© Gebhardt; licensee oekom verlag 2021. This Open Access article is published under a Creative Commons Attribution 4.0 International License.
https://doi.org/10.14512/rur.64
Raumforschung und Raumordnung | Spatial Research and Planning (2021) 79/4: 336–350
rur.oekom.de

Beitrag/Article

Wie vermeiden wir den Matthäuseffekt in Reallaboren? Selektivität in partizipativen Prozessen

Laura Gebhardt Contact Info , Alexandra König Contact Info

(1) Institut für Verkehrsforschung, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Rudower Chaussee 7, 12489 Berlin, Deutschland
(2) Institut für Verkehrssystemtechnik, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Lilienthalplatz 7, 38108 Braunschweig, Deutschland

Contact InfoLaura Gebhardt  (Corresponding author)
E-Mail: laura.gebhardt@dlr.de

Contact InfoAlexandra König 
E-Mail: alexandra.koenig@dlr.de

Eingegangen: 25. Mai 2020  Angenommen: 26. Januar 2021  Online veröffentlicht: 2. März 2021

Zusammenfassung  
Die Komplexität und Dynamik realweltlicher Probleme, die in transdisziplinären Reallabor-Projekten adressiert werden, erfordern die Beteiligung aller direkt und indirekt betroffenen Bevölkerungsgruppen am Partizipationsprozess. Allzu häufig führen jedoch Effekte der sozialen Selektivität dazu, dass die Beteiligten meist aus einem sozioökonomisch ähnlichen Milieu stammen (mittelständisch, männlich, einheimisch) und Personen mit Migrationshintergrund, Frauen, Jugendliche und Angehörige der unteren Einkommensschichten eher schwach oder gar nicht vertreten sind. Dadurch droht der Matthäus-Effekt („Wer hat, dem wird gegeben“), wenn sich sozioökonomisch starke Personen besonders für ihre Belange einsetzen, während die Interessen (ressourcen)schwächerer unterrepräsentiert bleiben. Der Beitrag behandelt drei Fragen: Wie kann sichergestellt werden, dass alle Bevölkerungsgruppen bei Partizipationsprozessen in Reallaboren erreicht werden? Wie können die Anliegen aller Bevölkerungsgruppen dabei involviert werden? Wie kann die Zivilgesellschaft in Reallaboren zu Ko-Kreatoren ermächtigt werden? Vor dem Hintergrund empirischer Erfahrungen in den Projekten Reallabor Schorndorf und Reallabor Altmarkkreis werden diese Fragen reflektiert. Aufgrund dieser Reflexion werden Handlungsempfehlungen für Forschende und Praxisakteure sowie offene Forschungsfragen abgeleitet.

Schlüsselwörter  Mobilität – Selektivität – Repräsentativität – Ko-Kreation – Reallabor – Partizipation


How do we avoid the Matthew effect in real-world laboratories? Selectivity in participatory processes
Abstract  
The complexity and dynamics of real-world problems in transdisciplinary real-world laboratory projects require the participation of all directly and indirectly affected population groups in the participation process. All too often, participants come from socio-economically similar milieus (middle-class, male, local) and persons with a migratory background, women, young people, and members of lower income groups are represented rather weakly or not at all. This phenomenon of social selectivity is called the Matthew effect (‘whoever has, will be given’). It describes the effect that socio-economically strong persons are particularly committed to their interests, while interests of those in a (resource-wise) less well-off situation are under-represented. The paper addresses three questions: How can it be ensured, that all population groups are reached during the participation process in real-world laboratories? How can their concerns be heard and involved in it? How can civil society be empowered as co-creators? These questions will be reflected upon on the basis of empirical experience gained in the real-world lab projects Reallabor Schorndorf and Reallabor Altmarkkreis. On the basis of these reflections, recommendations for action for researchers and practitioners are developed and open research questions are derived.

Keywords  Mobility – Selectivity – Representativeness – Co-creation – Real-world laboratories – Participation


1  Einleitung und konzeptioneller Hintergrund

Die Bevölkerung wünscht sich seit vielen Jahren eine stärkere Beteiligung an kommunalen Entscheidungsprozessen und an wissenschaftlichen Forschungsprojekten.1 Dementsprechend ist auch die Bedeutung von partizipativen Prozessen und Open-Innovation-Ansätzen in der Stadtentwicklung gewachsen (Gebhardt/Klemme/Wiegandt 2014). In der Mobilitäts- und Verkehrsplanung nehmen partizipative Verfahren eine besondere Stellung ein, da in kaum einem anderen Lebensbereich der Anspruch, alle Bevölkerungsgruppen ‚mitzunehmen‘, so hoch ist wie in der Mobilität (Schwedes 2011: 4). Entsprechend wird auch von Mobilitätsgerechtigkeit gesprochen, wenn keinen Personengruppen der Zugang zu Mobilität erschwert oder gar verwehrt wird (Rammler/Kollosche/Breitkreuz 2019). Im Gegensatz zu Projekten in der Industrie, die nur bestimmte Zielgruppen oder Kundensegmente ansprechen wollen, sogenanntes cherry picking (Gebhardt/Brost/König 2019), dürfen öffentliche Verkehrskonzepte einzelne Personengruppen nicht ausschließen. Der Auftrag zur Daseinsvorsorge verpflichtet den Staat und die Aufgabenträger, für ihre Bürger/-innen bestimmte Leistungen wie den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) vorzuhalten, um gleichwertige Lebensverhältnisse sicherzustellen (Holz-Rau/Günthner/Krummheuer 2010: 490). Weiterhin hat die Vergangenheit gezeigt, dass große Verkehrsprojekte, wie Stuttgart 21, oft konfliktträchtig sind, was den Ruf nach einer stärkeren und frühzeitigeren Einbeziehung der Bevölkerung in die Planung von Verkehrsvorhaben gestärkt hat (BMVI 2014: 5). Für Verkehrsprojekte, wie auch die Bundesverkehrswegeplanung, wird deshalb eine Beteiligung explizit rechtlich gefordert (BMVI 2014: 23).

Der gemeinsam mit der Stadtbevölkerung entworfene Verkehrsentwicklungsplan Bremens (Freie Hansestadt Bremen 2014) ist ein Beispiel für ein konkretes Entwicklungsprojekt, das mit Bevölkerung, Verwaltung und Politik gemeinsam erarbeitet wurde. Dabei zeigte sich das Potenzial transdisziplinärer2 Zusammenarbeit. Ausgangspunkt transdisziplinärer Forschung ist stets ein „Problem der Lebenswelt“ (Becker/Jahn 2000: 75; Bergmann/Jahn/Knobloch et al. 2010: 24). Transdisziplinäre Forschung strebt danach, der Komplexität von gesellschaftlichen Phänomenen gerecht zu werden (Hirsch Hadorn/Biber-Klemm/Grossenbacher-Mansuy et al. 2008) und wird von vielen als Weg gesehen, über den die Wissenschaft zur nachhaltigen Entwicklung beitragen kann und soll (Becker/Jahn 2000: 67-68, 82; Beecroft/Trenks/Rhodius et al. 2018: 80-81). Die Integration unterschiedlicher wissenschaftlicher und nichtwissenschaftlicher Akteure wird dabei zur Identifizierung und Lösung realer Probleme als unumgänglich erachtet (Nicolescu 2010; Repko 2012).

