Innenentwicklung – eine realistische Strategie für die regionale Siedlungsflächenentwicklung? Untersuchung im Gebiet des Umlandverbandes Frankfurt Authors Engelbert Lütke-Daldrup Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen DOI: https://doi.org/10.14512/rur.2439 Abstract Angesichts der sich zuspitzenden Flächennutzungskonflikte in den Verdichtungsräumen intensiviert sich erneut die Debatte, wie das weitere Ausufern der Bebauung in das Weichbild der Städte gestoppt und die noch verbliebenen ökologisch bedeutsamen Freiräume geschützt werden können. Neben der eher langfristigen Perspektive sinkender Bevölkerungs- und Haushaltszahlen wird in absehbarer Zeit vor allem durch eine verstärkte Innenentwicklung eine Eindämmung des Landschaftsverbrauchs erwartet.Im Kontext einer rationalen, kontrollierten und den ökologischen Erfordernissen gerecht werdenden Flächenbewirtschaftung wird der Nutzung von Reserven im bereits besiedelten Raum strategische Bedeutung zugemessen. Inwieweit der zunächst noch auf jeden Fall verbleibende Expansionsbedarf der Kommunen durch Innenentwicklung aufgefangen werden kann, ist eine bisher ungeklärte Frage. Hierzu wird ein kleinräumiger Untersuchungsansatz zur Ermittlung, Analyse und Bewertung von Flächenpotentialen im Innenbereich vorgestellt.Die Ergebnisse einer Pilotstudie zur Innenentwicklung für den Umlandverband Frankfurt ermöglichen erste Aussagen zur Struktur und Größe der Flächenpotentiale. Zu den wesentlichen Ergebnissen gehört, daß die konkreten Gegebenheiten der Gebiete sowie die Veränderungsbedürfnisse und die finanziellen Möglichkeiten der Bewohner die tatsächliche Größe der Entwicklungsmöglichkeiten im Innenbereich determinieren.Bei Aufrechterhaltung des heute feststellbaren Flächenbedarfs wird in den prosperierenden Verdichtungsgebieten der weitere „Flächenverbrauch“ durch Innenentwicklung nicht zu stoppen sein. Solange weitreichende gesellschaftliche Verhaltensänderungen nicht absehbar sind, muß sich die Siedlungsplanung auf Expansionswünsche einstellen und versuchen, diese im Rahmen einer geordneten Flächenhaushaltspolitik rational zu steuern. Auf absehbare Zeit ist somit eine „mittlere Strategie“ mit verstärkter Innenentwicklung und begrenzter – ökologisch möglichst „unschädlicher“ – Außenentwicklung eine sinnvolle und realistische Orientierung der Planung. Downloads Download data is not yet available. References Vgl. z. B. Bodenschutzkonzeption 1985; Raumordnungsbericht 1986, S. 103 f.; Arbeitskreis “Flächenhaushaltspolitik” 1987, S. 6 ff.; Bürger 1987, S. 54; MKRO 1987. Eine ausführliche Darstellung dieser Problematik findet sich bei Lütke-Daldrup 1989, S. 46 ff. und 137 ff. Vgl. Arbeitskreis Flächenhaushaltspolitik 1987, S. 7. Vgl. Wolf 1987, S. 369. Neben diesem strategischen Ansatzpunkt zur Gewährleistung eines “rationalen, kontrollierten und ökologischen Erfordernissen gerecht werdenden Umgang(s) mit dem Grund und Boden” (Arbeitskreis Flächenhaushaltspolitik 1987, S. 9) wird von Losch (1985, S. 47 ff.) eine umfassende städtebauliche Strategie zur Verminderung der Bodeninanspruchnahme vorgeschlagen. Der eher stadtstrukturelle Ansatz von Losch zielt primär auf eine Bedarfsreduktion ab, während der Ansatz einer geordneten Flächenhaushaltspolitik den rationellen Umgang mit den verbleibenden Flächenbedarfen in den Mittelpunkt der Überlegungen stellt. Arbeitskreis Flächenhaushaltspolitik 1987, S. 7. Der Begriff Außenbereich wird hier (genauso wie der Begriff Innenbereich) abweichend von seiner planungsrechtlichen Definition im BauGB verwandt. Vgl. Losch/Nake 1988, S. 594. Diese Frage stellt sich insbesondere auf der Ebene der Flächennutzungsplanung in Großstadtregionen, z. B. im Umlandverband Frankfurt, im Zweckverband Großraum Hannover und auf der Ebene der Regionalplanung. Die hier mechanistisch verkürzte Darstellung der Suburbanisierung kann detaillierter bei Lütke-Daldrup 1989, S. 10 ff. nachvollzogen werden. Vgl. dazu eine Reihe in ihren Grundzügen ähnlicher Veröffentlichungen von Eberle, Kistenmacher u. a. Zuletzt: Kistenmacher et al. 1987, S. 233 ff. Zu “besiedelten Bereichen” werden in gewisser Abweichung von der Sprachregelung des Baugesetzbuches folgende Flächen gerechnet: Alle Grundstücke innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile (entsprechend § 34 Abs. 1 BauGB), einschließlich der Grundstücke, die die Gemeinden nach § 34 Abs. 4 Nr. 3 BauGB zur Abrundung in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen können. Weiter die Bebauungsplangebiete (§ 30 BauGB), die bereits (teilweise) bebaut sind oder zumindest eine gesicherte Erschließung aufweisen. Zur genauen definitorischen Abgrenzung vgl. Lütke-Dadrup 1989, S. 71 f. Der Maßnahmenbegriff dieser Untersuchung geht erheblich über die auf Dieterich