Regionale Identität Erwachsener Voraussetzungen und empirische Befunde Authors Hans-oachim Schulze Vakgroep Pedagogiek, Sectie Sociale Pedagogiek, Transitorium I, Vrije Universiteit Amsterdam DOI: https://doi.org/10.14512/rur.2441 Abstract Der Beitrag konzipiert Region als Segmentäre Kultur auf dem Hintergrund der Theorie der differenzierten Gesellschaft. Prämisse der empirischen Untersuchung regionaler Identität ist, daß diese Identität in einem spezifischen Sinne an die Existenz und den Bezug zu einer Region, verstanden als ein jeweils eigener, einmaliger Sinnkontext, geknüpft sein muß. Auf dieser Basis wird eine bestimmte Region auf das Merkmal ihrer „Eigensinnigkeit“ und die Bevölkerung darin auf die Bezüge zu ihrer (Wohn‑)Region mit mehreren Methoden im Rahmen einer Querschnittserhebung untersucht. Es zeigen sich eher emotionale und eher traditionale Zugänge zur Region und dementsprechend unterschiedliche Dimensionen regionaler Identität. Diese werden auch bei jenen Erwachsenen sichtbar, die in die Region nach Ablauf der Jugendzeit zugezogen sind und hier dann ein bis zwei Jahrzehnte gelebt haben. Künftige Erhebungen zur Entwicklung der regionalen Identität sollten als komparative Längsschnittuntersuchungen angelegt werden. Downloads Download data is not yet available. References Vgl. entsprechendes Themenheft “Regionalbewußtsein und Regionsentwicklung” der Informationen zur Raumentwicklung (1987), 1. 7/8. Simmel, G.: Das Geld in der modernen Kultur. In: Dahme, H.-J. und Rammstedt, O. (Hrsg.): Schriften der Soziologie – eine Auswahl. – Frankfurt 1983, S. 78–94. Siehe jüngst Luhmann, N.: Soziologische Aufklärung, 4. Beiträge zur funktionalen Differenzierung der Gesellschaft. – Opladen 1987. Vgl. Vogt, E.Z.; O’Dea, T.F.: A Comparative Study of the Role of Values in Social Action in two Southwestern Communities. In: American Sociological Review, Jg. 18 (1953), S. 645–654. DOI: https://doi.org/10.2307/2088119 Vgl. Durkheim, E.: Über die Teilung der sozialen Arbeit (zuerst 1893). – Frankfurt a.M. 1977, S. 229 und 329. Rezentere Forschungsergebnisse zum Thema der industriellen Entwicklung und regionalen Besonderung enthält der Band von Conze, W.; Engelhardt, U.: Arbeiter im Industrialisierungsprozeß. Herkunft, Lage und Verhalten. – Stuttgart 1979. Vgl. dazu Lipp, W.: Heimatbewegung, Regionalismus. Pfade aus der Moderne? In: Neidhardt, M.F.; Lepsius, M.R.; Weiss, J. (Hrsg.): Kultur und Gesellschaft. – Opladen 1986. = Sonderheft 27 der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, S. 331–355. DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-91077-6_17 Das Verständnis von Region als “eigensinnigem” Kulturzusammenhang liegt auch folgender Veröffentlichung zugrunde: Cash, W.J.: The Mind of the South. – New York 1941. Vgl. dazu Schulze, H. -J.: Regionale Kultur – Kontext und Eigensinn. Probleme der Operationalisierung. In: Heckmann, F.; Winter, P. (Hrsg.): 21. Deutscher Soziologentag 1982, Beiträge der Sektions- und Ad-hoc-Gruppen. – Wiesbaden 1983, S. 757–761. DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-83504-8_154 Es ist auch der Fall denkbar, daß Erwachsene in ihrem Selbstbild sich wesentlich auf einen Raum beziehen, der nicht real vorhanden und quasi utopisch ist, so daß nur in einem metaphorischen Sinn von regionaler Identität zu sprechen wäre. Dieser Fall soll hier nicht betrachtet werden. Vgl. Lipp, W. (Leitung); Becker, W.; Braun, W.; Hagenhoff, W.; Hauh, T.; Heller, E.; Herrlein, P.; Karneth, R.; Kießling, B.; Kruse-Keiner, B.; Schulze, H.-J.; Voll, G.; Wächter, M.: Gemeindeleben und Ortskultur. Untersuchungen zum Salinenort Ebensee. Empirische Befunde – Theoretische Perspektiven. Projektbericht. – Würzburg 1983. Vgl. hier: Schütze, F.: Die Technik des narrativen Interviews in Interaktionsfeldstudien. Dargestellt an einem Projekt zur Erforschung kommunaler Machtstrukturen. – Bielefeld 1977. = Universität Bielefeld, Fakultät für Soziologie (Hrsg.): Arbeitsberichte und Forschungsmaterialien, Nr. 1. narrative Interviews wurden transkribiert, sechs Informationsgespräche mit offiziellen Gemeindevertretern und vier Gruppengespräche mit Organisationsvertretern wurden – unter Verwendung von Tonbandaufnahmen und Notizen – ausgewertet. Die Auswertung erfolgte durch abwechselnde Einzel- und Gruppenarbeit unter ständiger Präzisierung der Vorgehensweise. Vgl. dazu die entsprechenden Hinweise aus der Untersuchungvon Vogt/O’Dea, a. a. O., S. 651. Die Wiedergabe der Auswertung und die auswahlweise Wiederabe von Transkriptionsabschnitten muß aus Raumgründen unterleiben. Vgl. dazu auch Meier-Dallach, H.