Ein Format transdisziplinärer und partizipativer Entwicklung und Erprobung neuer Lösungen, bezogen auf den Mobilitätsbereich, beispielsweise die Entwicklung neuer Mobilitätsangebote, ist die Idee des Reallabors, das sich in den vergangenen Jahren großer Beliebtheit erfreut (Schneidewind 2014). Förderprogramme wie die Förderlinien „Reallabore“ (2015) und „Reallabore Stadt“ (2016) des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg oder Ausschreibungen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWI) spiegeln dies wider. Dabei werden das Verständnis und die Definition von Reallaboren breit und kontrovers diskutiert (vgl. Schneidewind 2014; Parodi/Albiez/Beecroft et al. 2016; Gerhard/Marquardt 2017; Schäpke/Stelzer/Bergmann et al. 2017; Schäpke/Bergmann/Stelzer et al. 2018).3 Diesem Beitrag liegt folgende Definition von Reallabor zugrunde: „Ein Reallabor bezeichnet einen gesellschaftlichen Kontext, in dem Forscherinnen und Forscher Interventionen im Sinne von ‚Realexperimenten‘ durchführen, um über soziale Dynamiken und Prozesse zu lernen“ (Schneidewind 2014: 3). Ein Reallabor stellt somit einen sozialen Kontext dar, in dem „reale Experimente“ durchgeführt werden, um Wandlungsprozesse zu beobachten und zu fördern sowie um dabei etwas über soziale Dynamiken zu lernen. Die Idee des Reallabors überträgt somit das Konzept eines wissenschaftlichen Labors zur Analyse sozialer und politischer Prozesse in die „reale Welt“ (de Flander/Hahne/Kegler et al. 2014; Schäpke/Bergmann/Stelzer et al. 2018).

Dem Forschungsansatz wird das Potenzial zugeschrieben, Transformationswissen zu erzeugen und einen Beitrag zu gesellschaftlichem Wandel zu leisten (Schäpke/Stelzer/Bergmann et al. 2017). Reallabore verfolgen im idealen Fall laut Defila und Di Giulio (2019: 3) eine dreifache Zielsetzung (vgl. Beecroft/Trenks/Rhodius et al. 2018): Sie produzieren Erkenntnisse und neues Wissen (Forschungsziele), sie stoßen Transformationsprozesse an (Praxisziele), und sie unterstützen individuelle und kollektive Lernprozesse, die sie durch ihre Aktivitäten anregen (Bildungsziele). Um Transformationsprozesse anzustoßen und zu begleiten, bedienen sich Reallabore oft eines experimentellen Ansatzes (vgl. z. B. Arnold/Piontek 2018).

Für Wanner und Stelzer (2019: 3) sind folgende fünf Kerncharakteristika bedeutsam für Reallabore: ihr Beitrag zur nachhaltigen Transformation, das Experiment als Kernmethode, Transdisziplinarität als Kernmodus, Lernprozesse und Reflexivität sowie die Ausrichtung auf Langfristigkeit, Skalierbarkeit und Transfer. „In einem Reallabor kooperieren Akteure aus der Wissenschaft und aus der Praxis. […] Auf der Ebene des Reallabors kommt Akteuren, die auch langfristig im Reallabor engagiert sind (z. B. Mitgliedern von Verwaltung, großen zivilgesellschaftlichen Gruppen, festangestellten Wissenschaftler(inne)n), tendenziell eher eine tragende Rolle zu“ (Beecroft/Trenks/Rhodius et al. 2018: 90).

Die Komplexität und Dynamik realweltlicher Probleme, die in Reallaboren adressiert werden, sind Gründe, weswegen im Idealfall direkt und indirekt betroffene Bevölkerungsgruppen am Finden und Umsetzen von Lösungen gestalten und partizipieren sollten. Allzu häufig führen allerdings Effekte der sozialen Selektivität dazu, dass die Beteiligten meist aus einem sozioökonomisch ähnlichen Milieu stammen (mittelständisch, männlich, einheimisch) und Personen mit Migrationshintergrund, Jugendliche, Frauen und Angehörige der unteren Einkommensschichten eher schwach oder gar nicht vertreten sind „und wenn, dann fühlen sie sich oft nicht ernst genommen“ (Kuder 2016: 3; vgl. Arlanch 2011: 51). Dadurch droht der „Matthäus-Effekt“ („Wer hat, dem wird gegeben“), wenn sich sozioökonomisch starke Personen besonders für ihre Belange einsetzen, während die Interessen (ressourcen)schwächerer unterrepräsentiert bleiben (Kolleck 2016: 1). Da die Teilnahme an partizipativen Verfahren stark von den individuellen Ressourcen (unter anderem Zeit, Geld, Bildung) abhängig ist, stammen die Beteiligten meist aus einem ähnlichen sozioökonomischen Milieu bzw. dominieren häufig organisierte Gruppierungen, wodurch nur selektive Interessen in den Aushandlungsprozess eingebracht werden. Partizipative Prozesse unterliegen häufig der Herausforderung der Selbstselektion der Teilnehmenden, wodurch die Gefahr einer Überrepräsentation von bildungsnahen Personen oder beispielsweise auch Seniorinnen und Senioren oder Studierenden besteht, die über vergleichsweise viel Zeit verfügen (Nanz/Fritsche 2012: 26-29). Dadurch kommt es zu einer demographischen Schräglage (Jörke 2011: 15-16). So äußert sich auch Selle (2000: 293): „Da richte man ein Stadtteilforum ein, an dem nur Angehörige aus der Mittelschicht und einige Jungakademiker mitwirken usf. [Anm.: und so fort]. Und wo sind die türkischen Frauen, die allein erziehenden Mütter, die arbeitslosen Jugendlichen, die russlanddeutschen Männer, die Wohnungs- oder Obdachlosen und all die anderen? Wo auch immer – jedenfalls nicht in Bürgerversammlungen, Zukunftswerkstätten und Stadtteilforen.“ Dazu bemerkt auch von Unger (2012: 22): „Teilhabechancen sind sozial ungleich verteilt – in dieser Hinsicht unterscheidet sich die Teilhabe an Forschung nicht von der Teilhabe an anderen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens. Die besondere Herausforderung – oder das Paradox – der partizipativen Forschung besteht darin, genau die Personen und Gruppen als Community-Partner/innen zu beteiligen, deren Teilhabechancen besonders gering sind.“

Weiterhin ergibt sich die Schwierigkeit in Reallaboren, Bürgerinnen und Bürger frühzeitig für die Beteiligungsformate zu gewinnen, wenn die subjektive Betroffenheit meist noch gering ist. An späterer Stelle ist die Möglichkeit der tatsächlichen Einflussnahme meist schon begrenzt, was als „Partizipationsparadox“ beschrieben wird (Reinert 2003: 37).

Vor dem Hintergrund der diskutierten Herausforderungen behandelt dieser Beitrag folgende Fragen:
– 
Wie kann sichergestellt werden, dass alle Bevölkerungsgruppen bei Partizipationsprozessen in Reallaboren erreicht werden?
– 
Wie können die Anliegen aller Bevölkerungsgruppen dabei involviert werden?
– 
Wie kann die Zivilgesellschaft in Reallaboren zu Ko-Kreatoren ermächtigt werden?
Die Fragen sind in Hinblick auf das Stufenmodell der Partizipation von Wright, von Unger und Block (2010: 42) und in Anlehnung an die „Ladder of Citizen Participation“ nach Arnstein (1969), an unterschiedlicher Stelle einzuordnen (vgl. Abbildung 1). So kann die erste Frage der Stufe der Information zugeordnet werden, die zweite Frage befasst sich hingegen mit einer Vorstufe der Partizipation, der Einbeziehung. Die dritte Frage zielt auf auf eine höhere Ebene der Partizipation ab, der teilweisen Entscheidungskompetenz. Während die ersten beiden Forschungsfragen die zivilgesellschaftliche Orientierung und Forschungsorientierung als Kerncharakteristika von Reallaboren nach Parodi, Albiez, Beecroft et al. (2016: 16) thematisieren, geht die dritte Forschungsfrage darüber hinaus, indem sie die Kerncharakteristika Transdisziplinarität und Transformativität genauer betrachtet. Dabei ist hervorzuheben, dass die Forschungsfragen insbesondere im Hinblick auf den für Reallabore relevanten Laborcharakter und Experimentierraum bedeutend sind, da eine Betrachtung aller ‚Bedingungen‘ für die Forschung im Reallabor erforderlich ist.
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Abbildung 1  Verortung der Forschungsfragen anhand des Stufenmodells der Partizipation nach Wright/von Unger/Block (2010: 42)

