Verkehrsvermeidung – welche Rolle kann die Raumplanung spielen?*

Authors

  • Stefan Schmitz Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung

DOI:

https://doi.org/10.14512/rur.2167

Abstract

Die Siedlungsstruktur stellt eine der zentralen Rahmenbedingungen für das Verkehrsgeschehen dar. Die in den letzten Jahrzehnten abgelaufenen Prozesse, die man mit den Schlagworten „Ausdifferenzierung der räumlichen Nutzungsstrukturen“, „Suburbanisierung“ und „großräumige Arbeitsteilung“ zusammenfassend beschreiben kann, haben einerseits zu längeren Wegen im Verkehr geführt. Sie haben gleichzeitig aber auch schwächere und schwerer bündelbare Verkehrsströme produziert. Disperse räumliche Zielstrukturen bieten nur geringe Chancen für Fahrgemeinschaften, bieten kaum sinnvolle Möglichkeiten der Abstimmung von öffentlichem Verkehr und Individualverkehr und bieten nur geringe Attraktivität für die „Eigenfortbewegung“ mit dem Fahrrad und zu Fuß.

Durch kompakte Siedlungsgebilde mit ausgewogener Nutzungsmischung ließe sich nicht nur Verkehr vermeiden, es ließe sich auch der verbleibende Restverkehr umweltschonender abwickeln. Es ist jedoch zumindest dafür zu sorgen, daß eine weitere Entflechtung z.B. von Wohnen und Arbeiten oder von Produktion und Konsum verhindert wird. Hierbei ist zweifellos die Raumplanung mit ihren Instrumenten zur Steuerung der Flächennutzung gefordert. Eine solche Forderung ist gerade vor dem Hintergrund der dramatischen Entwicklung der Siedlungsstruktur in den neuen Ländern mit ihren Folgen für das Verkehrswachstum berechtigt. Angesichts der Schwäche ihrer Steuerungsinstrumente werden aber Stadtplanung, Regionalplanung und Raumordnung allein das Problem nicht lösen können. Hier muß man sich vielmehr die tiefere Ursache des Auseinanderdriftens der räumlichen Nutzungstrukturen und der Verkehrsentwicklung vergegenwärtigen: die immer geringer werdenden Raumwiderstände aufgrund fallender Verkehrskosten und dauernd verbesserter Verkehrsinfrastruktur.

Das Ziel der Verkehrsvermeidung verlangt eine integrierte Verkehrs‑, Raumordnungs- und Umweltpolitik, die einerseits auf nationaler und europäischer Ebene die notwendigen Rahmenvoraussetzungen schafft und andererseits auf lokaler und regionaler Ebene „konkret vor Ort“ dafür sorgt, daß diese Voraussetzungen in ein umweltbewußtes Verkehrsverhalten umgesetzt werden können. Denn Verkehrsvermeidung heißt nicht Verkehrsverbot, sondern die Bereitstellung der Möglichkeiten zur Verhinderung unnötiger Mobilität.

Downloads

Download data is not yet available.

References

(1) Als Pendler gelten nach Definition des Statistischen Bundesamtes Erwerbstätige (Berufspendler) sowie Schüler und Studierende (Ausbildungspendler), deren Arbeits- bzw. Ausbildungsstätte nicht auf dem Wohngrundstück liegt. (Im Rahmen dieses Beitrags werden jedoch ausschließlich die Berufspendler betrachtet.) Befindet sich die Arbeits- bzw. Ausbildungsstätte in der gleichen Gemeinde, handelt es sich um innergemeindliche Pendler, andernfalls um Pendler über die Gemeindegrenze. Vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Volkszählung vom 25. Mai 1987. Fachserie 1 „Bevölkerung und Erwerbstätigkeit“, Heft 9: Pendler. Teil 1: Ausgewählte Strukturdaten

(2) Hägerstrand, T.: What about People in Regional Science? Papers of the regional Science Association, 24 (1970), S. 7–21

(3) Berechnet nach Angaben in: Verkehr in Zahlen 1991. Hrsg.: Der Bundesminister für Verkehr. Verantwortlich für den Inhalt: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW)

(4) Wedel, E.: Berufs- und Ausbildungspendler 1987. Ergebnisse der Volkszählung. In: Wirtschaft und Statistik 8/1991, S. 522–530

(5) Ott, E.; Gerlinger, T.: Die Pendlergesellschaft. Zur Problematik der fortschreitenden Trennung von Wohn- und Arbeitsort. – Köln 1992

(6) Der Begriff des Fernpendlers ist nicht eindeutig definiert. Während das Statistische Bundesamt im Rahmen seines Erhebungskonzeptes zur Volkszählung 1987 Fernpendler gegenüber Tagespendler abgrenzt als Personen, die von einer anderen als der „hiesigen“ Wohnung aus zur Arbeits- bzw. Ausbildungsstätte fahren, verstehen z.B. Ott und Gerlinger (1992) unter Fernpendler jene Personen, deren Arbeitsweg – ohne genaue Entfernungs- und Zeitangabe – täglich mehrere Stunden beträgt.

