Technologieförderung als regionalpolitische Strategie?

Authors

  • Michael Fritsch Institut für Volkswirtschaftslehre, Technische Universität Berlin

DOI:

https://doi.org/10.14512/rur.2013

Abstract

Der Aufsatz geht der Begründung und den Möglichkeiten einer regionalpolitischen Strategie der Förderung des Einsatzes neuer Technologien nach. Die weitverbreitete Ansicht, der ländlich/periphere Raum sei hinsichtlich der Übernahme neuer Techniken grundsätzlich benachteiligt, findet in empirischen Untersuchungen keine Bestätigung, so daß eine entsprechende Begründung für regional differenzierte Technologieförderung nicht tragfähig ist. Dennoch stellt eine auf Verfahrensinnovationen gerichtete Strategie eine wesentliche Möglichkeit zur Stimulierung des “endogenen“ Potentials dar.

Neue empirische Analysen der Wirkungen des Einsatzes neuer Techniken zeigen sehr deutlich, daß ein und dieselbe Technologie je nach der Art und Weise ihres Einsatzes sehr unterschiedliche Wirkungen entfalten kann. Da offenbar weniger die Verfügbarkeit einer Technik, sondern vor allem die “Intelligenz“ des Technik-Einsatzes den Entwicklungsengpaß darstellt, sollte sich die Politik auf einen entsprechenden Know-How-Transfer konzentrieren. Dabei könnte aktives “Herantragen“ der Informationen an die Klientel für die Wirksamkeit der Förderung von wesentlicher Bedeutung sein. Da über sinnvolle Anwendungen neuer Techniken letztendlich nur unter Berücksichtigung der jeweiligen individuellen Gegebenheiten “vor Ort“ in den Betrieben entschieden werden kann, muß eine solche Strategie zum wesentlichen Teil auf der “lokalen“ Ebene implementiert werden.

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References

Siehe hierzu etwa den Überblick bei Oppenländer, K.-H. (1988): Wachstumstheorie und Wachstumspolitik. – München, sowie bei Solow, R. (1988): Growth Theory and After. In: American Economic Review, Vol. 78, S. 307–317

Vgl. Schumpeter, A. (1964): Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung. 4. Aufl. – Berlin

Siehe hierzu Fritsch, M. (1987): Räumliche Unterschiede der Telematik-Adoption in Industriebetrieben der Bundesrepublik Deutschland. In: Räumliche Wirkungen der Telematik, Hannover. = Forschungs- und Sitzungsberichte der Akademie für Raumforschung und Landesplanung, Bd. 169, S. 301–335 und Ewers, H.-J.; Fritsch, M. (1989): Die räumliche Verbreitung von computergestützten Techniken in der Bundesrepublik Deutschland. In: Böventer, E.v. (Hrsg.): Regionale Beschäftigung und Technologieentwicklung. – Benin, sowie die dort angegebene Literatur

Vgl. etwa Ewers, H.-J. (1984): Räumliche Innovationsdisparitäten und räumliche Diffusion neuer Technologien. In: Brugger, E.A. (Hrsg.): Regionale Innovationsprozesse und Innovationspolitik. – Diessenhofen, S. 97–118; Graf, P. (1987): Telematik – Analyse räumlicher Verteilungsmuster von Anwendern in der Bundesrepublik Deutschland. In: Räumliche Wirkungen der Telematik, Hannover. = Forschungs- und Sitzungsberichte der Akademie für Raumforschung und Landesplanung, Bd. 169, S. 337–366 sowie Schütte, G.; Türke, K. (1987): Daten und Indikatoren zur regionalen Verteilung und zu regionalen Wirkungen der Telematik. In: Räumliche Wirkungen der Telematik, Hannover. Ebd., S. 367–392

Siehe etwa für Großbritannien Thwaites, A.T.; Edwards, A.; Gibbs, D.C. (1982): The Interregional Diffusion of Production Innovations in Great Britain. Final Report to the Department of Industry and the EEC, Centre for Urban and Regional Development Studies, University of Newcastle upon T yne, für die Bundesrepublik Deutschland Fritsch, M. (1987), a.a.O. und Ewers, H.-J.; Fritsch, M. (1989), a.a.O., für die Schweiz Müdespacher, A. (1987): Innovationen der Telematik: Adoptionsverhalten und regionalwirtschaftliche Effekte. In: Raumforschung und Raumordnung, 45 (1987) H. 3, S. 72–79 sowie für die Niederlande Davelaar, E.J.; Nijkamp, P. (1987): Spatial Dispersion of Technological Innovations; a case study for the Netherlands by means of partial least squares. Paper prepared for the 27th Conference of the Science Association. – Athens, 25–28 August

Siehe hierzu insbes. Fritsch, M. (1987), a.a.O. und Ewers, H.-J.; Fritsch, M. (1989), a.a.O.