Auf der Basis empirischer Erfahrungen in dem abgeschlossenen Projekt „Reallabor Schorndorf“ (vgl. Abbildung 2, links) und dem noch laufenden Projekt „Reallabor Altmarkkreis“ (vgl. Abbildung 2, rechts) werden diese Fragen reflektiert. Im anschließenden Kapitel 2 wird auf die erste Forschungsfrage eingegangen: „Wie kann sichergestellt werden, dass alle Bevölkerungsgruppen bei Partizipationsprozessen in Reallaboren erreicht werden?“. Kapitel 3 erörtert die Forschungsfrage 2: „Wie können die Anliegen aller Bevölkerungsgruppen dabei involviert werden?“ Kapitel 4 widmet sich der Beantwortung der dritten Forschungsfrage „Wie kann die Zivilgesellschaft in Reallaboren zu Ko-Kreatoren ermächtigt werden?“ Auf der Basis dieser Reflexion werden in Kapitel 5 Handlungsempfehlungen für Forschende und Praxisakteure in Reallaboren abgeleitet. Kapitel 6 zeigt offene Punkte und weiteren Forschungsbedarf bezüglich der Frage der Selektivität in Reallaboren auf.
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Abbildung 2  Projektskizzen


2  Ebene der Information – Wie kann sichergestellt werden, dass alle Bevölkerungsgruppen erreicht werden?

In beiden Projekten, dem Reallabor Schorndorf und dem Reallabor Altmarkkreis bezog sich die bestehende realweltliche Herausforderung auf die als unzureichend empfundene Qualität des öffentlichen Nahverkehrs. Im Projekt Reallabor Schorndorf wurde nach einer Lösung gesucht, den öffentlichen Nahverkehr zu flexibilisieren und durch ein bedarfsgesteuertes Bedienkonzept stärker an den tatsächlichen Mobilitätsbedürfnissen der Bevölkerung zu orientieren. Im Reallabor Altmarkkreis ist es Ziel des Projekts, das bestehende Rufbussystem durch die Digitalisierung des Service für Nutzer/-innen und den Betreiber effizienter und damit auch flexibler zu gestalten. In beiden Projekten kam die übergeordnete Idee zum Mobilitätskonzept aus dem Projektteam, die Ausgestaltung und Spezifizierung der Systeme (Fahrzeugeigenschaften, Buchungsmodi, Betriebsgebiet und -zeiten) wurden in den Reallaboren iterativ entwickelt.

Der öffentliche Verkehr muss im Zuge der Daseinsvorsorge die Mobilität aller Bevölkerungsgruppen sicherstellen (Holz-Rau/Günthner/Krummheuer 2010). Die Vielfalt unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen und ihrer heterogenen Bedürfnisse in der Entwicklung von Verkehrsplänen abzubilden, ist seit jeher eine zentrale Herausforderung für Verkehrs- und Stadtplaner/innen, in Deutschland wie auch in anderen Ländern. So fand Elvy (2014: 45-47) beispielsweise heraus, dass die Nutzungsanforderungen einiger Bevölkerungsgruppen, wie Ältere und ethnische Minderheiten, in den Regionalverkehrsplänen (3rd generation local transport planning) in Großbritannien schlechter repräsentiert sind als die anderer Bevölkerungsgruppen.

Um zu wissen, für wen das zukünftige Mobilitätskonzept möglicherweise nutzbar sein könnte und wen es folglich zu informieren und involvieren gilt, ist eine Analyse der voraussichtlichen Nutzergruppen sinnvoll. Im Reallabor Schorndorf wurden anhand von Sekundärdaten zur Einwohnerstruktur (Soziodemographie, Mobilitätsverhalten etc.) sowie durch Interviews potenzielle Nutzergruppen identifiziert; diese sind: (1) Rentner/-innen, (2) regelmäßige Pkw-Nutzer/-innen, (3) Mobilitätseingeschränkte und (4) regelmäßige Busnutzer/-innen. Mit dem Wissen über die unterschiedlichen Nutzergruppen kann dann eine systematische Rekrutierung in Angriff genommen werden. Um diese Gruppen bzw. Repräsentant/-innen dieser Gruppen zu erreichen, stehen unterschiedliche Zugangskanäle zur Verfügung. Einige Ansätze finden sich bereits in der Literatur, in der über Möglichkeiten zur Rekrutierung von Bürgerinnen und Bürgern für Forschungsprojekte reflektiert wurde (Klages/Daramus/Masser 2008; Nanz/Fritsche 2012). Nanz und Fritsche (2012: 26-27) unterscheiden beispielsweise zwischen drei Kategorien von Rekrutierung und Auswahl von Teilnehmenden: die Selbstselektion, die zufällige Auswahl und die gezielte Auswahl. Eine Bewertung der unterschiedlichen Vorgehensweisen anhand der Erfahrungen im Einsatz wird jedoch selten vorgenommen (vgl. Vetter 2014) und das Thema der Selektivität von Teilnehmenden selten untersucht (vgl. Klages/Daramus/Masser 2008; Selle 2000). Im Folgenden werden auf Grundlage der Erfahrungen in den zwei hier vorgestellten Reallaboren die unterschiedlichen Zugangskanäle zur Erreichung und Beteiligung der Bürgerschaft anhand deren Vor- und Nachteile skizziert und diskutiert (vgl. Tabelle 1).
Tabelle 1  Übersicht erprobter Zugangskanäle zur Ansprache/Einladung von Bürgerinnen und Bürgern zur Beteiligung

Methodik/Zugangskanal

Erklärung

Vorteile/Chancen

Nachteile/Herausforderungen

Stichprobenziehung beim Einwohnermeldeamt

In den meisten Städten kann für Forschungszwecke eine Stichprobe an Bürger/-innen, repräsentativ nach Alter und Geschlecht, erworben werden. Mittels eines postalischen Anschreibens werden die Bürger/-innen eingeladen, an Befragungen und Beteiligungsformaten mitzuwirken.

Ein Querschnitt der Bevölkerung wird erreicht, eine große Anzahl an Personen erhalten die Information und Einladung.

Es ist von einem Rücklauf zwischen 10 % und 15 % auszugehen. In der Regel zeigt sich ein Bias bezüglich des Bildungsniveaus. Hohe Kosten für Porto und (je nach Stadt) Kauf der Adressen fallen an.

Öffentlicher Aufruf

Digital oder analog z. B. in lokaler Zeitung, twitter, social media.

Geringe Kosten, Zugang zu jungen Menschen, jederzeit anpassbar.

Anonyme negative Posts sind möglich, bis hin zu Shitstorm. Gefahr, dass Aufruf zwischen der Vielzahl anderer Einträge im Web untergeht.

Newsletter

Abonnentenkreis eines Newsletters oder ähnliches.

Zeiteffizient, höherer Rücklauf aufgrund von gefühlter Verbundenheit.

Gefahr, lediglich Experten/-innen oder Aktivisten/-innen anzusprechen, die nicht den Querschnitt der Bevölkerung darstellen (Bildungsbias).

Telefoninterviews auf Basis der Telefonbuch-Methode

Ansprache von Bürger/-innen und Kontaktaufnehme per Telefon. Die Nummern können zufällig aus dem Telefonbuch gezogen werden.

Zeiteffizient und kostensparend, spontane Partizipation möglich ohne Planung, auf den anderen Kanälen schwierig erreichbare Gruppe, wie Mobilitätseingeschränkte kontaktierbar.

Bias bei Einträgen in Telefonbüchern und der Erreichbarkeit bestimmter Personengruppen ist zu erwarten.

Aufsuchende Partizipation

Kontaktaufnahme vor Ort, z. B. bei Senioren-Kaffeetafel oder vor der Agentur für Arbeit.

Spezifische Gruppen (z. B. einkommensschwache Gruppen, Senioren/-innen) können gezielt angesprochen werden.

Hoher persönlicher Einsatz, konstante Kontaktperson notwendig, Ausdauer, persönliches Engagement bzw. Vertrauen muss aufgebaut werden.

Pop-up-Store, Verkaufsflächen

Einrichtung einer Anlaufstelle vor Ort (z. B. während einer Woche).

Geringe Hürde bzw. Barriere der Teilnahme, spontane Partizipation ohne Voraus-Planung, spontanes Reagieren auf Rahmenbedingungen.

