Europäischer Finanzausgleich zwischen EU-Mitgliedstaaten

Determinanten und finanzielle Dimensionen

Authors

  • Karl-Dieter Grüske
  • Frank Walthes

DOI:

https://doi.org/10.14512/rur.2214

Abstract

Die künftige Ausgestaltung der Europäischen Union beinhaltet auch die mögliche Implementierung eines expliziten, nach rationalen Kriterien konzipierten Finanzausgleichs zwischen den gebietskörperschaftlichen Ebenen des Integrationsraumes. Im Rahmen des Aufsatzes werden die relevanten Parameter eines solchen europäischen Finanzausgleichs modellanalytisch abgeleitet und die monetären Dimensionen anhand von Rechenbeispielen belegt. Nachdem Zahl und Größe der fiskalischen Einheiten der EU exogen gegeben sind, verkörpern die Parameter Finanzkraft, Finanzbedarf und Ausgleichsintensität sowie die horizontalen und vertikalen Ausgleichsgrade die entscheidenden Determinanten eines europäischen Ausgleichssystems. Um mit einem Finanzausgleich im engsten Sinn die finanzschwachen EU-Länder auf ein durchschnittliches Niveau an Finanzkraft zu heben, wären beispielsweise für das Jahr 1991 etwa 435 Mrd. DM an (Finanz‑)Ausgleichsmasse erforderlich gewesen, also ein deutlich höherer Betrag als die rund 100 Mrd. DM, die durch das EU-Budget zur Verfügung standen. Im einzelnen simulieren drei Varianten vertikale und horizontale Komponenten bei hoher und niedriger Ausgleichsintensität im Vergleich zu einer Variante mit den tatsächlich geleisteten Transferzahlungen der EU an die Mitgliedstaaten.

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References

(1) Der Vertrag über die Europäische Union wurde am 7. Februar 1992 in Maastricht paraphiert und trat am 1. November 1993 in Kraft. Bereits am 8. November 1993 beschlossen die EG-Außenminister, den Ministerrat fortan “Rat der Europäischen Union” zu nennen. Damit haben sie zunächst für erhebliche Verwirrung gesorgt, weil die EG als institutioneller Rahmen für die supranationale Zusammenarbeit nicht nur formal weiterbesteht und im Gegensatz zur EU auch Rechtspersönlichkeit besitzt. Im allgemeinen Sprachgebrauch hat bereits das Kürzel EU die altvertraute EG fast vollständig ersetzt.

(2) Francke, H.-H.: Zukunftsprobleme der europäischen Integration – von Maastricht zu einem europäischen Finanzausgleichssystem? Hrsg.: Institut für Finanzwissenschaft der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau. – Freiburg 1993. = Diskussionsbeitrag, Nr. 22/93, S. 1. Siehe hierzu auch Peffekoven, R.: Deutscher Finanzausgleich: Modell für Europa? In: EG-Magazin (1991) 9, S. 26–29, hier S. 26 f.

(3) Lammers. K.: Braucht die EG einen Finanzausgleich? In: Probleme des Finanzausgleichs in nationaler und internationaler Sicht. Tagungsband zur Jahresversammlung der Arbeitsgemeinschaft deutscher wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute. – Berlin 1993. = Beihefte der Konjunkturpolitik, H. 41, S. 189–200, hier S. 199. So auch Schäfers, M.: Die Kohäsionspolitik der Europäischen Gemeinschaft. Integrationspolitische Einordnung, Darstellung und Erfolgskontrolle. – Baden-Baden 1993, S. 191

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(6) Europäische Wirtschaftsordnung. Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Wirtschaft. Hrsg.: Bundesministerium für Wirtschaft. – Bonn 1989. = Studienreihe 61, S. 22

(7) Ebenda, S. 27

(8) Vgl. dazu ohr, R.: Das Manifest der 60 Professoren: Maastricht – eine Gefahr für Europa. Interview. In: Das Wirtschaftsstudium (1992) 7, S. 524–525. Die deutsche Diskussion nach Maastricht wird im Anhang der Analyse von krägenau, H.; wetter, W.: Europäische Wirtschafts- und Währungsunion. Vom Werner-Plan zum Vertrag von Maastricht. – Baden-Baden 1993, S. 399 f. umfangreich dokumentiert.