et al. (1981, S. 41 ff.) zurückgehende Definition der verschiedenen Baulückenarten hinaus. Schramm et al. 1986, S. 23. Mit der Homogenität hinsichtlich städtebaulicher Kennzifferrn geht – nach den Ergebnissen der Pilotstudie – eine relativ große Homogenität hinsichtlich sozioökonomischer Merkmale einher. Allerdings sind in einzelnen städtebaulich homogenen Siedlungsstrukturtypen auch unterschiedliche Sozialgruppen anzutreffen. Vgl. z. B.: Dieterich et al. 1981, S. 67 ff.; Schmidt-Eichstaedt 1985, S. 25 ff.; Behr et al. 1986, S. 210 ff. u. a. Schramm et al. 1986, S. 24. Dabei ist die begriffliche Scheidung zwischen Eignungen und Restriktionen fließend. Während das eine mehr die positive Voraussetzung zum Ausdruck bringt, deutet das andere eher auf entgegenstehende Belange hin. Soweit sinnvoll, wird Gebietscharakter bzw. planungsrechtliche Situation auch verändert. Diese Hypothese liegt z. B. der Untersuchung der ARP 1987 zu Geschoßflächenpotentialen für Wohnen in Freiburg zugrunde. Alle berechneten Korrelationen sind weder auf dem 1 %- noch auf dem 5 %-Niveau signifikant, so daß die untersuchten Zusammenhangshypothesen verworfen werden müssen. Diese Verhaltensänderungen beziehen sich sowohl auf das Anspruchsniveau an die Größe der Wohnung als auch auf die Nachfragestruktur. Im Rahmen der Innenentwicklung ist es nicht möglich, überwiegend freistehende Einfamilienhäuser – wie es den Wohnwünschen entsprechen würde – zu realisieren. Vielmehr sind größere Teile der Potentiale in verdichteteren Bauweisen und bestandsbezogenen Gebäudeerweiterungen bzw. -umnutzungen vorhanden. Der tatsächliche Anteil der bestandsbezogenen Potentiale dürfte im Rahmen der Modellgebietsanalyse eher unterschätzt sein, da überproportional viele Gebiete mit erkennbaren Reserven, d. h. vor allem Baulücken u. ä., untersucht wurden. Insofern ist nicht auszuschließen, daß bei einer repräsentativen Erhebung im Rahmen der 1989 und 1990 durchgeführten Hauptuntersuchung der Anteil der gebäudebestandsbezogenen Potentiale auf die Hälfte des Gesamtpotentials ansteigt. Hierbei dürfte die politische Konsensfindung zu den “Umweltnormen” das größte Problem darstellen. Vgl. Dick 1986, S. 1824 f.; Sieverts 1987, S. 40 ff. Diese generelle Infragestellung der Innenentwicklung war Ende 1988 erstmals Gegenstand einer breiteren wissenschaftlichen Diskussion. In einem städtebaulichen Kolloquium zum Thema “Perspektiven der Siedlungsentwicklung – Neue Siedlungsstrukturen als ökologische Chance?“ an der TH Darmstadt (in Zusammenarbeit mit dem BMBau und dem Interdisziplinären Zentrum für Technikforschung) wurde eine erste Bewertung der extensiven Besiedlungskonzeptionen versucht. Unter anderem in einem Vortrag von Albers aus dem Jahr 1985. Vgl. Albers 1986, S. 32. Vgl. den Abdruck des Vortrages im Baumeister (1987) Nr. 10; zitiert als Sieverts 1987. Sieverts 1987, S. 44 f. Während aufgegebene landwirtschaftliche Monokulturflächen sehr wohl wieder renaturiert werden können – die Experten streiten lediglich darüber, ob die Flächen sich selbst überlassen oder der Renaturierungsprozeß durch aktive menschliche Eingriffe unterstützt werden sollte –, ist Besiedlung seit der Industrialisierung aller Erfahrung nach heute ein irreversibler Prozeß, der den Wert der Flächen nachhaltig beeinträchtigt. Man denke nur an die aufwendige Erschließung solcher Siedlungsgebiete und die hohen erforderlichen Infrastrukturaufwendungen. Vgl. ausgewählte Biotoptypen in Hannover. Arbeitsgemeinschaft Stadtbiotopkartierung 1985. Albers, G.: Neue Aufgaben der Stadt- und Dorferneuerung. In: BMBau (Hrsg.): Neue städtebauliche Aufgaben. Heft 03.115. – Bonn 1986. ARP: Siedlungsentwicklung ohne Landschaftsverbrauch. 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In: Flächenhaushaltspolitik 1987, S. 367 ff. Downloads PDF (German) XML (German) Published 1989-09-30 Issue Vol. 47 No. 5,6 (1989) Section Research Article License Copyright (c) 1989 by the RuR Editors; re-published by oekom 2023 This work is licensed under a Creative Commons Attribution 4.0 International License. Articles in Raumforschung und Raumordnung – Spatial Research and Planning are published under a Creative Commons license. From Vol. 79 No. 2 (2021), the license applied is CC BY 4.0. From Vol. 77 No. 1 to Vol. 79 No.1, articles were published under a CC BY-SA license. Earlier volumes have been re-published by oekom 2022 under the Creative Commons Attribution 4.0 International License CC BY 4.0. How to Cite 1.Lütke-Daldrup E. Innenentwicklung – eine realistische Strategie für die regionale Siedlungsflächenentwicklung? Untersuchung im Gebiet des Umlandverbandes Frankfurt. RuR [Internet]. 1989 Sep. 30 [cited 2025 Nov. 17];47(5,6):296-307. 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