Neue Prioritäten im Abwägungsprozeß Authors Karl-Hermann Hübler DOI: https://doi.org/10.14512/rur.2418 Abstract Eingangs des Beitrags wird die These vertreten und belegt, daß die raumordnerischen Abwägungsergebnisse zumeist noch von Wertentscheidungen abgeleitet werden, die aus den 50er/60er Jahren stammen und zum großen Teil überholt sind.Sodann werden die wesentlichen methodischen und inhaltlichen Mängel dargestellt, die bei einer Untersuchung zahlreicher durchgeführter Raumordnungsverfahren (ROV) oder Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) ermittelt wurden.Im Schlußteil des Beitrags werden Vorschläge gemacht, wie künftige Abwägungsentscheidungen problemadäquater und „gerechter“ erfolgen sollten. Downloads Download data is not yet available. References Vgl. dazu die einschlägigen Gesetze und Entwürfe: BauGBuch vom 8.12.1986. ROG: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Raumordnungsgesetzes, Bundesratsdrucksache 336/88 v. 12.8.1988, Beschluß dazu v. 23.9.1988; Entwurf: Novellierung des Raumordnungsgesetzes der GRÜNEN v. 11.5.1988. BNatSchG: Vorentwurf BMU vom 3.10.1988. UVP-Gesetz: Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie des Rates vom 27. Juni über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, Bundesratsdrucksache 335/88 v. 12.8.1988. Vgl. dazu im einzelnen K.-H. Hübler, 1987 a. Vgl. H.-R. Müller-Raemisch, 1987. Vgl. dazu ausführlich K.-H. Hübler, 1987 a. Vgl. auch D. Ipsen, 1986. Einige Wissenschaftler wie Scheuch und Lübbe bestreiten einen Wertewandel (vgl. dazu die zusammenfassende Darstellung K.-H. Hübler, 1987 a); sie gehen davon aus, daß Veränderungen in den Werthaltungen nur im Rahmen des üblichen, z. B. generationenbedingten, Wechsels stattfinden. Zu bedenken ist allerdings, daß eine Vielzahl von Entscheidungen z. B. über Großvorhaben, die derzeit von der Öffentlichkeit zunehmend kritisiert werden, bereits einen langen “Entscheidungsvorlauf” hat und die Grundsatzentscheidung über ihre Planung und ihren Ausbau oft schon 10–15 Jahre zurückliegt. Vgl. SARO-Gutachten, 1961. Siehe K. Töpfer, 1988. In der Diskussion sind eine Ergänzung des GG (vgl. L. H. Michel, 1988), Änderungen des Tierschutzgesetzes und des BNatSchG. Die Wirksamkeit und Notwendigkeit der Ergänzung des GG wird allerdings vielerorts, so z. B. von Michel, bezweifelt. Vgl. auch S. Summerer, 1989. Vgl. neuerdings den z. T. hohen Stellenwert des Artenschutzes bei Abwägungen und auch in dem vorliegenden Novellierungsvorschlag des § 1 BNatSchG. G. Bartel, J. Hucke et al., 1986; K.-H. Hübler, S. Thoring et al., 1988. D. Marx (1987) nennt diesen Sachverhalt “Schutzziellücken“; ein solcher Begriff impliziert allerdings, daß in bisheriger Form diese Lücken durch weitere Gesetze beseitigt werden könnten. Der Verfasser ist hingegen der Meinung, daß ein anderer Weg, der zunächst von einer anderen Betrachtung ausgeht (Natur als Ökosystem) und in einem Umweltgesetzbuch instrumentiert wird, langfristig erforderlich ist. Freilich ist festzustellen, daß viele der von den technischen Disziplinen verwendeten Methoden und Entscheidungsverfahren in hohem Maße eine Scheinrationalität Vortäuschen, weil viele als sog. “harte Fakten” in die Abwägung eingebrachten Sachverhalte (z. B. Prognosen über