(9) Leibfritz. W.: Wohin führt die Europäische Währungsunion? In: Ifo-Schnelldienst (1992) 11, S. 3–8, hier S. 3

(10) Bohley, P.: Maastricht: Der Föderalismus bleibt auf der Strecke. In: EG-Magazin (1992) 11, S. 30–37, hier S. 36

(11) Zu den Erfahrungen mit dem bisherigen “Transferverfahren” innerhalb des Einnahmen- und Ausgabensystems der Europäischen Union siehe Messal, R.: EG-Finanzierung und Lastverteilung. Die Reform des EG-Finanzierungssystems 1988. Hrsg.: Bundesministerium der Finanzen. – Bonn 1989. = Schriftenreihe, H. 42, S. 21 f.; ders.: Das Eigenmittelsystem der Europäischen Gemeinschaften. 1. Aufl. – Baden-Baden 1991, S. 149 f.

(12) Vgl. Peffekoven, R.: Finanzausgleich I: Wirtschaftstheoretische Grundlagen. In: Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft. Hrsg: Albers, W. Studienausgabe, Bd. 3. – Stuttgart u. a. 1988, S. 608–636, hier S. 608 f.

(13) Vgl. Pagenkopf, H.: Der Finanzausgleich im Bundesstaat. Theorie und Praxis. – Stuttgart 1981, S. 35 f.; Zimmermann, H.; Henke, K.-D.: Finanzwissenschaft. Eine Einführung in die Lehre von der öffentlichen Finanzwirtschaft. 7. Aufl. – München 1994, S. 180

(14) Dennoch zeigen die formalen Ausführungen das grundsätzliche Verfahren eines Finanzausgleichs auf. Somit ist das Modell auch auf die jeweiligen NUTS-Ebenen anwendbar. Siehe dazu die räumliche Abgrenzung, Bezeichnung und Anzahl europäischer Regionen nach der EG-Systematik der Gebietseinheiten für Statistik NUTS, d. h. Nomenclature des Unités Territoriales Statistiques. Dieses Abgrenzungskonzept in drei Regionalebenen unterhalb des EG-Landes basiert auf einer zwischen den EU-Mitgliedstaaten und dem Statistischen Amt der EG (EUROSTAT) vereinbarten Raumaufteilung. Zur kritischen Würdigung der Eignung solcher Unterteilungen für die Regionalpolitik siehe Waniek, R. W.: Die Regionalpolitik der Europäischen Gemeinschaft. Eine kritische Bestandsaufnahme. – Bochum: Ruhr-Forschungsinstitut für Innovations- und Strukturpolitik (1992), S. 29 ff.

(15) Vgl. Buchanan, J. M.: Federalism and Fiscal Equity. In: American Economic Review (1950) 40, S. 583–599, hier S. 583 f.; Musgrave, R. A.: Approaches to a Fiscal Theory of Political Federalism. In: Public Finance: Needs, Sources and Utilization. Hrsg.: National Bureau of Economic Research. – Princeton 1961, S. 97–122, hier S. 97 f.