Siehe zu einem Überblick Maas, Ch. (1990): Determinanten betrieblichen Innovationsverhaltens. Theorie und Empirie. – Berlin

Der Grund für den vermuteten positiven Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der eigenen F&E-Aktivitäten und der Übernahme neuer Techniken wird üblicherweise darin gesehen, daß man dann, wenn man selber “Forschung und Entwicklung“ betreibt, die Vorteilhaftigkeit neuer Techniken besser einschätzen könne bzw. vor der Unsicherheit, welche mit der Adoption verbunden ist (z.B. schwer vorhersehbarer Anpassungsaufwand), nicht so leicht zurückschrecke; vgl. etwa Mansfield, E. (1977): Determinants of the Speed of Application of New Technology. In: Ders. u. a.: The Production and Application of New Industrial Technology. – New York, S. 108–125, insbes. S. 112 f. Es handelt sich also z. T. um eher “atmosphärische“ Einflüsse.

So wird beispielsweise vielfach angenommen, daß die Einführung von Elektronischer Datenverarbeitung um so geringere Reorganisationsprobleme mit sich bringt, je formalisierter bzw. standardisierter die Informationsbeziehungen und Entscheidungsabläufe bereits sind.

Vgl. Ewers, H.-J.; Becker, C.; Fritsch, M. (1990): Wirkungen des Einsatzes computergestützter Techniken in Industriebetrieben. – Berlin, New Vork

Die große Bedeutung des Erweiterungsmotivs bei der Adoption neuer Techniken korrespondiert mit dem Ergebnis von Vergleichen zwischen Adoptoren und Nichtadoptoren, die zeigen, daß es sich bei den Adoptoren häufig um relativ stark expandierende Unternehmen handelt (vgl. hierzu Ewers, H.-J.; Becker, C.; Fritsch, M. (1990), a.a.O., Teil B). Dies mahnt denn auch zur Vorsicht bei der Ermittlung der Technik-Wirkungen auf der Grundlage schlichter Betriebsvergleiche, denn die stärkere Expansionsneigung der Adoptoren bedeutet noch nicht, daß diese Unternehmen aufgrund des Einsatzes der Technik wachsen.

Ist ein Betrieb auf seinem Absatzmarkt starker “Qualitätskonkurrenz“ ausgesetzt, so spielen in der Regel die Möglichkeiten zur Qualitätssteigerung für die Übernahme der Technik eine wesentliche Rolle; herrscht auf dem Markt vorwiegend “Preiskonkurrenz“, so stellen die Kostensenkungsmöglichkeiten meist das dominierende Motiv für die Technik-Einführung dar. Legen die Abnehmer großen Wert auf kurze Lieferzeiten, so wird die Technik sehr häufig mit dem hauptsächlichen Ziel einer Verkürzung der Durchlauf- bzw. Fertigungszeiten adoptiert. Hinsichtlich der Kompatibilität der Technik zu den bereits vorhandenen Anlagen sind vielfach Möglichkeiten zur Ausschöpfung von “economies ofscale“ bzw. zur informationstechnischen Vernetzung von großer Bedeutung; ausführlich hierzu Ewers, H.-J.; Becker, C.; Fritsch, M. (1990), a.a.O.

Dennoch nennt in der Untersuchung ca. ein Drittel aller Betriebe “mangelnde Liquidität“ als Grund dafür, daß sie nicht noch mehr neue Technik eingeführt haben. Dieser Unterschied in der Gewichtung von Finanzierungsmöglichkeiten bzw. Liquidität könnte dahingehend interpretiert werden, daß die Möglichkeit zu einer günstigen Finanzierung nicht die Entscheidung der Übernahme neuer Technik an sich, sondern allenfalls das Ausmaß der entsprechenden Investition beeinflußt. Dies deckt sich mit Aussagen von Entscheidungsträgern in Betrieben, welche staatliche Förderung bei der Einführung computergestützter Technik in Anspruch genommen und aufgrund dieser Förderung die Investitionssumme erhöht haben. Für die Entscheidung über den Einstieg in die neue Technik war die finanzielle Förderung nach Auskunft der Gesprächspartner unbedeutend; allenfalls wurde der Zeitpunkt der Einführung etwas vorgezogen.

