sollen demographische Kenngrößen der Bevölkerung gewonnen werden, die der weiteren Bedarfsabschätzung als Berechnungsgrundlagen dienen.
Zur Abschätzung des Wanderungspotenzials können unter anderem regionalisierte Bevölkerungsvorausberechnungen dienen, die von den statistischen Landesämtern auf Kreisebene, teilweise auch auf Gemeindeebene bereitgestellt werden. Bestenfalls kann auch auf einen Demographiemonitor auf Ortsteilebene zurückgegriffen werden. Da Bevölkerungsvorausberechnungen stets mit Unsicherheiten verbunden sind, scheint es grundsätzlich zielführend, zwischen unterschiedlichen Szenarien zu differenzieren. Sofern die Verhältnisse vor Ort es zulassen, empfiehlt es sich, regionale Akteure in einen moderierten Austausch (z. B. Planungsverbände, Wohnungsunternehmen, Kommunen) über diese Entwicklungsszenarien einzubeziehen. Das Ziel eines solchen Austausches sollte es sein, die auf Grundlage der prognostizierten Wanderungen zu erwartenden Wohnbauflächenbedarfe für die Region über einen festgelegten Zeithorizont gemeinsam abzuleiten. Weiterhin kann er dazu beitragen, regionale Kooperationen bzw. Stadt-Land-Partnerschaften zu stärken, wie es in § 2 Abs. 2 Nr. 2 ROG gefordert wird. Als Beispiele für Regionen, die gemäß § 204 BauGB eine gemeinsame Flächennutzungsplanung verfolgen, können die Städteregion Ruhr sowie der Ballungsraum Frankfurt/Rhein-Main genannt werden. Weiterhin wird empfohlen, die Bedarfsgrößen regelmäßig zu evaluieren, um mögliche Abweichungen (Veränderung der Wanderungstrends) frühzeitig erkennen und gegebenenfalls entsprechende Anpassungen vornehmen zu können.
Der zweite Schritt hat zum Ziel, raumstrukturelle Besonderheiten zu identifizieren, die im Rahmen der Wohnbauflächenplanung zu berücksichtigen sind. Zu diesem Zweck werden mit einem Prüforteansatz solche Gemeindeteile (Siedlungs- und Versorgungskerne) ermittelt, die für die Aufnahme von Zusatzbedarfen in Frage kommen. Weiterhin wird ein Vorschlag zur Abgrenzung regionaler Raumtypen unterbreitet, um raumstrukturelle Unterschiede berücksichtigen zu können. Am Ende steht die Einteilung von Prüforten und Raumtypen, die die Berücksichtigung der raumstrukturellen Besonderheiten im Zusammenhang mit der Steuerung der Wohnbauflächenbedarfe gewährleistet.
3.2.1 Prüforteansatz
Mit der Implementierung eines Prüforteansatzes greift das Modell den Grundsatz aus § 2 Abs. 2 Nr. 2 ROG auf, demzufolge „die Siedlungstätigkeit […] räumlich zu konzentrieren, […] [und] vorrangig auf vorhandene Siedlungen mit ausreichender Infrastruktur und auf Zentrale Orte auszurichten“ ist. Konkret berücksichtigt der Ansatz dazu nicht nur zentralörtliche Funktionen, sondern bewertet darüber hinaus alle Versorgungs- und Siedlungskerne der Region mittels eines einheitlichen additiven Indexes, der die Prüfkriterien Bevölkerung, Erreichbarkeit und Ausstattungsmerkmale über verschiedene Indikatoren abbildet (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 ROG). Dazu werden für alle berücksichtigten Indikatoren Schwellenwerte (z. B. die vorhandenen Bildungseinrichtungen gestaffelt nach deren Anzahl) formuliert (vgl. Latcheva/Davidov 2014: 745), für deren konkrete Ausprägung spezifische Punktewerte erzielt werden können. Anschließend werden die Punkte der einzelnen Indikatoren, je nach erreichtem Schwellenwert, für jede Kommune aufsummiert. Grundsätzlich sind die verwendeten Schwellenwerte zur Bewertung der Indikatoren individuell an die raumstrukturellen Bedingungen der jeweiligen Region anzupassen. Damit der Ansatz einheitliche Ergebnisse produziert und keine Anfälligkeit für Beeinflussungen aufweist, bedarf es zu Beginn einer klaren Gewichtung der Indikatoren, die von den Akteuren mitgetragen wird. Als wesentliche Prüfkriterien sind dabei die Erreichbarkeit und die Ausstattungsmerkmale möglichst gleichberechtigt zu gewichten. Die Prüfkriterien Bevölkerung und zentralörtliche Funktion sind den beiden anderen Kriterien in ihrer Gewichtung unterzuordnen. In Kapitel 4.3 wird am Beispiel der Region Halle-Leipzig demonstriert, wie dieser Index konkret ausgestaltet werden kann.