die Erschließungswirkungen von Straßen, ökonomische Wirkungen der Flurbereinigung) ebenso fehlerhaft und unsicher sind wie Aussagen mit ”weichen“, d. h. oft qualitativen Angaben. W. Kühling (1989) zeigt an Beispielen von scheinbar objektiven (naturwissenschaftlich abgeleiteten) Grenzwerten im technischen Umweltschutz auf, daß diese ebenfalls eine Scheinrationalität Vortäuschen, die “objektiver” Überprüfung oder den Anforderungen exakter Wissenschaft in den wenigsten Fällen standhalten. Gleiches gilt m. E. für DIN-Normen und andere Vorschriften, die oft bei solchen Abwägungen relativ unreflektiert berücksichtigt werden. Vgl. K.-H. Hübler, 1989. Vgl. beispielhaft Zehetmeier, 1988; zusammenfassend K.-H. Hübler, 1989. Vgl. Protokoll über die 2. und 3. Lesung des Gesetzes im Deutschen Bundestag am 23.10.1986, BT-Drs. 10/241. § 1 ROG: Beachtung der natürlichen Gegebenheiten; § 1 BNatSchG: Naturhaushalt. Vgl. K.-H. Hübler, 1987. Der bayerische Landesentwicklungs- und Umweltminister A. Dick weist in diesem Zusammenhang auf den folgenden Sachverhalt hin: “... die Raumordnung ist von ihrer Denkweise her der ökonomischen Denkweise verhaftet. Ein wesentlicher Aspekt der Raumordnung sind die sozio-ökonomischen Beziehungen. Viele Landesplaner haben eine wirtschaftswissenschaftliche Ausbildung . . . Dabei stellt sich die Frage, ob diese mit den herkömmlichen landesplanerischen Mitteln noch angemessen zu bewältigen sind oder ob die Raumordnung ihr Instrumentarium und ihre räumlichen Bezugsgrößen nicht stärker an den Kriterien und Phänomenen des Umweltschutzes orientieren muß“. Vgl. im einzelnen K.-H. Hübler, 1989. Vgl. H.G. Wey, 1982. Vgl. E. Müller, 1986. Der Deutsche Städtetag hat sich in den vergangenen Jahren mit aller Macht sowohl gegen die rechtliche Regelung der Einführung des ROV und der UVP gewandt, er hat dies auch beim BBauG blockiert. Gleichwohl gibt es eine Vielzahl von Kommunen, die schon seit längerer Zeit erfolgreich UVP durchführen (vgl. z.B. Jacoby, 1987; Hubler/Otto-Zimmermann, 1989). In einer Stellungnahme des Präsidiums des Deutschen Städtetages vom 5. Mai 1988, die dann eine Anpassung der bisher restriktiven Haltung des Städtetages zum UVP-Gesetz anzeigt, wird z. B. u. a. formuliert: “Nachdrücklich muß auch dem Gedanken widersprochen werden, die Naturschutzbehörde zur ‚geschäftsleitenden Behörde‘ zu bestellen. Einmal würde dies auf die Einrichtung einer neuen Behörde hinauslaufen, weil die Naturschutzbehörde mit Aufgaben betraut würde, die sie bisher nicht durchführt. Bei den der UVP unterliegenden Vorhaben handelt es sich durchweg um technische Vorhaben mit einem hohen Anteil an chemisch-physikalischer Technik und Ingenieurwissenschaft oder komplizierten Bauten ... Sie (die Naturschutzbehörden – d.V.) würden diese Veränderungen stets mit einem abwehrenden Vorurteil betrachten (müssen), . . .” ferner beispielhaft zum ADAC: vgl. H. Braun, 1987. Vgl. dazu ausführlicher K.-H. Hübler, 1987a, S. 88 ff. Altner, G. (1985): Umwelt, Mitwelt, Nachwelt – Umweltethik als Voraussetzung individuellen und gesellschaftlichen Handelns. In: Wissen für die Umwelt (hrsg. von Jänicke; Simonis; Weidmann). – Berlin, New York. Bartel, G.; Hucke, J.; Müller, H. 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