-P.; Hohermuth, S.; Nef R.: Regionalbewußtsein, soziale Schichtung und politische Kultur. Forschungsergebnisse und methodologische Aspekte. In: Informationen zur Raumentwicklung (1987) H. 7/8, S. 377–393. Vgl. Hagstotz, E., Kösters, W.: Bestimmungsfaktoren subjektiver Umweltbelastung: Wahrnehmung der Wirklichkeit oder Wirklichkeit per Wahrnehmung. In: Politische Vierteljahresschrift, 27. Jg. (1987), H. 3, S. 355. Vgl. Lyman, S.M.; Scott, M.B.: Territoriality: A Neglected Sociological Dimension. In: Social Problems, Jg. 15 (1967), S. 247 f. DOI: https://doi.org/10.1525/sp.1967.15.2.03a00090 Vgl. Wunderlich, D.: Grundlagen der Linguistik. – Reinbek 1974, S. 137 ff. Vgl. dazu besonders die Kapitel 2 und 5 in: Bahrdt, H.P.: Umwelterfahrung – Soziologische Betrachtungen über den Beitrag des Subjekts zur Konstitution von Umwelt. – München 1974. Daß Inseln sich als besonders identifikationsfähig erweisen, belegt Horst Reimann (vgl. Reimann, H.: Insulare Regionalkulturen: Malta, Sizilien, Puerto Rico. In: Lipp, W. (Hrsg.): Industriegesellschaft und Regionalkultur – Untersuchungen für Europa. – Köln, Berlin, Bonn, München 1984, S. 235–283). Vgl. auch Zingerle, A.: Regionalkultur und Kulturlandschaft im Alpenraum. In: Lipp, ebd., S. 179 und Hagenhoff, W.; Voll, G.; Wächter, M.: Gemeindeleben und Ortskultur. Neuerhebung. – Würzburg 1983. Zum Alltag generell und speziell zu dem der Familie vgl. Tyrell, H.: Familienalltag und Familienumwelt: Überlegungen aus systemtheoretischer Perspektive. In: Zeitschrift für Sozialisationsforschung und Erziehungssoziologie, 2. Jg. (1982) H. 2, S. 167–188; zum Verhältnis von Familie und Umwelt im Alltag der Großstadt siehe auch: Strohmeier, K.P.: Quartier und soziale Netzwerke – Grundlagen einer sozialen Ökologie der Familie. – Frankfurt/Main 1983. Vgl. dazu Gerndt, H.: Münchener Untersuchungen zum Festwesen. In: Köstlin, K.; Bausinger, H. (Hrsg.): Heimat und Identität – Probleme regionaler Kultur, Volkskunde-Kongreß in Kiel 1979. Im Rahmen der Untersuchungen in der Gemeinde A. hat R. Karneth eine Inhaltsanalyse der Regionalzeitung angefertigt, aus der hervorgeht, daß die Regionalzeitung ständig ein bestimmtes Bild der Region vermittelt bzw. bekräftigt. Vgl. dazu Lipp, W.: Soziale Räume, regionale Kultur: Industriegesellschaft im Wandel. In: ders. (Hrsg.): Industriegesellschaft und Regionalkultur. – Köln 1984, S. 21. Siehe dazu Stephan, W.G.: Intergroup relations. In: Lindzey, G.; Aronson, E. (Hrsg.): The Handbook of Social Psychology, Vol. 11, Third Edition. – New York 1985, S. 600. Ausdrücklich ausgeschlossen als mögliche Komponente regionaler Identität ist die Wohnzufriedenheit oder die vage Umzugsabsicht. Vgl. dazu z.B.: Zapf, K.; Heil, K.; Rudolpf, J.: Stadt am Stadtrand. – Frankfurt/Main 1969; für Parallelen zur Aussageschwäche der Zufriedenheitsforschung im Bereich der Arbeitsforschung vgl. Volmerg, U.: Identität und Arbeitserfahrung. Eine theoretische Konzeption zu einer Sozialpsychologie der Arbeit. – Frankfurt/M. 1978, S. 156 f. Die Arbeit an diesem Abschnitt der Untersuchung wurde vom Autor zusammen mit Winfried Hagenhoff, Gerhard Voll und Mathias Wächter durchgeführt (vgl. dies.: Neuerhebung im Rahmen des Gesamtprojekts zum Thema “Gemeindeleben und Ortkultur“. – Würzburg 1983). In die Analyse wurden 569 von insgesamt 7 200 Ortsbewohnern im Alter von über 13 Jahren einbezogen. Vgl. dazu etwa Firey, W.: Gefühl und Symbolik als ökologische Variable (zuerst 1945). In: Atteslander, P.; Hamm, B. (Hrsg.): Materialien zur Siedlungssoziologie. – Köln 1974, S. 140–153; Treinen, H.: Symbolische Ortsbezogenheit. Eine soziologische Untersuchung zum Heimatproblem. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Jg. 17 (1965), Teil 1: S. 73–97, Teil 2: S. 254–297. Alter, Geschlecht, Familienstand, Schulabschluß, gegenwärtige Erwerbstätigkeit, berufliche Stellung. Hier und nachfolgend werden die aus anderen Grundlagen gespeisten Überlegungen (z. B. von Blotevogel, H.H.; Heinritz, G.; Popp, H.: Regionalbewußtsein – Überlegungen zu einer geographisch landeskundlichen Forschungsinitiative. In: Informationen zur Raumentwicklung (1987) H. 7/8, S. 409–418) zum Teil bestätigt. Vgl. dazu die theoretischen Überlegungen von Bernhard Waldenfels: Heimat in der Fremde. In: Informationen zur Raumentwicklung (1987) H. 7/8, S. 485–495. Mit höherer Schulbildung wird die Differenz zu Nachbarregionen als geringerer Kontrast zur eigenen Region eingeschätzt. Siehe dazu etwa Schaie, K.W.: A Reinterpretation of Age Related Change in Cognitive Structure and Functioning. In: Goulet, L.R.; Baltes, F.B. (Hrsg.): Life-Span Developmental Psychology. Research and Theory. – New York/London 1970, S. 485–507; Krauss-Whitbourne, S.; Weinstock, C.S.: Adult Development. The Differentiation of Experience. – New York 1979, S. 74–82. DOI: https://doi.org/10.1016/B978-0-12-293850-4.50024-8 Die Grundlinien dieses Konzepts können hier des Platzes wegen nicht ausgeführt werden. Sozialisation Erwachsener wird dabei als ein Prozeß begriffen, der sich aus der a) Selbststeuerung des Einzelnen und b) den Merkmalen seiner Umwelt in c) bedingt vorhersehbarer Weise ergibt. Für die Art der Aufnahme von Zuzüglern spielt im einzelnen eine Menge an Faktoren eine Rolle. Die Integration dürfte erleichtert werden, wenn die “neuen” Bewohner nicht segregiert wohnen (vgl. dazu das Stichwort “Kulturelle Integration” (bearbeitet von W.E. Fthenakis) in: Silbereisen, R.K.; Montada, L. (Hrsg.): Entwicklungspsychologie – Ein Handbuch in Schlüsselbegriffen. – München, Wien, Baltimore 1983, S. 184). Aber nicht nur kulturelle Bedingungen sind von Belang. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten sind Zuwanderer unbeliebte Konkurrenten um Arbeitsplätze und werden daher nicht gerne gesehen (vgl. dazu das Beispiel der Mobilitätsbeziehungen zwischen Stadt (Beispiel Zürich) und kleinen Umlandgemeinden in: Matter, M.: Zur Frage der regionalen Identität von Zuwanderern aus kleinen Gemeinden. In: Köstlin/Bausinger, 1980, a. a. O., S. 72). Urie Bronfenbrenner entdeckte anhand der Auswertungen zur kompensatorischen Erziehung, daß das personale System des Kindes die Gewinne an Kompetenzen nur dann zu stabilisieren vermag, wenn die Familie als Fixativ wirkt (vgl. Bronfenbrenner, U.: Wie wirksam ist kompensatorische Erziehung? – Stuttgart: 1974, S. 113). Der Ausdruck “Fixativ” ist sinngemäß identisch mit der Stufe der Retention im Zusammenhang mit der oben angesprochenen und hier nicht ausführbaren Theorie der Identitätsentwicklung als evolutivem Geschehen (vgl. Anm. 34). Doch reichte die Zahl der Befragten in diesem Fall nicht aus, um eine tatsächlich gesicherte Aussage machen zu können. Downloads PDF (German) XML (German) Published 1989-09-30 Issue Vol. 47 No. 5,6 (1989) Section Research Article License Copyright (c) 1989 by the RuR Editors; re-published by oekom 2023 This work is licensed under a Creative Commons Attribution 4.0 International License. Articles in Raumforschung und Raumordnung – Spatial Research and Planning are published under a Creative Commons license. From Vol. 79 No. 2 (2021), the license applied is CC BY 4.0. From Vol. 77 No. 1 to Vol. 79 No.1, articles were published under a CC BY-SA license. Earlier volumes have been re-published by oekom 2022 under the Creative Commons Attribution 4.0 International License CC BY 4.0. How to Cite 1.Schulze H- oachim. Regionale Identität Erwachsener: Voraussetzungen und empirische Befunde. RuR [Internet]. 1989 Sep. 30 [cited 2025 Nov. 17];47(5,6):319-25. Available from: https://rur.oekom.de/index.php/rur/article/view/2441 More Citation Formats ACM ACS APA ABNT Chicago Harvard IEEE MLA Turabian Vancouver Download Citation Endnote/Zotero/Mendeley (RIS) BibTeX Share
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