– | Prüforte der Stufe 1: Diese Orte sind aufgrund ihrer Erreichbarkeit und Ausstattung für die Wahrnehmung von Entwicklungsfunktionen im Bereich Wohnen in der Region in besonderer Weise geeignet. |
– | Prüforte der Stufe 2: Diesen Orten kommt im Falle starker Wanderungsgewinne eine ergänzende Entwicklungsfunktion für die Prüforte erster Stufe zu. |
– | Prüforte der Stufe 3: Hierbei handelt es sich um solche Kernorte, die sich hinsichtlich der Mehrzahl ihrer Ortsteile durch eine bessere Ausstattung und/oder Erreichbarkeit auszeichnen und damit eine Stabilisierungs‑/Ergänzungsfunktion in ländlichen Räumen wahrnehmen können. |
– | Eigenentwicklungskommunen: Diesen Orten kommt keine Bedeutung bei der Aufnahme von Wanderungen zu, weshalb sie auf die Eigenentwicklung zu beschränken sind. |
In der Summe ermöglicht der vorgestellte Index über die Einteilung in Prüfortstufen insoweit eine Ergänzung des Zentrale-Orte-Systems, als er die in Kapitel 2.2 angesprochenen Defizite des Systems adressiert. Auf diese Weise wird eine vom Zentrale-Orte-System losgelöste Steuerung ermöglicht, um besonders in Wachstumsregionen solche Gemeinden zu identifizieren, die im Hinblick auf die Wohnraumversorgung besonders geeignet erscheinen. Weiterhin wird über den Fokus auf Siedlungs- und Versorgungskerne einer dispersen Flächennutzung vorgebeugt. Im Ergebnis können die Prüforte in den jeweiligen Regionalplänen als Zielräume für eine verstärkte Siedlungsentwicklung durch Wanderungen festgesetzt werden. Die Relevanz des Zentrale-Orte-Systems in Bezug auf die Gewährleistung der Daseinsvorsorge bleibt von diesen Überlegungen unberührt.
3.2.2 Abgrenzung von Raumtypen
Um der Heterogenität der Teilräume (§ 2 Abs. 2. Nr. 1 ROG) Rechnung zu tragen, wird – sofern nicht bereits durch die Regionalplanung erfolgt5 – vorgeschlagen, eine raumstrukturelle Abgrenzung der Gemeinden vorzunehmen. Konkret gilt es, diese in Abhängigkeit von ihrer geographischen Lage zum Oberzentrum, ihrer zentralörtlichen Funktion, dem Nahwanderungsgewinn aus dem Oberzentrum, der mit dem Oberzentrum bestehenden Pendlerverflechtungen und der kommunalen Arbeitsplatzdichte in möglichst homogenen Raumtypen (z. B. hinsichtlich Baudichten oder Einfamilienhausquoten) zusammenzufassen. Denkbar ist beispielsweise eine Unterscheidung in die vier Raumtypen Oberzentren, Verflechtungsraum, Mittelzentraler Ring und Weiteres Umland (Interko2 2022: 29). Die Einteilung derartiger Raumtypen erfolgt dabei unabhängig von den zuvor ermittelten Prüforten. Mit anderen Worten kann jeder Raumtyp auch Prüforte jeder der oben genannten Stufen enthalten. Auf dieser Grundlage wird es möglich, die zu erwartende Zuwanderung und deren Auswirkungen unter Berücksichtigung der jeweils vorherrschenden raumstrukturellen Gegebenheiten (z. B. Haushaltsgröße, Anzahl von Ein‑, Zwei- und Mehrfamilienhäusern, Flächenbedarf) berechnen zu können.
Ziel des dritten Schritts ist es, die in Kapitel 3.1 ermittelten Anteile der zu erwartenden Zuwanderung unter Berücksichtigung der im vorangehenden Kapitel beschriebenen Raumtypen zuzuordnen und mithilfe von geeigneten Indikatoren in einen Wohneinheitenbedarf für die Segmente der Ein‑/Zweifamilienhäuser sowie Mehrfamilienhäuser zu übersetzen. Abschließend wird der Flächenbedarf für die Umsetzung des ermittelten Wohneinheitenbedarfs ermittelt und den kommunalen Potenzialflächen gegenübergestellt. Im Ergebnis kann so der genaue Zusatzbedarf je Prüfort beziffert werden.
3.3.1 Rechnerischer Anteil der Prüforte an den Wanderungsgewinnen
Zunächst wird der rechnerische Anteil der jeweiligen Prüforte an der erwarteten Zuwanderung im betreffenden Raumtyp bestimmt. Die Grundlage der Berechnung bilden die zu erwartenden Wanderungsgewinne je Raumtyp. Mit dem Raumtyp Verflechtungsraum (angrenzend an das jeweilige Oberzentrum) beginnend, werden die zu erwartenden Einwohnerzahlen (je Szenario) für die Gemeinden der Prüforte der Stufe 1 berechnet, wobei sich deren genaue Höhe an der aktuellen Bevölkerungsverteilung orientiert. Mit anderen Worten würden einem Ort, der über 50 % der EW an allen Prüforten der Stufe 1 verfügt, auch 50 % der erwarteten Wanderungsgewinne zugeordnet werden. Analog wird im Falle der anderen Raumtypen und den dort lokalisierten Prüforten der Stufe 1 vorgegangen, sodass sich auf diese Weise die pro Raumtyp erwartete Zuwanderung ermitteln lässt.