Hoher personeller Einsatz zum Zeitpunkt X.

Community Leader (Schlüsselpersonen) einbeziehen

Kontaktaufnahme über Schlüsselperson, die gut vernetzt ist und als Türöffner fungiert. Im Schneeballprinzip werden weitere Personen erreicht.

Effizienz und geringer Aufwand, durch Beteiligung von Mittelsmännern, Niedrigschwelligkeit, persönlicher Kontakt („Vertrauensbonus“).

Gefahr der Selektivität durch Auswahl der Kontakte von Schlüsselpersonen.

Interview mit Interessenvertretern (Stakeholdern)

Interview mit Interessenvertretern (z. B. Gleichstellungsbeauftragte, Behindertenbeauftragte), die marginalisierte Gruppen vertreten und deren Anforderungen genau kennen.

Effizienz, Möglichkeit, die Stimme marginalisierter Gruppen, wie Migranten/-innen über deren Interessenvertreter zu berücksichtigen.

Gefahr der Vereinfachung von Stimmungsbildern durch Filter (Interessenvertreter/-innen).

In der Diskussion, wie alle Bevölkerungsgruppen in Partizipationsverfahren involviert werden können, gilt es zunächst zu reflektieren, ob dieser Anspruch tatsächlich realistisch oder realitätsnah und umsetzbar bzw. anzustreben ist (Alcántara/Bach/Kuhn et al. 2016: 19). Denn wir leben in einer Demokratie, in der es jeder einzelnen Person freigestellt ist, z. B. wählen oder demonstrieren zu gehen. Wir akzeptieren, dass niemals die Grundgesamtheit der Bevölkerung dies tut. Warum also nun der ambitionierte Anspruch bei Reallaboren, tatsächlich alle Bevölkerungsgruppen am Tisch zu haben? Auch Selle (2000: 293) hinterfragt den Anspruch der partizipativen Wissenschaft, Selektivität zu vermeiden: „Irritierend allein ist, dass man das seit 30 Jahren für ein Problem hält. Gab es nicht genug Anlässe, die anfängliche Naivität des ‚Kommet denn alle und beteiligt Euch‘ abzustreifen? Ist nicht unmittelbar einsichtig, dass solche Beteiligung selektiv wirken muss? Und: konnte nicht inzwischen auf vielfache Weise die Erfahrung gemacht werden, dass nur dann Erfolg mit den Kommunikationsversuchen zu erzielen ist, wenn sie selektiv angelegt sind – also zu unterscheiden wissen?“ (Hervorhebung im Original).

Der Anspruch auf universelle Beteiligung ist in vielen Lebensbereichen geringer als in der Mobilitäts- und Verkehrsplanung. So liegt die Wahlbeteiligung der Deutschen bei den Bundestagswahlen in den vergangenen Jahren stets unter 80 %4, bei Landtags- und Europawahlen sogar noch deutlich geringer. Auch hier zeigt sich: Je prekärer die Lebensverhältnisse, desto weniger Menschen gehen wählen (Schäfer/Vehrkamp/Gagné 2013; Kuder 2016: 1). In Folge kommt es zu einer Reproduktion politischer Ungleichheit (Kuder 2016: 1). Der Anspruch, wirklich alle Betroffenen einzubeziehen und mitzunehmen, muss also kritisch hinterfragt werden. Dennoch sollte es der Anspruch guter transdisziplinärer Forschung in Reallaboren sein, allen die Chance zur Beteiligung zumindest zu geben. Dazu ist es erforderlich, dass die Bevölkerung über das Vorhaben und die Möglichkeiten der Partizipation informiert wird und alle Bevölkerungsgruppen erreicht werden, um niemandem von vornherein Möglichkeiten zur Partizipation zu verwehren. Wähler/-innen zum Beispiel werden über viele unterschiedliche Kanäle über die Möglichkeit zur Stimmabgabe informiert.

Die dargelegten Optionen der Ansprache (vgl. Tabelle 1) stellen eine Reihe von Möglichkeiten vor, Personen zu erreichen, die in den beiden Reallaboren (vgl. Abbildung 2) erprobt wurden. Jede hat ihre Vor- und Nachteile und unsere Erfahrung hat gezeigt, dass ein Mix unterschiedlicher Zugangskanäle zielführend ist.

Als besonders wertvoll, um dem beschriebenen Matthäus-Effekt entgegenzuwirken, hat sich die aufsuchende Partizipation (Aufsuchen von z. B. Senioren-Café, Tafel) und die häufig damit verbundene Kontaktaufnahme über einen Community Leader (z. B. Vorstände von Vereinen und Selbsthilfeorganisationen oder religiöse Führungspersonen) erwiesen (Viswanathan/Ammerman/Eng et al. 2004: 24). Die Möglichkeit des Aufsuchens von Schlüsselpersonen zur Ansprache von marginalisierten Zielgruppen nutzt auch die community-basierte partizipative Forschung (von Unger 2014: 27-32). Durch diese Kontaktpersonen, die eine hohe Reichweite in ihrem Bekanntenkreis erreichen können, kann die Ansprache weiterer Personen niedrigschwellig und auf dem persönlichen Kontakt basierend stattfinden. Gerade das In-den-Hintergrund-Rücken der institutionellen Ebene und der Kontaktaufbau auf einer persönlichen Ebene erweist sich als gewinnbringend, um marginalisierte oder andere spezifische Gruppen anzusprechen. Durch den Aufbau eines Vertrauensverhältnisses, durch z. B. mehrmaliges Aufsuchen von Orten, Einrichtungen oder Treffpunkten, kann das Interesse der Personen geweckt werden. So konnte in Schorndorf die Gruppe der non-digital erreicht und involviert werden, indem deren Alltagsorte, wie das Senioren-Café, aufgesucht wurde. Per Schneeballverfahren konnten, davon ausgehend, dann weitere Personen eingebunden werden. Die persönliche Ansprache verdeutlicht den Bürgerinnen und Bürgern häufig erst ihre Betroffenheit und die persönliche Selbstwirksamkeit. Sobald eine persönliche Betroffenheit empfunden wird, steigt die Wahrscheinlichkeit des Interesses zur Mitwirkung. Allzu oft erkennen Bürger/-innen die Betroffenheit erst, wenn ein Vorhaben oder eine Maßnahme in einem fortgeschrittenen Stadium ist. Die Möglichkeit zur Einflussnahme zu diesem Zeitpunkt ist dann meist nur noch relativ gering.

Auch sind die Potenziale, die durch die Verbreitung von Informations- und Kommunikationstechnologien entstanden sind, nicht zu unterschätzen. Vor allem schnell verbreiten sich Aufrufe und Einladungen (und entsprechende Updates) per Twitter oder Facebook. Junge Menschen lesen oft nicht mal das offizielle postalische Schreiben oder fühlen sich durch die unpersönliche, anonyme Art der Ansprache nicht abgeholt. In Social-Media-Kanälen dagegen können Nachrichten geliked und geteilt werden. Somit wird eine gefühlt persönlichere Verbindung hergestellt.

Um einkommensschwache Personen zu gewinnen, hat sich das Schalten von Anzeigen bei ebay-Kleinanzeigen oder digitalen ‚Schwarzen Brettern‘ als gewinnbringend erwiesen. Das In-Aussicht-Stellen eines 20 Euro-Gutscheins war für einige ein Grund, an einer Befragung teilzunehmen. Diese Form eines finanziellen Anreizes kann die extrinsische Motivation stärken, was wiederum Auswirkungen auf die Ergebnisse haben kann, da die Teilnehmenden womöglich weniger aus einer intrinsischen Motivation heraus an dem Verfahren teilnehmen, das heißt sich beispielsweise weniger motiviert einbringen und wenig Zeit aufbringen. Im Hinblick auf die in diesem Kapitel diskutierte Forschungsfrage kann festgehalten werden, dass vor allem die Nutzung unterschiedlicher Recruiting-Strategien und Kommunikationskanäle positiv dazu beiträgt, unterschiedliche Bevölkerungsgruppen anzusprechen bzw. für die Teilnahme zu gewinnen. Die Strategien zur Information möglichst aller Bevölkerungsgruppen sollten je nach Ziel und Rahmenbedingungen des Vorhabens gewählt werden.