(16) Peffekoven, R.: Deutscher Finanzausgleich: Modell für Europa? a. a. O. [siehe Anm. (2)], S. 26

(17) Vgl. ebenda, S. 26 f.; Zimmermann, H.: Die regionale Dimension des Europäischen Binnenmarktes. Auswirkungen auf Regionsstruktur, föderativen Aufbau und regionsbezogene Politik. In: Europäische Integration: Aufgaben für Raumforschung und Raumplanung. Hrsg.: Akademie für Raumforschung und Landesplanung. – Hannover 1990. = Forschungs- und Sitzungsberichte, H. 184, S. 9–51, hier S. 31 f.; Könnte das in Deutschland angewandte System des “Länderfinanzausgleichs” als Modell für Ausgleichszahlungen zwischen den Staaten der Europäischen Gemeinschaft dienen? Hrsg.: Kommission der EG. Arbeitspapier der Generaldirektion Wissenschaft. – Luxemburg 1990

(18) Vgl. Waniek, R. W: Die Regionalpolitik der Europäischen Gemeinschaft, a. a. O. [siehe Anm. (14)], S. 134 f.

(19) Sowohl die Schwierigkeit einer EU-weit harmonisierten Messung als auch die Problematik, daß die nationalen Volkswirtschaften der EU über eine fast vollständige Steuerautonomie verfügen, bleiben unberücksichtigt.

(20) Die Ermittlung der Bedarfskriterien stellt eines der vielschichtigsten und schwerwiegendsten Probleme eines jeden Finanzausgleichssystems dar. So bildet die Bevölkerungszahl einer Gebietskörperschaft zwar einen wesentlichen, aber nicht einen ausreichenden und ausschließlichen Indikator für den Finanzbedarf. Dennoch wird i. d. R. der Einfachheit halber auf Pro-Kopf-Größen zurückgegriffen.

(21) FBIi = (1 + λi), wobei λi = 0, d. h. keine Berücksichtigung von Sonderbedarfen oder λi ≠ 0, d. h. Gewichtung bzw. Veredelung, die dazu führt, daß FBIi entweder kleiner oder größer 1 ist. Verzichtet man auf eine differenzierende Veredelung des Finanzbedarfsindikators, so weist der Finanzbedarf je Einwohner eine Gewichtung von 1 auf.

(22) Vgl. Zimmermann, H.: Die regionale Dimension des Europäischen Binnenmarktes ..., a. a. O. [siehe Anm. (17)], S. 34

(23) Anmerkung: θ = 0, wenn ein Land ausgleichspflichtig ist; θ=1, wenn ein Land ausgleichsberechtigt ist, wobei Σ VAZi = VAB = 1*β*Σ FBi, was einer Plafondierung der Transfermittel entspricht. Ansonsten würde sich der vertikale Ausgleichsbeitrag der Höhe nach erst im Verlauf des Finanzausgleichsverfahrens ergeben.

(24) Vgl. Buhl, H. U.; Pfingsten, A.: Eigenschaften und Verfahren für einen angemessenen Länderfinanzausgleich in der Bundesrepublik Deutschland. In: Finanzarchiv 44 (1986) 1, S. 98–109, hier S. 102; dies.: On the Distribution of Public Funds. In: European Journal of Political Economy (1990) 6, S. 363–376, hier S. 365 f.; dies.: Zehn Gebote für Finanzausgleichsverfahren und ihre Implikationen. In: Wirtschaftsdienst (1991) 9, S. 481–184, hier S. 482 f.; Fuest, W.; Lichtblau, K.: Finanzausgleich im vereinten Deutschland. Hrsg.: Institut der deutschen Wirtschaft. – Köln 1991. = Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialpolitik, Nr. 192, S. 12 f.; Michalk, J.: Die Garantieklauseln im Länderfinanzausgleich. In: Wirtschaftsdienst (1989) 9, S. 446–453, hier S. 446; Taube, R.: Ein Vorschlag zur Reform des Länderfinanzausgleichs. In: Wirtschaftsdienst (1990) 7, S. 372–380, hier S. 372; Hüther. M.: Reform des Finanzausgleichs: Handlungsbedarf und Lösungsvorschläge. In: Wirtschaftsdienst (1993), 1, S. 43–52, hier S. 44; Lenk, T.: Alternative Modelle für den Länderfinanzausgleich in der Bundesrepublik Deutschland: Anforderungen und mögliche Ausgleichsmechanismen. Hrsg.: Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität Leipzig. – Leipzig 1993. = Arbeitspapier, Nr. 1, S. 2