3.3.2 Korrektur aufgrund wirtschaftlich endogener Potenziale
Indikator | Berechnung/Benchmark | Quelle |
---|---|---|
Arbeitsplätze je 1.000 EW | Benchmark über Quartilsbildung | Statistisches Landesamt, Bundesagentur für Arbeit, eigene Berechnung |
Einpendlerinnen/Einpendler je 1.000 EW | Statistisches Landesamt, Bundesagentur für Arbeit, eigene Berechnung | |
Arbeitsplatzentwicklung der letzten fünf Jahre | Statistisches Landesamt, Bundesagentur für Arbeit, eigene Berechnung | |
Breitbandversorgung (Anteil der Haushalte mit mindestens 100 Mbit/s) | Breitbandatlas, eigene Berechnung |
Kenngröße | Berechnung/Ermittlung | Quelle |
---|---|---|
Einwohnerinnen und Einwohner im Kernort der Prüforte | Absolute Zahl | Statistisches Landesamt |
Rechnerische Haushaltsgröße | Statistisches Landesamt, eigene Berechnung | |
Verteilung Ein‑/Zweifamilienhäuser und Mehrfamilienhäuser (aktuelle Baufertigstellungen) | Statistisches Landesamt |
Für die Aufteilung der Wohnbauflächenbedarfe in Ein‑/Zweifamilienhäuser und Mehrfamilienhäuser werden Angaben über die prozentuale Verteilung beider Segmente benötigt. Hierzu bietet sich beispielsweise ein Rückgriff auf Daten der Baufertigstellungen der letzten fünf Jahre an. Alternativ kann auch die Struktur des Wohnungsbestandes betrachtet werden. Mithilfe der auf dieser Basis ermittelten prozentualen Verteilungen von Ein‑/Zweifamilienhäusern und Mehrfamilienhäusern werden dann die zu erwartenden Wanderungsgewinne je Prüfort in die beiden Segmente eingeteilt, sodass sich die zu erwartenden Einwohnerinnen und Einwohner im Ergebnis pro Haussegment darstellen lassen.
Die rechnerische Haushaltsgröße ergibt sich getrennt nach Segment durch Division der Zahl der aktuellen Einwohnerinnen und Einwohner der Gemeinde durch die Zahl ihrer Haushalte. Um die tatsächlich benötigten Wohneinheiten nach Segment (Ein‑/Zweifamilienhäuser und Mehrfamilienhäuser) bestimmen zu können, wird die zu erwartende Zahl der zuwandernden Einwohnerinnen und Einwohner je Haussegment durch die rechnerische Haushaltsgröße dividiert.
Um kein übermäßiges Wohnbauflächenangebot zu schaffen und damit zu einer Verringerung der Flächen(neu)inanspruchnahme (§ 2 Abs. 2 Nr. 6 ROG) beizutragen, wird abschließend die Flächenverfügbarkeit in der Region betrachtet. Dabei gilt es, die benötigten Flächen um die bereits vorhandenen Wohnbauflächen zu korrigieren. Dabei sollten nur solche Flächen in die Betrachtung einbezogen werden, die für eine Wohnbebauung grundsätzlich geeignet erscheinen. Als Kriterien für die Identifikation potenzieller Wohnbauflächen sind der Raumwiderstand, der Bauwiderstand und die Erreichbarkeit verschiedener Infrastrukturen zu nennen. Als Ansätze zur Ermittlung eignen sich beispielsweise die Methodik der Regionalen Planungsgemeinschaft Anhalt-Bitterfeld-Wittenberg (2019: 13) oder die des Forschungsprojektes StadtLandNavi (SLN 2021: 4).
Grundsätzlich wird vorgeschlagen, den Raumwiderstand auf der Basis raumplanerischer (z. B. Vorranggebiete für Landwirtschaft, Wald oder Rohstoffe) und naturschutzrechtlicher (z. B. Landschaftsschutzgebiete, FFH-Gebiete oder Natura-2000-Gebiete) Restriktionen zu erfassen. Bauwiderstände wiederum sind beispielsweise auf topographische und geologische Gegebenheiten zurückzuführen. Im Sinne einer kompakten Siedlungsstruktur und dem Anbindegebot sollte weiterhin eine Erreichbarkeit der Flächen mit dem öffentlichen Personennahverkehr gewährleistet sein. Zur Bewertung und Abwägung der Kriterien bietet das Projekt StadLandNavi eine geeignete Bewertungsmatrix (SLN 2021: 6).
Mittels des vorgeschlagenen Flächenabgleiches wird sichergestellt, dass die Gemeinden sich nur im Rahmen ihrer Flächenpotenziale entwickeln. Weiterhin gilt es, die natürliche Bevölkerungsentwicklung zu berücksichtigen; sollten doch im Zusammenhang mit dem Neubau bzw. der Neuausweisung von Wohnbauflächen im Falle einer negativen natürlichen Entwicklung (voraussichtlich) freiwerdende Wohnflächen in die Analyse mit einfließen.
Mithilfe des vorgeschlagenen Ansatzes wird sichergestellt, dass nur tatsächlich zusätzlich benötigte Flächen in Anspruch genommen werden. Insgesamt wird auf diese Weise eine Steuerung der Wanderungsgewinne unter raumordnerischen Gesichtspunkten sichergestellt. Über eine regelmäßige Aktualisierung der Daten und Annahmen im Turnus von zwei bis drei Jahren können sich verändernde Wanderungstrends berücksichtigt werden. Weiterhin werden so bisher teils aufwendige Darstellungen von Kommunen für Einzelvorhaben vereinfacht, da sowohl die Gemeinden als auch die Regionalplanung auf eine gemeinsame Grundlage zurückgreifen können, um die Bedarfe, die aus der regionalen Zuwanderung erwachsen, nachzuvollziehen und gegebenenfalls gegenüber weiteren Trägern öffentlicher Belange zu rechtfertigen. Die abgestimmten Bedarfe bzw. die Vorgehensweise zur Ermittlung derselben sowie die Notwendigkeit regionalplanerischer Abstimmungsprozesse können im Ergebnis Eingang in die jeweiligen Regionalpläne, z. B. als Mengensteuerung samt entsprechender Zielformulierung, finden oder aber etwa im Rahmen einer gemeinsamen Flächennutzungsplanung nach § 204 BauGB Verbindlichkeit erhalten. Damit verbunden wäre der Vorteil, dass die Mengen, die das Modell am Ende formuliert, weniger in Zweifel gezogen werden, weil sie nicht „von oben“ oktroyiert werden, sondern konsensual festgelegt wurden. Auch ließen sich, da die Kommunen den Prozess gemeinsam gestalten, auf diese Weise zentrale Ziele einiger Regionalpläne, wie die Unterteilung von Gemeinden in Eigenentwicklungskommunen und Gemeinden mit verstärkter Siedlungsentwicklung, einfacher realisieren.