3  Ebene der Einbeziehung – Wie können die Anliegen aller Bevölkerungsgruppen involviert werden?

Der Anspruch transdisziplinärer Forschung ist es, gesellschaftliche Phänomene aus der Lebenswelt in ihrer Komplexität zu verstehen und Lösungen zu erarbeiten, die dieser gerecht werden (Hirsch Hadorn/Biber-Klemm/Grossenbacher-Mansuy et al. 2008: 19). Hierbei ist eine wichtige Herausforderung, die Anliegen und Bedürfnisse aller Bevölkerungsgruppen zu berücksichtigen. Im Sinne des Matthäus-Effekts würden bei Nicht-Beachtung dieser Prinzipien vor allem die Anliegen derjenigen Bevölkerungsgruppen im Projekt berücksichtigt werden, die diese am lautesten und deutlichsten artikulieren. Hierbei ergibt sich wieder die Gefahr, dass den Anliegen marginalisierter Gruppen nicht ausreichend Beachtung geschenkt wird, weil sie im Verborgenen bleiben (Kuder 2016). So weist auch die Forschung darauf hin, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen in der Verkehrsplanung weniger stark vertreten sind und weniger in Entscheidungsprozesse einbezogen werden, wie Frauen (Winslott Hiselius/Kronsell/Dymén et al. 2019: 6‑8), ethnische Minderheiten oder ältere Bürger/-innen (Elvy 2014: 45-47). Eine Inhaltsanalyse von britischen Verkehrsplänen (local transport plans) von Bickerstaff, Tolley und Walker (2002: 66) zeigt, dass die die untersuchten Verkehrspläne wenige Ansätze zur Beteiligung schwer erreichbarer Gruppen vorsahen.

Um die Bedürfnisse unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen zu identifizieren, werden lokale (nichtwissenschaftliche) Akteure in der Phase der Exploration der Anforderungen intensiv beteiligt. Damit wird sichergestellt, dass das zu entwickelnde Konzept oder Produkt den Anforderungen aller Akteure und potenziellen Nutzergruppen entspricht und nicht nur den Bedürfnissen eines eingeschränkten Nutzerkreises. Hierzu ist jedoch zu erwähnen, dass in einer frühen Projektphase transparent kommuniziert werden muss, welches die Gestaltungsspielräume sind (Kuder 2016: 6) und dass das Endprodukt keiner sprichwörtlichen eierlegenden Wollmilchsau entsprechen kann. Stattdessen sollten alle Beteiligten darüber informiert werden, dass sich meist nicht alle Bedürfnisse und Wünsche mit einer einzigen Innovation erfüllen lassen. Es sollte jedoch das Ziel sein, eben diese Wünsche zu kennen und keine Personengruppen von der Erhebung auszuschließen.

Des Weiteren muss allen Beteiligten klar vermittelt werden, dass sich Anforderungen gegenüberstehen oder widersprechen können. Als ein Beispiel aus dem Projekt Reallabor Schorndorf können die Betriebszeiten des Busses genannt werden. Während für junge Menschen dieser vor allem in den Abendstunden oder nachts einen Mehrwert darstellte, wünschten sich die Älteren den Bus tagsüber beispielsweise zum Einkaufen. Nach der gründlichen Betrachtung der unterschiedlichen Anforderungen müssen Entscheidungen darüber getroffen werden, welche davon umgesetzt werden können. So hat in Schorndorf diese Entscheidung nicht die Projektleiterin getroffen, sondern sie wurde gemeinschaftlich in einem Bürgerworkshop mit Vertreterinnen und Vertretern unterschiedlicher Interessen aus Verkehrsbetrieben, Verwaltung und Wissenschaft gefällt. Dabei ist insbesondere zu beachten, dass die Entscheidungsprozesse transparent gestaltet werden.

Im Projekt Reallabor Altmarkkreis ist es das Ziel, die Bedürfnisse unterschiedlicher Bewohner/-innen des Landkreises in der Entwicklung des digitalen Rufbusangebots zu berücksichtigen und gemeinsam Lösungsstrategien zu entwickeln. Darüber hinaus ist es Ziel der Forschung im Reallabor, die Bürger/-innen im Transformationsprozess zu begleiten und einen gemeinsamen Lern- und Reflexionsprozess anzustoßen, der die kommunale Verkehrsplanung und -politik mit neuen Methoden ausstattet, sowie Handlungsempfehlungen ableitet. Um auch Bevölkerungsgruppen zu erreichen, die nicht zu Beteiligungsformaten gehen, wurden Telefoninterviews durchgeführt. Über die zufällige Auswahl von Telefonnummern aus dem Telefonbuch wurde versucht, das Problem der Selbstselektion von Beteiligungsverfahren (vgl. Nanz/Fritsche 2012) zu umgehen. Die Personen (n=15) wurden telefonisch kontaktiert, zu ihrem Mobilitätsverhalten und zu ihren -anforderungen interviewt und zu weiteren Partizipationsprozesse eingeladen. Damit wurde eine starke Heterogenität im Alter der Befragten erreicht (von 11 bis 85 Jahre), und auch mobilitätseingeschränkte Menschen, die nicht an Beteiligungsverfahren vor Ort hätten teilnehmen können, wurden in die Forschung einbezogen. Um eine größere Reichweite der Untersuchungen zu erzielen, wird aktuell eine Haushaltsbefragung im Landkreis durchgeführt, bei der 2.000 Fragebögen an zufällig ausgewählte Haushalte verteilt werden. Verwendet wurden Papier-Fragebögen, um auch Personen ohne Internetzugang die Teilnahme zu ermöglichen. Auch sollte durch das Beilegen eines frankierten Rückumschlags die ungewollte Selektion von Personen mit geringerem sozioökonomischem Stand vermieden werden.

Des Weiteren wurde in dem Projekt der Zugangskanal „Interview mit den Interessenvertretern“ genutzt (vgl. Tabelle 1). Diese Interviews sollten als zusätzliches Sprachrohr für marginalisierte Gruppen dienen, die schwer erreichbar sind. So wurde beispielsweise eine Integrationskoordinatorin interviewt, die unter anderem die Interessen der Bewohner/-innen des Landkreises ohne deutsche Staatsbürgerschaft vertrat.

Im Projekt Reallabor Schorndorf wurden Ko-Kreations-Workshops durchgeführt, um Anforderungen an und Spezifika des neuartigen Bedarfsbusses mit den zukünftigen Nutzern und Nutzerinnen gemeinsam zu diskutieren und zu identifizieren. So wurden gemeinsam mit ihnen mittels Kreativmethoden potenzielle Lösungen entwickelt. Die Ergebnisse wurden mithilfe mehrerer Schleifen mit Teilnehmenden in anderen Workshops validiert und ergänzt.5 Den Anliegen verschiedener Bevölkerungsgruppen wurde zudem durch die Einführung einer Bürgersprechstunde im Rathaus ein Ort der Meinungsäußerung gegeben. Die regelmäßige Sprechstunde konnte genutzt werden, um Bedenken, Wünschen und Vorschlägen einen Raum zu geben und diese in das Projekt einfließen zu lassen. Als besonders empfehlenswert hat sich im Reallabor Schorndorf die Durchführung von Testnutzungen erwiesen. Neben den herkömmlichen Nutzer/-innen aus Schorndorf testeten 12 Personen das Bussystem intensiv unter Realbedingungen während des neunmonatigen Pilotbetriebs und gaben dem Projektteam ausführliche Rückmeldungen über ihre Erfahrungen. Die Aussage eines Testnutzers zeigt, dass sich involvierte Personen stark mit dem Vorhaben identifizieren und das wiederum die Akzeptanz erhöht: „Ich finde es sehr positiv, dass ich Teil eines Reallabors bin und bei zukunftsweisenden Verkehrsformen mitwirken kann.“

Eine weitere Möglichkeit, von Ausgrenzung betroffene Bevölkerungsgruppen in der Forschung zu beteiligen, ist die Bildung von Bürger-Arbeitsgruppen (vgl. König/Alčiauskaitė/Sioen et al. 2020). Im Projekt von König, Alčiauskaitė, Sioen et al. (2020) gab es Arbeitsgruppen mit Menschen unterschiedlicher Mobilitätseinschränkungen, die Erkenntnisse brachten zu Fragen wie beispielsweise: „Welche Barrieren erleben wir beim Unterwegssein mit den öffentlichen Verkehrsmitteln?“

Im Hinblick auf die in diesem Kapitel diskutierte Forschungsfrage 2 kann festgehalten werden, dass auch hier eine Methodenvielfalt aus qualitativen und quantitativen Ansätzen empfohlen werden kann, um die Anliegen aller Bevölkerungsgruppen zu berücksichtigen. Dabei muss betont werden, dass es die Arbeit in Reallaboren erforderlich macht, den Teilnehmenden zu vermitteln, dass Anliegen und Bedürfnisse auch konfliktbeladen sein können und der Aushandlungsprozess Teil der transdisziplinären Arbeit ist, der die Heterogenität der Beteiligten widerspiegelt.