Vgl. hierzu Fritsch, M.; Maas, Ch. (1985): Das Investitionsverhalten von Industriebetrieben. – Ergebnisse aus einer Interviewstudie. In: Konjunkturpolitik, 31. Jg., S. 52–78

Vgl. Lutz, B. (1987): Das Ende des Technik-Determinismus und die Folgen. – Soziologische Technikforschung vor neuen Aufgaben und neuen Problemen. In: Ders. (Hrsg.): Technik und sozialer Wandel. – Frankfurt, New York, S. 34–52

Vgl. etwa Schultz-Wild, R. u. a. (1986): Flexible Fertigung und Industriearbeit. – Die Einführung eines flexiblen Fertigungssystems in einem Maschinenbaubetrieb. – Frankfurt, New York; Bergmann, J. u. a. (1986): Rationalisierung, Technisierung und Kontrolle des Arbeitsprozesses. – Die Einfunrung der CNC-Technologie in Betrieben des Maschinenbaus. – Frankfurt, New York, sowie Ewers, H.-J.; Becker, C.; Fritsch, M. (1990), a.a.O.

Ausführlich hierzu Ewers, H.-J.; Becker, C.; Fritsch, M. (1990), a.a.O.

Ausführlich zu Eigenschaften, Einsatzmöglichkeiten und Wirtschaftlichkeit computergestützter Techniken Ewers, H.-J.; Becker, C.; Fritsch, M. (1990), a.a.O., insbes. Anhang III

Bei Einzelfertigung ist die Anwendung der CNC-Technologie allenfalls dann sinnvoll, wenn man die durch die Technik gebotenen Potentiale zur Herstellung komplexer Teile weitgehend ausschöpft. Bei Fließfertigung, die keine ausgesprochene “Massenproduktion“ darstellt, können die Vorteile der Umrüstmöglichkeiten (Steigerung der Flexibilität, Einsparung von Sondermaschinen) der CNC-Maschinen den Einsatz rentabel machen.

Ausführlich hierzu Schultz-Wild, R.; Nuber, Ch.; Rehberg F.; Schmiert, K. (1989): An der Schwelle zu CIM. – Strategien, Verbreitung, Auswirkungen. – Köln

So hat sich beispielsweise bei einem Viertel der CNC-Anwender die Durchlaufzeit um mehr als die Hälfte verringert, bei ebenfalls einem Viertel der Betriebe hat sich die Durchlaufzeit (z. T. ganz wesentlich) erhöht. Bei ca. der Hälfte der CAD-Anwender ist der Zeitaufwand sowohl für die Konstruktions-Aktivitäten insgesamt als auch für Teilaktivitäten im Vergleich zur konventionellen Arbeitsweise gesunken, bei der anderen Hälfte hat sich der Zeitaufwand hingegen erhöht (ausführlicher hierzu Ewers, H.-J.; Becker, C.; Fritsch, M. (1990), a.a.O.).

Vgl. Hitchens, D.; O’Farrell, P. (1987): The Comparative Performance of Small Manufacturing Firms in Northern Ireland and South East England. In: Regional Studies, Vol. 21, S. 543–553; Dies. (1988): The Comparative Performance of Small Manufacturing Companies located in the Mid West and Northern-Ireland. In: Economic and Social Review, Vol. 19, S. 177–198

Weitere hier (unter Abschnitt 3.1) herausgestellte Adoptionsengpässe wie z.B. die Nachfrageentwicklung und der Ausreifungsgrad des Technik-Angebotes stellen keine sinnvollen Ansatzpunkte speziell regionaler Strukturpolitik dar.

Siehe hierzu Semlinger, K. (1988): Staatliche Intervention durch Dienstleistungen. – Berlin

Vgl. zu konkreten Vorschlägen etwa Lange, S. u. a. (1986): Lokale Initiativen zur Förderung der Anwendungen der Telekommunikation. – Das Beispiel Hamburg. – Köln

Vgl. hierzu Fritsch, M. (1990): Arbeitsplatzentwicklung in Industriebetrieben. Entwurf einer Theorie der Arbeitsplatzdynamik und empirische Analysen auf einzelwirtschaftlicher Ebene. – Berlin, New York, sowie Hitchens, D.; O’Farrell, P. (1987, 1988), a.a.O.

Siehe zu diesem Konzept Ewers, H.-J.: Wettmann, R. (1980): Innovation oriented Regional Policy. In: Regional Studies, Vol. 14, S. 161–179

Man sollte den Effekt des Vorhandenseins solcher frühen Nutzungen für die Wirtschaft wohl nicht überbewerten. International vergleichende Untersuchungen zeigen, daß solche Länder, in denen eine Technik erfunden und/oder relativ früh eingeführt wurde, später nicht selten einen eher unterdurchschnittlichen Verbreitungsgrad dieser Technik aufweisen bzw. ihre Führerrolle als Hersteller abgeben mußten (siehe hierzu insbes. Ray, G.F. (1984): The Diffusion of Mature Technologies. – Cambridge u. a.).

Published

1990-03-31

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Research Article

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1.
Fritsch M. Technologieförderung als regionalpolitische Strategie?. RuR [Internet]. 1990 Mar. 31 [cited 2024 Apr. 27];48(2,3):117-23. Available from: https://rur.oekom.de/index.php/rur/article/view/2013

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