Mit dem Ziel, den oben beschriebenen Ansatz an einem konkreten Beispiel zu illustrieren, werden die oben genannten Überlegungen im Folgenden auf die Region Halle-Leipzig angewandt. Diese setzt sich zusammen aus den beiden kreisfreien Oberzentren Halle (Saale) und Leipzig sowie den angrenzenden Landkreisen Leipzig, Nordsachsen und Saalekreis. Zuletzt war sie von einer dynamischen, räumlich ungleichen Bevölkerungsentwicklung geprägt: So verzeichnet Leipzig seit dem Jahr 2011 ein dynamisches Wachstum und zählt aktuell (2020) mit einem Wanderungssaldo pro 1.000 EW in Höhe von 7,78 (Wolff/Leibert/Haase et al. 2022) deutschlandweit zu den „klaren Wanderungsgewinnern“ (Wolff/Leibert/Haase et al. 2022). Die Stadt Halle (Saale) wies bis 2014 eine weitgehend stabile Bevölkerungszahl auf und hat seit 2014 ein leichtes Wachstum infolge von Wanderungsgewinnen erfahren.6 Mit einem Wanderungssaldo von 0,6 pro 1.000 EW wies Halle 2020 die geringste Zuwanderung in der Gesamtregion auf.7 Die angrenzenden Landkreise verzeichneten nach einer kurzen Phase der Suburbanisierung spätestens seit der Jahrtausendwende negative Wanderungssalden. Ähnlich wie Halle (Saale) sind sie seit 2014 durch Wanderungsgewinne gekennzeichnet.8 Bezogen auf die Zahl der Einwohnerinnen und Einwohner profitieren die Landkreise seitdem vom Wachstum und der starken Anziehungskraft Leipzigs.9 Für die Stadt Leipzig sowie die Landkreise Nordsachsen und Leipzig liegt eine vom Statistischen Landesamt Sachsen erstellte Bevölkerungsprognose vor (Basisjahr 2014; aktualisiert 2019; vgl. Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen 2016: 9). Diese unterscheidet zwei mögliche Varianten – starkes und moderates Wachstum der Bevölkerung. 2020 reichte der tatsächliche Bevölkerungsstand für die Stadt Leipzig ebenso wie für die Landkreise Leipzig und Nordsachsen näher an die das starke Wachstum prognostizierenden Variante heran – mit differenzierten Ergebnissen für die einzelnen Gemeinden. In Sachsen-Anhalt erreichte die Stadt Halle (Saale) nicht die prognostizierte Bevölkerungszahl für 2020, während der Saalekreis sie übertraf und somit weniger stark schrumpfte als erwartet.10
Unter Berücksichtigung der natürlichen Bevölkerungsentwicklung zeigt sich ein differenziertes Bild: Im Saalekreis übersteigt der Sterbeüberschuss den Wanderungssaldo zwischen den Jahren 2015 und 2020, jeweils bezogen auf 1.000 EW.11 Für die beiden Landkreise Leipzig und Nordsachsen ergibt sich ein leicht positiver Gesamtsaldo, der knapp den Sterbeüberschuss pro 1.000 Einwohnerinnen und Einwohner zu kompensieren vermag.
Ein Blick in die einzelnen Gemeinden der Landkreise verdeutlicht jedoch, dass der positive Wanderungssaldo der gesamten Region nicht von allen Gemeinden gleichermaßen gespeist wird. Von den 80 Gemeinden in den Landkreisen Leipzig, Nordsachsen und im Saalekreis verzeichneten 31 im Jahr 2020 einen höheren Wanderungssaldo pro 1.000 EW als Leipzig (das heißt über 7,78).12 16 Gemeinden wiederum weisen einen negativen Wanderungssaldo aus. Zudem überwiegt auf kommunaler Ebene die negative natürliche Bevölkerungsentwicklung. In nur drei Gemeinden übersteigt die Zahl der Geburten die der Gestorbenen im Zeitraum zwischen 2015 und 2020.13 Insgesamt 52 – knapp zwei Drittel aller Gemeinden – verzeichneten somit zwischen 2015 und 2020 eine rückläufige Bevölkerungsentwicklung. Künftig wird die Bevölkerungsentwicklung ceteris paribus wohl vor allem vom im bundesweiten Vergleich hohen Altersdurchschnitt beeinflusst werden, der einen Großteil der Gemeinden prägt.14
Die die Landkreise in den letzten Jahren kennzeichnende Bautätigkeit lässt darauf schließen, dass die Flächenneuinanspruchnahme und die Bevölkerungsentwicklung oftmals nicht korrelieren (Braunschweig/Dunkl/Leibert et al. 2020: 103). So lässt sich vor allem in peripheren Gemeinden ein Ausmaß der Bautätigkeit nachweisen, das sich nicht mit der tatsächlichen Bevölkerungsentwicklung erklären lässt. Punktuell zeigen sich jedoch auch Kommunen, die eine höhere Nachfrage an Wohnbauflächen erfahren, als auf den bislang ausgewiesenen Wohnbauflächen realisierbar ist. Diese kleinräumige Differenzierung von Wachstum und Schrumpfung in der Region Halle-Leipzig verstärkt dabei den zunehmenden interkommunalen Wettbewerb um Einwohnerinnen und Einwohner, was im ungünstigen Fall ein unkontrolliertes Flächenwachstum in der Gesamtregion zur Folge haben könnte.