(25) Zu den politökonomischen Aspekten siehe Vaubel, R.: Die politische Ökonomie der wirtschaftspolitischen Zentralisierung in der Europäischen Gemeinschaft. In: Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie (1992) 11, S. 30–65; ders.: Perspektiven der europäischen Integration: Die Politische Ökonomie der Vertiefung und Erweiterung. In: Die zweifache Integration: Deutschland und Europa. Hrsg.: Siebert, H. – Tübingen 1993, S. 3–31

(26) Ausführlicher zum Verbundprinzip siehe Recktenwald, H. C.: Finanzföderalismus. Eine empirische Analyse im internationalen Vergleich. In: Die Verwaltung, 16 (1984) 1, S. 1–15, hier S. 2 f.

(27) Zu den Grundsatzfragen eines rationalen Finanzausgleichs siehe auch das Gutachten zum Länderfinanzausgleich in der Bundesrepublik Deutschland. Erstattet vom Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesministerium der Finanzen. Hrsg.: Bundesministerium der Finanzen. – Bonn 1992. = Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen, H. 47, S. 74 f.

(28) Aufgrund des synthetischen Index gehören ganz Spanien, Portugal, Griechenland und Irland zu den unterentwickelten Regionen.

(29) Tietmeyer, H.: Probleme einer europäischen Währungsunion und Notenbank. In: Europa als politische Idee und als rechtliche Form. Hrsg.: Isensee, J., 2. Aufl. – Berlin 1994. = Wissenschaftliche Abhandlungen und Reden zur Philosophie, Politik und Geistesgeschichte, Bd. 19, S. 35–61, hier S. 47

(30) Reichenbach. H.: Kohäsion: Zauberformel oder Zankapfel. In: EG-Magazin (1991) 9, S. 8–12, hier S. 12

(31) Bohley, P: Maastricht: Der Föderalismus bleibt auf der Strecke, a. a. O. [siehe Anm. (10)], S. 36

(32) Leibfritz, W. u. a.: EG-Binnenmarkt 1993: Gefährdet stärkere Integration den Föderalismus? In: Ifo-Schnelldienst (1989) 7, S. 11–15, hier S. 15. Die Kosten werden für die Zahlerländer um so höher sein, je unterschiedlicher die Wirtschaftskraft und die Anpassungsfähigkeit der WWU-Teilnehmer sind und je stärker die schwachen EU-Länder einer “Währungsillusion” erliegen (vgl. Leibfritz, W., a. a. O. [siehe Anm. (9)], S. 8).

(33) Vgl. Ridinger, R.: Wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt in der EG. In: Europa-Archiv (1992) 5, S. 133–140, hier S. 139; Bohley, P: Maastricht: Der Föderalismus bleibt auf der Strecke, a. a. O. [siehe Anm. (10)], S. 36

(34) Die Ausgleichsintensität von 0,23 ergibt sich durch Abrundung nach unten. Um den erforderlichen Verwaltungsausgaben der EG-Organe Rechnung zu tragen, diese beziffern sich auf ca. 5 % des jeweiligen EG-Budgets, wurden sie bereits in Abzug gebracht. EU-Budget minus Verwaltungsaufwendungen ergibt das für Ausgleichsleistungen zur Verfügung stehende Budget.

Published

1994-11-30

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Research Article

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1.
Grüske K-D, Walthes F. Europäischer Finanzausgleich zwischen EU-Mitgliedstaaten: Determinanten und finanzielle Dimensionen. RuR [Internet]. 1994 Nov. 30 [cited 2025 Jan. 13];52(6):373-82. Available from: https://rur.oekom.de/index.php/rur/article/view/2214

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