4  Ebene der Mitbestimmung – Wie kann die Zivilgesellschaft zu Ko-Kreatoren ermächtigt werden?

In der raumbezogenen Forschung wird diskutiert, wie sich im Sinne eines transdisziplinären Prozesses nicht nur unterschiedliche Fachdisziplinen, sondern auch die Zivilgesellschaft in Planungs- oder Entwicklungsprozesse involvieren lassen. Dabei ist von besonderer Relevanz, wie die Zivilgesellschaft nicht nur als Quelle des Inputs betrachtet werden kann, sondern wie sie sich als aktive und gleichberechtigte Partnerin in Planungs- oder Entwicklungsprozesse involvieren lässt.

Reallaboren wird das Potenzial zugeschrieben, gesellschaftliche Phänomene in ihrer Komplexität und Diversität zu verstehen und Lösungen zu erarbeiten, die dieser gerecht werden (Schneidewind/Augenstein/Stelzer et al. 2018). Gleichzeitig sollen „gesellschaftlich legitimierte, ethisch gut begründete und gemeinwohlorientierte Ziele“ verfolgt werden (Beecroft/Trenks/Rhodius et al. 2018: 78). Parodi, Albiez, Beecroft et al. (2016: 285) sprechen in diesem Zusammenhang von einer Normativität des Reallabors, die sich am Leitbild nachhaltiger Entwicklung orientieren und explizit gemacht werden soll. Die Integration unterschiedlicher wissenschaftlicher und nichtwissenschaftlicher Wissenskörper wird hier zur Identifizierung und Lösung realer Probleme als unumgänglich erachtet (Nicolescu 2010; Repko 2012). Hierfür bedarf es der Weiterentwicklung und Erprobung transdisziplinärer Methoden(kombinationen) (vgl. Dubielzig/Schaltegger 2004), die es erlauben, gesellschaftliche Herausforderungen, wie z. B. nachhaltige Mobilität, zu erfassen, zu verstehen und bedarfsgerechte Lösungen mit der Zivilgesellschaft als Ko-Kreatoren zu entwickeln. Bei Ko-Kreation-Formaten, die unterschiedliche wissenschaftliche und außerwissenschaftliche Akteure zusammenbringen, kann durch die Sensibilisierung der Beteiligten für unterschiedliche Sichtweisen eine Teilhabe auf Augenhöhe und informiertes Mitentscheiden und -gestalten erreicht werden (Bergmann/Jahn/Knobloch et al. 2010; Eckardt 2014; Parodi/Albiez/Beecroft et al. 2016).

Allerdings geht es, anders als bei konventionellen Beteiligungsprozessen, darum, den Teilnehmenden einen „Schutzraum zu bieten, indem Probleme ohne fachliche oder politische Vorgaben sichtbar gemacht und Lösungsmöglichkeiten erarbeitet werden können, bevor sie in das Feld ökonomischer oder politischer Entscheidungen geraten“ (Petrin 2016: 5). Auch Selle (2013: 97) fordert, Stadtentwicklung als „Ko-Produktion“ von Stadt zu verstehen, bei der „das planende und steuernde Handeln öffentlicher Akteure […] lediglich ein Impuls unter vielen anderen [ist], die auf die Entwicklung der Städte einwirken“.

Soviel zur Theorie. Aber was heißt die Teilhabe auf Augenhöhe in der Praxis? Die Erfahrung in den beiden Reallaboren hat gezeigt, dass die Anerkennung eines Experten-Status für die Beteiligten von großer Bedeutung ist. Und damit sind nicht leere Worte und Pseudo-Mitsprache gemeint, sondern ihnen muss tatsächlich ein ebenbürtiger Platz am Tisch der Entscheidenden eingeräumt werden – ein tatsächliches empowerment (vgl. Meyer-Soylu/Parodi/Trenks et al. 2016: 34) –, sodass von „teilweiser Entscheidungskompetenz“ anhand der Partizipationsstufen nach Wright, von Unger und Block (2010: 42) gesprochen werden kann. So gab es in Schorndorf zu Beginn der Erprobung des On-demand-Busses Unzufriedenheit bezüglich der Betriebszeiten des neu eigenführten On-demand Busses. Nach einer Gruppendiskussion mit Angehörigen der Stadtverwaltung, der Wissenschaft und der Zivilgesellschaft wurden die Betriebszeiten aufgrund der Stimmen aus der Bürgerschaft geändert. Die Berichte der Bürger/-innen aus ihrer Lebenswelt wog in diesem Falle mehr als die der Experten aus Verwaltung oder Wissenschaft. Wie von Seebacher, Alcántara und Quint (2018: 103) gefordert, darf aus dem Partizipationskontinuum „[…] keine Art ‚Pflicht zu andauernder Partizipation‘ aller Akteure bei allen Themen und Aktivitäten abgeleitet werden“. Auch dies sollte kommuniziert werden, damit keine falschen Erwartungen entwickelt und dann enttäuscht werden. Aber nicht nur das Treffen von Entscheidungen unter Einbeziehung unterschiedlicher Akteure kann als wertvolles Ergebnis gesehen werden, sondern auch die dabei zu beobachtenden sozialen Dynamiken und Aushandlungsprozesse, die viel über die Ängste und Bedürfnisse in der Bürgerschaft zeigen.

Im Reallabor Schorndorf hat sich auch gezeigt, dass „[d]as Abwägen zwischen Interessen der Praxispartner sowie forschungsbezogenen Zielen, mit Erwartungen an schnelle praxisnahe und öffentlichkeitswirksame Ergebnisse einerseits und möglicherweise als langsam wahrgenommene Produktion von Forschungserkenntnissen andererseits, hierbei häufig eine zentrale Herausforderung ist“ (Brandies/König/Viergutz et al. 2017: 178).

Eine weitere Herausforderung, welche die Einbeziehung von Praxispartnern im Reallabor betrifft, liegt in der Kommunikation in transdisziplinären Teams. Hierbei ist das Finden und gegebenenfalls gemeinsame Entwickeln einer gemeinsamen, leichten Sprache zentral (Kellermann 2014). Allzu häufig nutzen vor allem wissenschaftliche Akteure ein Fachvokabular, das von nichtwissenschaftlichen Akteuren nicht verstanden wird oder falsch verstanden werden kann. Durch eine zu wissenschaftliche Sprache schon in den Einladungen zu Ko-Kreations-Workshops könnten sich bestimmte Bevölkerungsgruppen ausgeschlossen fühlen.

Um die für Reallabore relevante Brücke vom Wissen zum Handeln zu schlagen und möglichst langfristige und dauerhafte Transformationen herbeizuführen (Schneidewind/Augenstein/Stelzer et al. 2018), ist eine weitere Herausforderung, die lokalen Entscheidungsträger, wie beispielsweise die Stadtverwaltung, einzubeziehen, um die spätere Einführung und Umsetzung der Innovation zu ermöglichen. Die Entscheidungen, die im Rahmen von Reallaboren getroffen werden, sollen somit legitimiert werden (Parodi/Waitz/Bachinger et al. 2018; vgl. auch Taylor 2007). Im Reallabor Schorndorf waren die Stadt Schorndorf sowie der lokale Verkehrsbetrieb als weitere Projektpartner von Anfang an im Projekt beteiligt, wodurch dieser Punkt von Anfang an adressiert wurde.