In Absprache mit den Gemeinden wurden auf der regionalen Ebene Entwicklungsszenarien festgelegt, welche für die erwartete Bevölkerungsentwicklung bis 2030 als realistisch erachtet wurden. Die Grundlage dieser Überlegungen bildeten die 7. Regionalisierte Bevölkerungsvorausberechnung für den Freistaat Sachsen 2019 bis 2035 (Statistisches Landesamt des Freistaats Sachsen 2020) sowie die 7. Regionalisierte Bevölkerungsprognose Sachsen-Anhalt 2019-2035 (Statistisches Landesamt Sachsen-Anhalt 2021). Die amtlichen Prognosen für die Untersuchungsregion, welche das Jahr 2019 zur Basis haben, unterstellen der Region bis 2030 einen Wanderungsgewinn von rund 80.000 Einwohnerinnen und Einwohnern, von denen etwa 65.000 auf die Stadt Leipzig entfallen (Statistisches Landesamt des Freistaats Sachsen 2020: 26; Statistisches Landesamt Sachsen-Anhalt 2021: 72). Unter Berücksichtigung dieser Prognosen wurden für jeden Raumtyp jeweils bis 2030 vier Szenarien der Bevölkerungsentwicklung erstellt.15
In anschließenden Szenarienworkshops in den Landkreisen Leipzig, Nordsachsen und im Saalekreis wurden aktuelle und langfristige Trends in der Region und Entwicklungsrichtungen dargestellt und diskutiert. 37 der 80 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister aus der Region stimmten in dem Zusammenhang darüber ab, welche Entwicklungsszenarien sie für realistisch erachten. Das Ergebnis zeigt, dass die regionalen Akteure für die Gesamtregionen in den nächsten Jahren (bis 2030) von einem moderaten bis starken Bevölkerungswachstum ausgehen.
Der Zusatzbedarf an Wohneinheiten in der Region Halle-Leipzig wird nachfolgend für das Szenario ermittelt, welches insgesamt von einer Zuwanderung von rund 60.000 Personen16 bis 2030 ausgeht („starkes Wachstum“). Unter Berücksichtigung der Vorausberechnungen sowie von Konsultationen mit lokalen Expertinnen und Experten (Interko2 2022: 7, 47) wird dabei davon ausgegangen, dass der Großteil des Bevölkerungszuwachses auf die Stadt Leipzig entfallen wird. Dafür wurden unterschiedliche Grundannahmen zur Berechnung genutzt (vgl. Kapitel 3.2), welche für die regionalen Gruppen separat gebildet werden und auf Daten der Statistischen Landesämter Sachsen und Sachsen-Anhalt basieren.
4.3.1 Grundannahmen für die Region Halle-Leipzig
Prüfkriterium/Beschreibung | Punkte | |
---|---|---|
Bevölkerung | Einwohnerinnen und Einwohner im Kernort | |
> 3.000 Einwohnerinnen/Einwohner | 5 Punkte | |
1.501 bis 3.000 Einwohnerinnen/Einwohner | 3 Punkte | |
1.000 bis 1.500 Einwohnerinnen/Einwohner | 1 Punkt | |
Erreichbarkeit | Anschluss an den Schienenpersonennahverkehr | |
vorhanden | 1 Punkt | |
Fahrtdauer ÖPNV | ||
Fahrzeiten mit S‑/Regionalbahn/Plus-Bus < 30 min | 5 Punkte | |
Fahrzeiten mit S‑/Regionalbahn 30 bis < 45 min | 3 Punkte | |
Fahrzeiten mit S‑/Regionalbahn/Plus-Bus 45 bis < 60min | 1 Punkt | |
Fahrtdauer motorisierter Individualverkehr | ||
Fahrzeit < 20 min | 3 Punkte | |
Fahrzeit 21 - 30 min | 1 Punkt | |
Fahrzeit 31 - 45 min | 0,5 Punkt | |
Fahrtenhäufigkeit ÖPNV | ||
mehr als 2 Fahrten pro Stunde | 3 Punkte | |
2 Fahrten pro Stunde | 1 Punkt | |
1 Fahrt pro Stunde | 0,5 Punkt | |
Ausstattung | Bildungsinfrastruktur | |
mindestens 1 Grundschule; mindestens 1 weiterführende Schule; mindestens 1 Kita | 3 Punkte | |
mindestens 1 Schule (Grundschule, weiterführende Schule); mindestens 1 Kita | 1 Punkt | |
Nahversorgung | ||
mindestens 1 Supermarkt/Discounter > 800 m2 Verkaufsfläche, mindestens 1 Supermarkt/Discounter 400-800 m2 Verkaufsfläche; mindestens 1 Supermarkt/Discounter > 2.000 m2 Verkaufsfläche | 3 Punkte | |
mindestens 2 Supermarkt/Discounter > 800 m2 Verkaufsfläche; Supermarkt/Discounter 400-800 m2 Verkaufsfläche; Supermarkt/Discounter > 2.000 m2 Verkaufsfläche | 1 Punkt | |
Medizinische Versorgung | ||
≥ 5 Hausärztinnen/Hausärzte und 3 Einrichtungen (Zahnärztin/Zahnarzt; Apotheke; Pflegeheim) | 4 Punkte | |
2‑4 Hausärztinnen/Hausärzte und 3 Einrichtungen (Apotheke; Pflegeheim) | 3 Punkte | |
2‑4 Hausärztinnen/Hausärzte und 1‑2 Einrichtungen (Apotheke; Pflegeheim) | 2 Punkte | |
1 Hausärztin/Hausarzt und mindestens 1 Einrichtung (Apotheke; Pflegeheim) | 1 Punkt | |