(7) In Übereinstimmung mit Ergebnissen einer regionalen Pendlerstudie; vgl. Ott, E.: Pendlerprobleme in der Region Fulda. In: ders. (Hrsg.): Arbeitsbedingtes Pendeln, S. 147–201

(8) Darin enthalten jedoch etwa 100 000 Pendler nach West-Berlin mit vergleichsweise kurzen Wegen.

Vgl. Scheremet, W.; Schupp, J.: Pendler und Migranten – Zur Arbeitskräftemobilität in Ostdeutschland. Hrsg.: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). = Diskussionspapier Nr. 36, Berlin 1991

(9) Fishman, R.: Die befreite Megalopolis: Amerikas neue Stadt. In: ARCH+ 109/110 (1991), S. 73–83

(10) Ebenda

(11) Deutscher Städtetag (Hrsg.): Mitteilungen 918/89 vom 6.10.1989

(12) Hunger, D.: Siedlungsstruktur und Stadt-Umland-Verkehr am Beispiel der Stadtregionen Dresden, Leipzig, Erfurt, Chemnitz, Halle und Jena. Expertise im Auftrag des DIW. – Dresden 1990; Kutter, E.: Verkehrsintegrierende räumliche Planungsinstrumente. – Bonn 1991. In: Materialien zur Raumentwicklung, Heft 40

(13) Albrecht, R.: Siedlungsstrukturelle Maßnahmen zur Energieeinsparung im Verkehr. Hrsg.: Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau. = Schriftenreihe 06 „Raumordnung“, Heft 06.056, Bonn 1985

(14) Luftreinhaltung ’88. Tendenzen – Probleme – Lösungen. Materialien zum 4. Immissionsschutzbericht der Bundesregiemng an den Deutschen Bundestag. Hrsg.: Umweltbundesamt. – Berlin 1989

(15) Bernhard, U.; Friedrich, R.; Gepp, S.; Kaule, G.; Manolopoulos, N.: Energieumsatz als Bestimmungsgröße in der räumlichen Planung. Forschungsbericht des Instituts für Landschaftsplanung und des Instituts für Kemenergetik und Energiesysteme der Universität Stuttgart. – Stuttgart 1982

(16) Franz, L.: Minimierung des Verkehrsaufkommens durch Optimierung der Nutzungsmischung. – Aachen 1978. = Stadt-Region-Land, Bd. 15, Berichte des Instituts für Stadtbauwesen der RWTH Aachen, 1978; Hensel, H.; Harloff, G.; Mäcke, P.A.: Nutzungsverteilung und Verkehr. Verkehrliche Auswirkungen städtebaulicher Verdichtung am Beispiel ausgewählter Stadtmodelle. = Schriftenreihe Landes- und Stadtentwicklungsforschung, Materialien, Bd. 4.009 des Instituts für Landes- und Stadtentwicklungsforschung des Landes Nordrhein-Westfalen, 1978

(17) Wiegandt, J.: Zur Planung gemischter Gebiete als Beitrag zur Zuordnung von Wohn- und Arbeitsstätten. Diss. München 1972

(18) Bernhard, U. u.a.: Energieumsatz als Bestimmungsgröße . . . , a.a.O.

(19) Roth, U.: Wechselwirkung zwischen Siedlungsstruktur und Wärmeversorgungssystemen. = Schriftenreihe 06 „Raumordnung“ des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, Heft 06.044, Bonn 1980; Schallaböck, K. O.: Verkehrsvermeidungspotentiale durch Reduktion von Wegezahlen und Entfernungen. In: Informationen zur Raumentwicklung, Bonn (1991) Heft 1/2, S. 67–84

(20) Prognos AG (Hrsg.): Wirksamkeit verschiedener Maßnahmen zur Reduktion der verkehrlichen CO2-Emissionen bis zum Jahr 2005. Untersuchung im Auftrag des Bundesministers für Verkehr, Bonn. Schlußbericht. – Basel, Oktober 1991

(21) Ebenda

(22) Gorißen, N.; Schmitz, S.: Verkehrsentwicklung und Bundesverkehrswegeplanung im vereinten Deutschland. Einige kritische Anmerkungen angesichts der Konsequenzen für die Umwelt. In: Informationen zur Raumentwicklung, Bonn (1992) Heft 4, S. 193–207

(23) Resolution der für Verkehr, Umwelt und Raumordnung zuständigen Minister und Senatoren der Länder und des Bundes vom 5./6. Februar 1992 in Krickenbeck

(24) Gorißen, N.; Schmitz, S.: Verkehrsentwicklung und Bundesverkehrswegeplanung ..., a.a.O.

Published

1992-11-30

Issue

Section

Research Article

How to Cite

1.
Schmitz S. Verkehrsvermeidung – welche Rolle kann die Raumplanung spielen?*. RuR [Internet]. 1992 Nov. 30 [cited 2024 Oct. 14];50(6):327-34. Available from: https://rur.oekom.de/index.php/rur/article/view/2167

Share