Im Hinblick auf die in diesem Kapitel diskutierte Forschungsfrage 3 kann festgehalten werden, dass das Anerkennen der Bürger/-innen als Experten/-innen ihrer eigenen Lebenswelt inklusive der Übergabe von Machtbefugnis bedeutsam ist, um diese als tatsächliche Ko-Kreatoren zu ermächtigen. Das Begegnen auf Augenhöhe setzt unter anderem den Aufbau einer für alle Parteien passenden Arbeitskultur voraus sowie die Verwendung einer gemeinsamen, leichten Sprache, die niemanden aufgrund von fehlendem Fachwissen ausschließt. Von zentraler Bedeutung ist es an dieser Stelle, dass den Bürgerinnen und Bürgern der Wert ihrer Beteiligung verdeutlicht wird und sie ermutigt werden, eigene Ideen einzubringen.


5  Ableitung von Handlungsempfehlungen
Aus den Erfahrungen der beiden Reallabore und unter Einbeziehung existierender Literatur lassen sich die folgenden Empfehlungen für Forschende und Praxisakteure in Reallaboren ableiten, die dem eingangs erwähnten Matthäus-Effekt entgegenwirken können. Einige Erkenntnisse bestätigen Erkenntnisse früherer Studien, auf die nachfolgend verwiesen wird.
1. 
Beziehen Sie die Bürger/-innen und die lokalen Interessenvertreter/-innen so früh wie möglich ein, um das realweltliche Problem und die Forschungsfrage von Anfang an gemeinsam zu definieren (vgl. auch Martin 2008; Hammerl/Berkhout/Oswald 2016). Schaffen Sie zudem frühzeitig eine Betroffenheit der direkt und indirekt Beteiligten, um eine Einbindung zu ermöglichen, bevor wichtige Entscheidungen getroffen sind, um so dem Beteiligungsparadoxon entgegenzuwirken (Kamlage/Nanz/Fleischer 2014).
2. 
Konzentrieren Sie sich bei der Entwicklung neuer Lösungen oder Produkte – in unserem Fall das Mobilitätskonzept – nicht nur auf ausgewählte Nutzergruppen (cherry picking), sondern versuchen Sie im Sinne der Daseinsvorsorge (vgl. Kapitel 1) verschiedene Nutzergruppen zu integrieren und somit die Heterogenität der Gesellschaft widerzuspiegeln.
3. 
Versuchen Sie, das Einverständnis (commitment) der lokalen Entscheidungsträger (z. B. Stadtverwaltung) frühzeitig zu erreichen (Hammerl/Berkhout/Oswald 2016), um die spätere Umsetzung der Innovation zu ermöglichen. Zudem sollten lokale Entscheidungsträger die Teilnehmenden als Mitentscheider/-innen legitimieren (vgl. Stufe 6 der Partizipationsleiter in Abbildung 1; vgl. auch Taylor 2007).
4. 
Nutzen Sie die digitalen Möglichkeiten und soziale Netzwerke zur Ansprache der Bürger/-innen. Insbesondere geht es dabei um die Adaption der openness im Sinne der Aktivierung der Ressourcen und des Wissens vieler (wisdom of the crowd) und damit um eine neue Form der aktiven und gestaltenden Teilhabe (vgl. Petrin 2016). Kombinieren Sie, wenn möglich, Online- und Präsenzverfahren, um Personen zu rekrutieren (Kubicek/Lippa/Westholm 2009). „Bei einer komplementären Anwendung von Online- und Präsenzverfahren ergänzt ein Format das andere, sodass dadurch beispielsweise andere Zielgruppen angesprochen werden (Alcántara/Kuhn/Renn et al. 2014: 62).
5. 
Nutzen Sie (informelle) Gespräche mit Interessenvertretern/-innen marginalisierter Gruppen, damit sie den Zugang herstellen können, um so eine Alternative zur direkten Beteiligung zu schaffen.
6. 
Haben Sie den Mut, mit den heterogenen Bedürfnissen, Anforderungen und Meinungsbildern umzugehen. Die sozialen Dynamiken und Aushandlungsprozesse in Workshops, Arbeitsgruppen und öffentlichen Veranstaltungen sind mit Kontroversen verbunden. In diesen Kontroversen kann viel über Ängste und Motivationen von Bürgerinnen und Bürgern sowie über Aushandlungs- und Transformationsprozesse gelernt werden (de Flander/Hahne/Kegler et al. 2014; Beecroft 2018). Nutzen Sie die Testumgebung des Reallabors, um Wissen und Erfahrungen in einem realen Kontext zu generieren und die Diversität der Meinungen kennen und schätzen zu lernen.
7. 
Schätzen Sie Denkanstöße wert, die allein durch den Rekrutierungs- und Informationsprozess eines Reallabors entstehen, auch wenn keine kontinuierliche Partizipation stattfindet, denn ein wertvolles Ergebnis kann auch das steigende gesellschaftliche Bewusstsein für ein Thema sein. Im Sinne der Grundidee von Reallaboren (vgl. Parodi/Beecroft/Albiez et al. 2016) kann der Prozess der Sensibilisierung der Bürgerschaft für Fragen der Nachhaltigkeit selbst als Erfolg gewertet werden, auch wenn nicht alle Bevölkerungsgruppen direkt beteiligt wurden.
8. 
Stellen Sie für die Menschen im Ort eine Selbstwirksamkeit und Selbstbefähigung (empowerment) (vgl. Kapitel 2) her. Hierbei wird als essenziell angesehen, das Potenzial zivilgesellschaftlichen Engagements darzustellen, das häufig unterschätzt wird (Rösener/Selle 2005). So sollte ‚Laien‘ bewusst gemacht werden, dass sie selbst ihre eigene Lebenswelt besser kennen als viele derer, die Entscheidungen treffen. Durch das Begreifen der eigenen Rolle bei der Mitentscheidung wird die eigene Einflussnahme gesehen, was eine positive Auswirkung auf die Motivation zur Teilnahme hat (Kuder 2016: 6‑7). Es gilt also, eine „Pseudo-Beteiligung“ oder Alibi-Partizipation zu vermeiden, die zu „Frust, Kritik und […] aktivem Blockieren“ führen kann (Hammerl/Berkhout/Oswald 2016: 499).

6  Erörterung offener Punkte und Forschungsbedarf

Als ein offener Diskussionspunkt bleibt die Frage, ob die Forschung in Reallaboren zwingend dem Anspruch genügen muss, alle zu beteiligen und die Bedürfnisse aller Bevölkerungsgruppen zu berücksichtigen. So fragen auch Bickerstaff, Tolley und Walker (2002: 64): „Does ‘inclusive’ mean all possible interests have the opportunity to participate (e.g. through a household questionnaire), that interest group representatives should be involved (and not necessarily ordinary citizens) or that efforts should be made to ensure ordinary citizens – and in particular disadvantaged groups – are actively brought into the process?” Der Beitrag hat gezeigt, dass bei der Beantwortung der Frage, ob eine klassische Repräsentativität immer notwendig ist, der Kontext des Partizipationsprozesses und die jeweilige Fragestellung eine wichtige Rolle spielen. Alcántara, Kuhn, Renn et al. (2014: 61) stellen in ihrer Studie heraus, dass „lokale und konkrete Themen eine selektivere Auswahl der Teilnehmenden [an Reallaboren] zulassen. […] So [ist] es sinnvoll, bei konkreten Planungsvorhaben bzw. Umsetzungen oder Entscheidungen zu Standorten insbesondere die Betroffenen in einen Partizipationsprozess einzubinden“. Hierbei verweisen Alcántara, Kuhn, Renn et al. (2014: 61) auf die „‚kontextbezogene Repräsentativität‘, bei der der Grad der Repräsentativität an den jeweiligen Kontext angepasst wird (beispielsweise bei lokalen und konkreten Themen mehr Betroffene beteiligen)“. Sie heben jedoch auch die Notwendigkeit hervor zu kontrollieren, ob Gruppen eventuell vergessen bzw. nicht beteiligt werden.