Funktion | Zentralörtliche Funktion | |
Mittelzentrum | 3 Punkte | |
Grundzentrum | 2 Punkte | |
Teil eines grundzentralen Verbundes | 1 Punkt |
– | Verflechtungsraum: Gemeinden dieser Kategorie sind geprägt durch eine positive Bevölkerungsentwicklung, einem Nahwanderungsgewinn gegenüber dem Oberzentrum und ihre räumliche (angrenzende) Nähe zum Oberzentrum, die sich auf ihre Wohnstandortfunktion auswirkt. |
– | Mittelzentraler Ring: In der Region findet sich ein „Ring“ aus Mittelzentren, die aufgrund ihrer Größe und Struktur wichtige Versorgungsfunktionen für ihr Umland wahrnehmen und über Verbindungen zum Oberzentrum verfügen, die Kriterien für den Verflechtungsraum jedoch nicht vollständig erfüllen. |
– | Weiteres Umland: Die Gruppe umfasst Gemeinden, die nicht alle Kriterien des Verflechtungsraumes erfüllen bzw. Mittelzentren, die außerhalb des Ringes liegen und dementsprechend keine signifikante Verbindung zum Oberzentrum aufweisen. |
Verteilung des Zuzugs nach Wohnformen | (Bau‑)Dichte | |||||
---|---|---|---|---|---|---|
Flächensparend | Umsetzungsorientiert (Basis: Struktur der Baufertigstellungen) | Flächensparend | Umsetzungsorientiert | |||
Ein- und Zweifamilienhäuser | Mehrfamilienhäuser | Ein- und Zweifamilienhäuser | Mehrfamilienhäuser | |||
Verflechtungsraum | 50 % | 50 % | 85 % | 15 % | Ein- und Zweifamilienhäuser | |
500 m2/Wohneinheit | 667 m2/Wohneinheit | |||||
Mehrfamilienhäuser | ||||||
200 m2/Wohneinheit | 250 m2/Wohneinheit | |||||
Mittelzentrum | 30 % | 70 % | 60 % | 40 % | Ein- und Zweifamilienhäuser | |
320 m2/Wohneinheit | 400 m2/Wohneinheit | |||||
Mehrfamilienhäuser | ||||||
167 m2/Wohneinheit | 222 m2/Wohneinheit | |||||
Weiteres Umland | 55 % | 45 % | 90 % | 10 % | Ein- und Zweifamilienhäuser | |
667 m2/Wohneinheit | 1.000 m2/Wohneinheit | |||||
Mehrfamilienhäuser | ||||||
250 m2/Wohneinheit | 286 m2/Wohneinheit |
4.3.2 Rechnerischer Anteil der Prüforte an den Wanderungsgewinnen der Region Halle-Leipzig
Die Berechnung der Zusatzbedarfe folgt den Raumtypen – vom Verflechtungsraum über den Mittelzentralen Ring bis zum Weiteren Umland – und innerhalb derselben den verschiedenen Prüfortstufen (vgl. Abbildung 2).
Die nachfolgende rechnerische Verteilung beginnt im Verflechtungsraum bei den Prüforten der Stufe 1. Im Rahmen der Prüfortebewertung konnten 13 Gemeinden aus dem Verflechtungsraum dieser Stufe zugeordnet werden. Auf diese Gemeinden wurde zunächst der für den Verflechtungsraum ermittelte Zusatzbedarf von rund 10.000 Einwohnerinnen und Einwohnern rechnerisch verteilt. Die Verteilung richtete sich dabei nach dem Anteil der Bevölkerung im Kernort des jeweiligen Prüfortes erster Stufe an der Gesamtbevölkerung des jeweiligen Raumtyps.
Gemeinde | Einwohnerinnen und Einwohner (2020) | Anteil am Raumtyp | Resultierender Wohnungsbedarf | Korrigierter Wohnungsbedarf | ||
---|---|---|---|---|---|---|
Ein- und Zweifamilienhäuser | Mehrfamilienhäuser | Ein- und Zweifamilienhäuser | Mehrfamilienhäuser | |||
Böhlen | 5.036 | 5,8 % | 166 | 50 | 169 | 51 |
Borsdorf | 3.927 | 4,6 % | 129 | 39 | 122 | 37 |
Brandis | 3.213 | 3,7 % | 106 | 32 | 77 | 23 |
Großpösna | 3587 | 4,2 % | 118 | 36 | 103 | 31 |
Markkleeberg | 22.980 | 26,7 % | 756 | 229 | 826 | 250 |
Markranstädt | 8.832 | 10,2 % | 290 | 88 | 275 | 83 |
Naunhof | 5.297 | 6,1 % | 174 | 53 | 140 | 42 |
Pegau | 4.008 | 4,7 % | 132 | 40 | 96 | 29 |
Schkeuditz | 12.467 | 14,5 % | 410 | 124 | 537 | 163 |
Taucha | 8.154 | 9,5 % | 268 | 81 | 234 | 71 |
Landsberg | 2.106 | 2,4 % | 69 | 21 | 71 | 21 |
Schkopau | 2.753 | 3,2 % | 91 | 27 | 92 | 28 |
Teutschenthal | 3.821 | 4,4 % | 126 | 38 | 92 | 28 |
4.3.3 Flächenverfügbarkeiten und nächste Schritte
Um den Flächenbedarf zu ermitteln, wird die Zahl der Wohneinheiten in Ein- und Zweifamilienhäusern sowie in Mehrfamilienhäusern mit den angesetzten Dichtewerten (flächensparend oder umsetzungsorientiert) multipliziert. Bei einer umsetzungsorientierten Verteilung (aktuelle Baufertigstellungen) würde bis 2030 theoretisch eine Gesamtfläche zur Aufnahme der zu erwartenden Wanderungsgewinne von rund 210 ha benötigt. Erfolgt die Verteilung anhand flächensparender Dichtewerte, läge dieser Wert bei rund 140 ha.
Der nächste Schritt wäre nun, die so errechneten Flächenbedarfe den Flächenverfügbarkeiten in den Gemeinden gegenüberzustellen. Sollten die Verfügbarkeiten in der Summe nicht ausreichen, um die Bedarfe zu decken und alle Einwohnerinnen und Einwohner, die im Rahmen des Zusatzbedarfes erwartet werden, unterzubringen, wird die jeweilige Zahl an Einwohnerinnen und Einwohnern anhand derselben Vorgehensweise rechnerisch auf die Prüforte der Stufe 2 bzw. der Stufe 3 im Verflechtungsraum verteilt. Anschließend erfolgt die Berechnung der erwarteten Wanderungsgewinne samt dem gegebenenfalls vorhandenen Übertrag für den Mittelzentralen Ring bzw. für das Weitere Umland. Auch ist ein Übertrag aus den Oberzentren möglich, falls diese den benötigten Wohnraum nicht in voller Höhe zur Verfügung stellen können. Ebenfalls können die Zahlen dynamisch angepasst werden, wenn unvorhersehbare Ereignisse eine Veränderung der Wanderungsdynamik nahelegen. Insgesamt können auf diese Weise klare Bedarfe je Prüfort ermittelt werden, welche der weiteren regionalen Abstimmung bei der Wohnbauflächenausweisung als Grundlage dienen können.
Die aktuellen Regelungen zur Aufnahme von Wanderungsgewinnen auf den Ebenen der Landes- und Regionalplanungen bieten weder formell noch informell eine verlässliche Handhabung, eine ungeordnete Flächeninanspruchnahme sinnvoll einzudämmen. Weil Eigen- und Zusatzbedarfe vielfach nicht hinreichend definiert werden, es an Anreizen zur interkommunalen Abstimmung mangelt und Sanktionsmöglichkeiten im Falle eines Abweichens selten Anwendung finden, kommt es in praxi vielfach zu einer ungeregelten und damit vielfach nicht nachhaltigen regionalen Wohnbauflächenentwicklung, die vor allem individuellen kommunalen Belangen geschuldet ist. Gerade auch in Anbetracht der sich abzeichnenden demographischen Entwicklung scheint es dringend geboten, dass die Landes- und Regionalplanung steuernd eingreift, um die Flächen(neu)inanspruchnahme auf ein verträgliches Maß zu senken und langfristig eine flächendeckende Daseinsvorsorge zu gewährleisten. Konkret gilt es in diesem Zusammenhang, die sich aus Wanderungen ergebenden Flächenbedarfe nachvollziehbar zu ermitteln und deren Ausmaß im regionalen Austausch regelmäßig zu evaluieren, um im Interesse der Raumplanung eine konkrete interkommunale Zuordnung von Wohnflächenbedarfen vornehmen bzw. fortschreiben zu können.
Der vorgestellte Ansatz bietet einen Orientierungsrahmen, der in der Regionalplanung als Berechnungsgrundlage berücksichtigt werden könnte. Die mit seiner Hilfe ermittelten Bedarfsgrößen bieten innerhalb der betreffenden Region (hier Halle-Leipzig) eine informelle Diskussionsgrundlage, die unterschiedliche Entwicklungsperspektiven zur regionalen und kommunalen Flächenbedarfsplanung aufzeigt und zeitgleich den Problemen vorbeugt, die mit einem Mangel an Allokationsvorschlägen einhergehen. Da der Ansatz in seinem Aufbau stark datenbasiert ist, sind die Ergebnisse in ein geeignetes Diskussionsformat auf regionaler Ebene zu überführen und anschließend entsprechend zu kommunizieren. Auf dieser Basis kann es gelingen, „Wachstumsmüdigkeiten“ einzelner Kommunen frühzeitig aufzubrechen. Darüber hinaus wird es sowohl den Gemeinden als auch der Regionalplanung erleichtert, Bedarfe, welche unter Berücksichtigung der Bodenschutzklausel nach § 1a Abs. 2 BauGB nachzuweisen sind, gegenüber Dritten zu artikulieren. Dies gilt umso mehr, als die stringente Orientierung des Ansatzes an den geltenden Zielen der Raumordnung gewährleistet, dass sich die abgestimmten Bedarfe in einen formellen Rahmen (z. B. über § 204 BauGB) überführen lassen.
Die erfolgreiche Implementierung des Ansatzes in der Praxis setzt voraus, dass die Grundlagendaten zur Bevölkerung, zum Arbeitsmarkt und den Bautätigkeiten regelmäßig aktualisiert werden. Um die Veränderungen in der regionalen Entwicklung frühzeitig abbilden und auf diese mit Hilfe des Ansatzes adäquat reagieren zu können, sind auch die getroffenen Annahmen regelmäßig auf den Prüfstand zu stellen. Da die meisten der genutzten Daten von der amtlichen Statistik bereitgestellt werden, halten sich die Kosten und der Aufwand für die Anwendung des Modells in Grenzen.