Eine offene Frage, die sich in Bezug auf die Rolle von Bürgern/-innen ergibt, lautet, wie sich die Selbstwirksamkeit von Bürgern/-innen in Reallaboren erhöhen lässt. Hierbei zeigte sich in den beiden vorgestellten Forschungsprojekten die Relevanz eines kontinuierlichen Kommunikationskonzepts, das analoge und digitale Kommunikationskanäle kombiniert. Reallabore leben von der Beteiligung der Betroffenen, jedoch kann nicht per se davon ausgegangen werden, dass alle Betroffenen gut informiert sind. Im Reallabor Schorndorf hatte sich gezeigt, dass der Grad der Informiertheit unter den Ansässigen auch nach einigen Jahren Projektlaufzeit teilweise noch sehr gering ist. Gleichzeitig hat sich im Projekt Reallabor Schorndorf gezeigt, dass Personen, die sich aktiv am Reallabor-Projekt beteiligt haben, das System abschließend viel besser bewertet haben als Nicht-Beteiligte (Brost/Gebhardt/Karnahl et al. 2019). Eine weitere offene Frage ergibt sich jedoch hinsichtlich der langfristigen Effekte der Beteiligung auf die Bewertung der Lösung. Hier wären Nachfolgestudien wünschenswert, welche die Akzeptanz der implementierten Lösung nach einem oder zwei Jahren evaluieren. Dieser Bedarf ist umso stärker in Anbetracht der geringen Anzahl von empirischen Studien zu der Nutzung von vergleichbaren On-demand-Bussen (König/Grippenkoven 2020).

In Bezug auf die Selektivität von beteiligten Personengruppen in Reallaboren muss auch die Frage nach der gruppenspezifischen Nützlichkeit der entwickelten Lösung gestellt werden, denn die Nützlichkeit eines On-demand-Verkehrs hat sich als entscheidende Determinante für die Nutzungsintention erwiesen (König/Grippenkoven 2020). Eine Hypothese, die sich aus unserer Forschung ergibt, lautet, dass unter Berücksichtigung aller Beteiligten im Reallabor eine größere Nutzungsbereitschaft erreicht werden kann, da die verschiedenen nützlichkeitsbedingenden Faktoren einbezogen werden.

Das Thema der Selektivität und des drohenden Matthäus-Effekts ist ein inhärentes Thema von Reallaboren, das nicht negiert werden sollte. Die Begleitforschung zu Reallaboren steckt noch in den Kinderschuhen und eine tiefergehende Auseinandersetzung mit den (wissenschafts-)theoretischen und konzeptionellen Debatten um die Methodologie von Reallaboren ist ebenso erforderlich wie weitere empirische Erkenntnisse zu deren Wirkung und Effektivität (Parodi/Albiez/Beecroft et al. 2016; Beecroft/Trenks/Rhodius et al. 2018).

Die Idee von digitalen Beteiligungsansätzen, wie beispielsweise digitalem Crowdsourcing6, wollen wir an dieser Stelle als einen weiteren Punkt nennen, der in zukünftigen Ausgestaltungen von Reallaboren gegebenenfalls übertragen und angewandt werden könnte. Die Menge (crowd) wird dabei zur Quelle (source) der Innovation – die Öffnung der Innovationsprozesse vollzieht sich nun über den Rahmen von Institutionen und Unternehmen hinaus in die Sphäre des Individuums (vgl. Surowiecki 2004; Zhao/Zhu 2014). Ebenso wie es Erkenntnisse zu Ansätzen der Online-Partizipation in der Stadtentwicklung gibt (Klemme/Wiegandt/Wiesemann 2017), wäre eine Methodenreflexion von Online-Formaten für Reallabore wünschenswert. Bezogen auf Reallabore gilt es in diesem Zusammenhang, folgende Fragen zu überprüfen: Inwieweit kann Crowdsourcing als niedrigschwellige Methode genutzt werden, um Bürger/-innen unterschiedlicher sozioökonomischer Herkunft in den Forschungsprozess einzubeziehen? Kann die Möglichkeit, sich vom eigenen Rechner aus an der Wissenschaft zu beteiligen, die Hürden für Bürgerbeteiligung reduzieren oder werden auch hierbei wichtige Personengruppen, wie weniger Digital-Affine, ausgegrenzt? Daran schließt sich die Frage an bzw. stellt sich die Herausforderung, ob bzw. dass alle Bürger/-innen zukünftig Digitalkompetenzen haben bzw. erwerben können. Der Hackathon der Deutschen Bundesregierung, der vom 20. bis 22. März 2020 mit 42.968 Teilnehmern/-innen mit dem Ziel der Entwicklung von digitalen Lösungen gegen Covid-19 stattfand, ist ein eindrucksvoller Beweis, wie weitreichend die Möglichkeiten der Beteiligung durch virtuelle Anwendungen, selbst in Ausnahmesituationen sind.7 Hier zeigte sich das Potenzial, ad hoc ein lebensweltliches, neu aufgekommenes Problem gemeinsam zu bearbeiten. Nichtsdestotrotz ist man hier mit Fragen der Repräsentativität und Selektivität konfrontiert, denn die Teilnahme setzt einige digitale Kenntnisse und den Zugang zu Programmen voraus. Wichtig wäre es, solche neuen Prozesse wissenschaftlich zu begleiten und zu evaluieren, um genau solche Fragen der Repräsentativität und Selektivität beantworten zu können.

Förderhinweis  
Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg (AZ 31-8809-12/211/1)
Bundesministerium für Bildung und Forschung (01UV2038)


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Fußnoten

1Vgl. https://www.wissenschaftsjahr.de/2015/fileadmin/zukunftsstadt/Bilder/Wissenschaftsjahr_und_Partner/Presse_Downloads/150526-Ergebnisse-Forsa-Umfrage-Buergerbeteiligung-Wissenschaftsjahr-Zukunftsstadt.pdf (26.10.2020) und https://www.wissenschaft-im-dialog.de/projekte/wissenschaftsbarometer/wissenschaftsbarometer-2019/ (26.10.2020).
2Bezüglich Transdisziplinarität bzw. transdisziplinärer Forschung herrscht eine Definitionsvielfalt (vgl. Pohl/Hirsch Hadorn 2007; Klein 2010). Diese Arbeit fußt auf folgendem Verständnis: Transdisziplinarität bezeichnet die Öffnung der Wissenschaft hin zu a) lebensweltlichen Problemlagen, b) der Integration außerwissenschaftlicher Akteure und c) der explizit normativen Bearbeitung ihrer Themen. Transdisziplinäre Forschung arbeitet in aller Regel auch interdisziplinär (Bergmann/Jahn/Knobloch et al. 2010: 38) und versteht sich als aufwendiger Forschungsprozess, der gemeinsam mit außerwissenschaftlichen Akteuren gestaltet wird, wodurch sich auch die „Forschungsfragen, Hypothesen, Methoden und die Sprache der Forschung verändern“ (Eckardt 2014: 7).
3Für einen Überblick über die internationale Debatte zu Reallaboren vgl. z. B. das Schwerpunktheft „Reallabore als Orte der Nachhaltigkeitsforschung und Transformation“ der Zeitschrift „TATuP – Technikfolgenabschätzung in Theorie und Praxis“; https://www.tatup.de/index.php/tatup/issue/view/13 (26.10.2020).
4https://www.bundeswahlleiter.de/dam/jcr/8dbb2264-1f08-405d-97fd-56868c8eaad8/BTW_Wahlbeteiligung.pdf (27.10.2020).
5Für eine detaillierte Beschreibung der Workshop-Gestaltung vgl. Gebhardt/König (2019).
6Das Einbeziehen der Endnutzer/-innen in den Innovationsprozess wird auch unter dem Begriff des Crowdsourcings diskutiert (vgl. Nash 2009).
7https://wirvsvirushackathon.org/ (28.10.2020).