Zukünftig gilt es, das Modell auf seine Übertragbarkeit zu überprüfen und mit den jeweiligen regionalen Planungsverbänden zu eruieren, wie es in die Praxis der Regionalplanung eingebunden werden kann. Nach der Region Halle-Leipzig wird das Modell in einem nächsten Schritt auf Jena und den angrenzenden Saale-Holzland-Kreis angewandt, um es dort auf seine Vereinbarkeit mit einer unterschiedlich strukturierten Region zu erproben. Darüber hinaus gilt es auch zu prüfen, wie der Übertrag auf eine schrumpfende oder auf eine stärker von Polyzentralität geprägte Region erfolgen kann. Weiterer Forschungsbedarf besteht hinsichtlich der Analyse der Geeignetheit weiterer Indikatoren. So sollte eine detailliertere Berechnung von Arbeitsplatzdynamiken mit ihren weitreichenden Folgen für die Region konzipiert werden mit dem Ziel, die Bedeutung einer positiven Arbeitsplatzentwicklung auf den Wohnungsmarkt besser abbilden zu können. Auch die Fragen, welche Verbindlichkeiten sich mithilfe des Modells auf der Ebene der Regionalplanung schaffen lassen und welche regionalen Kommunikations- bzw. Kooperationsformate geeignet scheinen, eine regionale Wohnbauflächenbedarfsplanung zu verstetigen oder strittige Themen zu verhandeln, verdienen nähere Beachtung.
Offen bleibt, ob eine dezentrale Wohnbauflächenbereitstellung durch die Gemeinden langfristig überhaupt als zielführend angesehen werden kann. Bereits bestehende kooperative Ansätze in unterschiedlichen Ausformungen (z. B. Kommunalverbund Niedersachsen-Bremen e.V., KielRegion GmbH oder Zweckverband Raum Kassel) deuten darauf hin, dass ein abgestimmtes Vorgehen einen sinnvollen Beitrag zur resilienten Entwicklung der jeweiligen Region leisten kann. Ein stärker auf regionaler Abstimmung beruhendes Vorgehen könnte daher zusätzlich helfen, Flächenbedarfe in der Region besser einzuordnen und einer übermäßigen Flächeninanspruchnahme entgegenzuwirken – auch wenn dies die Wohnbauflächenbereitstellung als rein kommunale Angelegenheit grundsätzlich in Frage stellt.
This work is part of the research project Interko2, which is funded by the programme: Stadt-Land-Plus. Funding agency: Federal Ministry of Education and Research (Germany); Funding code: 033L207
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Fußnoten
1 | https://www.destatis.de/DE/Themen/Branchen-Unternehmen/Landwirtschaft-Forstwirtschaft-Fischerei/Flaechennutzung/Tabellen/siedlungsflaeche.html (23.09.2022). |
2 | https://www.destatis.de/DE/Themen/Branchen-Unternehmen/Landwirtschaft-Forstwirtschaft-Fischerei/Flaechennutzung/Tabellen/anstieg-suv2.html;jsessionid=F4049006A905CC3F5BCDFCD6B2A8C071.live712 (23.09.2022). |
3 | Raumordnungsgesetz vom 22. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2986), das zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 20. Juli 2022 (BGBl. I S. 1353) geändert worden ist. |
4 | Baugesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. November 2017 (BGBl. I S. 3634), das zuletzt durch Artikel 11 des Gesetzes vom 8. Oktober 2022 (BGBl. I S. 1726) geändert worden ist. |
5 | In einigen Regionalplänen wurden Instrumente zur Kategorisierung des Geltungsbereiches geschaffen. Sofern dies in einer Planungsregion nicht der Fall ist, wird vorgeschlagen, eine raumstrukturelle Abgrenzung der Gemeinden gemäß dem hier vorgeschlagenen Ansatz vorzunehmen. |
6 | https://www.regionalstatistik.de/genesis/online/data (22.09.2022). |
7 | https://www.regionalstatistik.de/genesis/online/data (22.09.2022). |
8 | https://www.regionalstatistik.de/genesis/online/data (22.09.2022). |
9 | https://www.regionalstatistik.de/genesis/online/data (22.09.2022). |
10 | https://www.regionalstatistik.de/genesis/online/data; https://statistik.sachsen-an-halt.de/fileadmin/Bibliothek/Landesaemter/StaLa/startseite/Themen/Bevoelkerung/Tabellen/Bevoelkerungsprognose/6_-Bevoelkerungsprognose-2014-2030-Kreise-Altersgruppen.pdf (22.09.2022). |
11 | https://www.inkar.de/Default (22.09.2022). |
12 | https://www.regionalstatistik.de/genesis/online/data (22.09.2022). |
13 | https://www.regionalstatistik.de/genesis/online/data (22.09.2022). |
14 | https://www.regionalstatistik.de/genesis/online/data (22.09.2022). |
15 | Die auf diese Weise ermittelten Zahlen wurden teils korrigiert (im Verflechtungsraum für die Jahre 2019 und 2020 nach unten, im Mittelzentralen Ring nach oben), da die tatsächliche Entwicklung von der Prognose abwich. Weitere Anpassungen wurden aufgrund der Aussagen von parallel erstellten städtischen Bevölkerungsvorausberechnungen, eines Demographiemonitorings des Saalekreises und aufgrund der bisher zu optimistisch ausgefallenen regionalen Prognosen vorgenommen. |
16 | Berücksichtigt man die überwiegend negative natürliche Bevölkerungsentwicklung in der Region und die daraus freiwerdenden Wohneinheiten, fällt der Zusatzbedarf in den ermittelten Szenarien deutlich geringer aus. |
17 | Für Sachsen: https://www.statistik.sachsen.de/genonline/online (22.09.2022). |
18 | https://www.regionalstatistik.de/genesis/online/ (22.09.2022). |
19 | https://www.regionalstatistik.de/genesis/online/ (22.09.2022). |